Kunstverein

Wie Kunst gleichzeitig humorvoll und bedenklich wirken kann

Im Rahmen einer Ausstellung im Voith Training Center sind die Arbeiten von Simon Weckert zu sehen, dem Gewinner des diesjährigen Kunstpreises "Kunst und Technik".

Wie Kunst gleichzeitig humorvoll und bedenklich wirken kann

Kunst kommt von Können - wird oft behauptet. Im Falle von Simon Weckert, dem Gewinner des diesjährigen Kunstpreises „Kunst und Technik“, stimmt das – auch. Seine Arbeiten sind derzeit im Voith Training Center zu sehen. Simon Weckert beherrscht sein Genre. Von der Pike auf hat er Programmieren gelernt und würde sich sogar in gewisser Weise als Hacker bezeichnen. Das sind Spezialisten im Bereich der Computersicherheit, die kreativ mit der Technologie umgehen, Grenzen ausloten und sich mit den Sicherheitsmechanismen beschäftigen. Diese Fähigkeiten auch noch mit wichtigen gesellschaftsrelevanten Impulsen zu verknüpfen, macht den 34-Jährigen zudem zum Künstler. Seine zentrale Botschaft: Mehr Bewusstsein für diese Technologien, in die wir teilweise uneingeschränkt vertrauen.

Das berühmteste Beispiel des in Berlin lebenden Künstlers ist der künstliche Stau, den er 2022 an verschiedenen Stellen der deutschen Hauptstadt erzeugt hat und das mit ganz einfachen Mitteln. In einem Kindersandkastenwagen schleppte er 99 angeschaltete Handys, die mit Google verknüpft waren, durch verschiedene Straßen. Da Google unsere Daten über Handy trackt und dadurch immer weiß, wo wir uns befinden, wurde auf Google Maps genau entlang dieser Wege aufgrund der Häufung der Mobiltelefone ein Stau angezeigt, mit der Wirkung, dass dieser „Stau“ von anderen Verkehrsteilnehmern umfahren wurde und an anderer Stelle ein echter Stau entstand. So einfach ist es, die scheinbar absolut verlässlichen Systeme zu manipulieren und den Megakonzern Google auszutricksen.

Philosophische Themen

Die Arbeiten von Weckert haben etwas ähnlich Humorvolles und gleichzeitig Bedenkliches. Drei mit einer programmierten Kamera verbundenen Bildschirme, die jeweils mit dem Einfluss der Besucher interagieren und umgekehrt, sind hier installiert. Im Kern geht es um die Frage: Welchen Einfluss haben wir auf die Technik oder sie auf uns und welche Bedeutung und Funktion hat der Programmierer, selbst wenn er selbst nicht mehr da ist? Das sind die Themen, die Simon Weckert auch ganz philosophisch beschäftigen und aus denen er bereits seine zukünftigen Kunstwerke vordenkt.

Die mit einem der Bildschirme interagierende Person kann sich z.B. wie in einem Zerrspiegel selbst mit seinen Bewegungen sehen, allerdings um ein paar Sekunden verzögert. Sie schaut sich also selbst zu, was sie kurz zuvor gemacht hat. Da die Bilder nicht wie in einer Videoaufnahme festgehalten sind, sondern die Kamera gleich wieder auf die nächste Veränderung zeitverzögert reagiert, verbindet Simon Weckert Rückblick und Gegenwart zu einem. Die Wirkung ist frappierend, weshalb diese Installation die von den Besuchern meist frequentierte Arbeit in der Ausstellung ist. Alles ist durch eine spezifische Programmierung der Kameras erzeugt. Immer ist der Betrachter beeindruckt, was er selbst mit der Technik bewirkt und in keinem Fall weiß er, was mit seinen Daten passiert und wie der Programmierer damit weiter umgeht.

Variantenreiche Umsetzung

Wegen seiner inhaltlichen Konsequenz, moderne Technik, insbesondere künstliche Intelligenz und Datennutzung, kritisch aber auch spielerisch zu kommentieren und künstlerisch performativ umzusetzen, aber auch wegen seiner gedanklichen Tiefe und konsequenten variantenreichen, technologisch perfekten Umsetzung seines international Beachtung findenden Gesamtkunstwerkes, wurde Simon Weckert zum diesjährigen Siegers des Preises „Kunst und Technik“, der vom Kunstverein Heidenheim ausgelobt wurde, ausgewählt. Der Preis ist mit 3000 € dotiert und wird von der Hanns Voith Stiftung gespendet.  

Türmle von außen illuminiert

Der Gewinner des Kunstpreises ist nicht nur im Voith Training Center zu erleben: Derzeit wird auch anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Kunstvereins durch Simon Weckert während der Zeit der Ausstellung das Stammhaus des Kunstvereins, das Türmle, von außen illuminiert. Führungen durch die Ausstellung im Voith Training Center sind immer mittwochs 16 Uhr und samstags 11.30 Uhr.

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