Autorengespräch

Wie Bestseller-Autorin Rodica Doehnert in der Heidenheimer Stadtbibliothek Geschichte lebendig machte

„Das Sacher“, „Das Adlon“, „Der Palast“ – die preisgekrönte Autorin Rodica Doehnert führte mit SWR-Kulturredakteurin Christel ein anregendes Gespräch um ihre Figuren und ihre Bücher.

Als die Bestseller-Autorin Rodica Doehnert und SWR-Kulturredakteurin Christel Freitag den Margarete-Hannsmann-Saal in der Stadtbibliothek betraten, war eine andächtige Stille zu spüren. Viele der 30 Anwesenden kannten Werke der Autorin und folgten gespannt dem anregenden Gespräch zwischen Doehnert und Freitag. Die 1960 in Bukarest geborene Autorin wuchs in der DDR, in Myanmar, Indien und London auf und bekam, als sie an der Ernst-Busch-Schule in Ost-Berlin Regie studierte, zu hören: „Ihre Geschichten sind zu bunt!“ – was sie nicht davon abhielt, ihre vielen genauen Beobachtungen, Fantasiewelten und philosophisch-gesellschaftlichen Fragen in ihren Geschichten zu verarbeiten. Doehnert beherrscht beides meisterlich, sowohl das Schreiben von Drehbüchern als auch von Romanen, und viele ihrer Werke wurden national wie international ausgezeichnet.

Konzentration auf drei Werke der Autorin

Freitag lenkte das Gespräch kenntnisreich und konzentrierte sich auf drei Werke: „Das Sacher – die Geschichte einer Verführung“, „Das Adlon – eine Familiensaga“ und „Der Palast“ – eine Geschichte über den Berliner Friedrichstadtpalast vor und nach dem Mauerbau und zur Zeit der Wiedervereinigung 1989. Bei diesen Werken hatte Doehnert beides geschrieben: die Drehbücher für millionenfach angesehene Filmserien sowie die gleichnamigen Romane. Spannenderweise kamen die Drehbücher zuerst und die Romane folgten, weil sie mit ihren vielen Recherchen und Bildern im Kopf nicht alles in den Filmen unterbringen konnte. Bei Drehbüchern „mischen sich viele Menschen ein, Produzenten, Redakteure, Regisseure und zerpflücken alles“ und es ist ein viel längerer Prozess, den sie aber ebenso liebt. Doch in ihren Romanen kann sie Ebenen verwenden und Bilder, die in einem Film nicht funktionieren. Bei den im Wiener Hotel „Sacher“ spielenden Roman verwendete sie sehr beeindruckend den Tod und die Verführung als beobachtende und vorausschauende Personifizierungen. Wie Doehnert das beschrieb, mit tiefen menschlichen und gesellschaftlichen Beobachtungen, war so faszinierend, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer atemlos lauschten und in einem einzigen Augenblick in die Bilderwelt und in die Geschichte der komplexen Figuren versetzt wurden.

Überhaupt: ihre Figuren. Die historischen Fakten, die Doehnert aufwendig recherchiert – seien es die deutsch-österreichischen Beziehungen während der Belle Époque, Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert, die wendungsreiche Geschichte des Berliner Hotels Adlon oder die deutsch-deutsche Geschichte zwischen ehemaliger DDR und Bundesrepublik – bilden immer nur die Basis. Das Wichtigste ihrer Erzählungen sind die Personen, vor allem, aber keineswegs nur, starke, facettenreiche, faszinierende Frauenfiguren. Manche Personen sind historisch belegt, andere hat sie zur besseren Dramaturgie noch hinzugefügt. Jede der Figuren enthält auch Anteile von ihr selbst, und nicht nur für sie dient Schreiben zur Heilung und zur Verarbeitung, sondern auch für die Menschen, die ihre Filme ansehen oder ihre Bücher lesen, ist immer ihr Anliegen: Durch das Erzählen von Geschichten soll Heilung geschehen – zwischen Völkern, zwischen Männern und Frauen oder innerhalb ihres eigenen Landes.

Publikum in der Stadtbibliothek sichtlich berührt

Das Publikum war sehr berührt von den authentischen und warmherzigen Aussagen und ebenso von den Passagen, die Doehnert vorlas. Es hätte noch lange weitergehen können, aber Freitag gab zum Schluss den Zuhörern mit: „Schauen Sie an Weihnachten fern! Da werden die wunderbaren Filme jedes Jahr aufs Neue gezeigt. Und auch die Bücher: Jedes einzelne lohnt sich.“ Ein gelungener, sehr berührender Abend.

Am 4. Mai startet eine neue Veranstaltungsreihe in der Stadtbibliothek: „Kulturdialog: Morgenland trifft Abendland“. Am 7. Mai sprechen Wieland Backes und Christel Freitag zum Thema „Unmöglich!“. Vom 10. bis 12. Mai ist der „Liederfrühling“ zu erleben und am 15. Mai spricht Tankred Stöbe über „Mut und Menschlichkeit“.

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