Wie Max Raabe in Heidenheim zum kleinen grünen Kaktus griff
Wer hat hier schlechte Laune? Niemand. Lauter gutgelaunte Menschen im CC am Samstagabend. Das ist kein Wunder. Und der Grund dafür steht auf der Bühne: Max Raabe. Seinetwegen sind sie alle gekommen. Alle Zwölfhundert im ausverkauften Haus auf dem Schlossberg.
Keine schlechte Laune also. Wobei das, um ehrlich zu sein, von vornherein auch keine Frage war. Sondern das Motto der Tournee des Sängers. Mit dabei hat er selbstverständlich auch wieder sein formidables Palast-Orchester, in dem, man erzählt das doch immer wieder gern, bekanntlich jeder Sechste ein Sohn Heidenheims ist, der Bernd heißt. Bernd Frank, der das Tenorsaxophon handhabt, und Bernd Dieterich, der zwischen Kontrabass und Sousaphon hin und her pendelt.
Heidenheimer Bernds
Beide taten selbstverständlich selbst in der Heimat wieder so, als ginge sie das oder die überhaupt nichts an. Denn für den, der mit Herrn Raabe reist, gehört Contenance zum Geschäft. Und der Chef verliert sie erst recht nicht, indem er sich womöglich ein Wort wie Heidenheim auf der Zunge zergehen lassen würde. Ein Wort, in dem kein einziges r vorkommt, das man rollen könnte . . .
Raabes Charme ist, auch das erwähnt man immer wieder gern, dass er so tut, als habe er keinen. Und wenn er dann, wofür das leichte Heben einer Augenbraue völlig ausreicht, wenn er dann also obendrein auch noch so tut, als halte er die von ihm ausgelöste Begeisterung für ein, na, sagen wir mal, ganz klein wenig übertrieben, rast der Saal erst recht. Heinz Rühmann fällt einem in solchen Momenten ein. Der konnte auch aus dem Stegreif diesen leicht bockig wirken wollenden Rührmichnichtan mimen, der nichts besser verheimlichen kann als seine Absicht, alle Welt dazu zu verführen, ihn lieb zu haben.
Das Gesamtkonzept
Max Raabe jedenfalls, um zu ihm zurückzukehren, wickelt sie alle, wie sie da in Heidenheim sitzen, um den Finger und genießt solche Momente, indem er schweigend einen Schritt nach hinten tritt und sich ein wenig an den Apollo gerufenen Steinway kuschelt, der, wenn auch kein Eingeborener, längst ebenfalls als Heidenheimer durchgeht und nicht nur deshalb glühender Raabe-Fan sein dürfte, weil er seinen ersten richtigen Auftritt im CC einst an dessen Seite geschmiegt absolvieren durfte, sondern weil er bei Raabe schlicht gesetzt ist und somit endlich mal wieder aus seiner unterirdischen Garage ins Rampenlicht gelangt.
Des Meisters Stimme hingegen saß am Samstagabend leider nicht so perfekt wie dessen Frisur. Es haperte an der gewohnten Souveränität, was sich im Gesang Max Raabes in nicht so bruchlos wie gewohnt gemeisterten Wechseln zwischen dem im Umfang diesmal sehr eng wirkenden Brust- und dem deshalb bemerkenswert früh und oft angesteuerten Kopfregister bemerkbar machte. Mitunter mogelte sich der Bariton gerade mal so durch. Oder er pfiff zwischendurch mal wirklich grandios gut zur Musik, wobei er die Backen beinahe so leichthin blähte wie Loriots berühmt berüchtigter Kunstpfeifer, für den bekanntlich ausschließlich das künstlerische Gesamtkonzept zählt.
Fabelhafte Orchester
Und genau ein solches ist es, über das dies Show verfügt, was ihren unverwechselbaren und ansteckenden Reiz ausmacht Max Raabe ist und bleibt der kongeniale Nachlassverwalter der Musik der 1920er und frühen 1930er Jahre, der das Lachen ebenso wenig fremd war wie die Ironie oder sogar der Zynismus, und die vor allem mit ihren oft ja nur vorgeblich harmlosen und meist auf höchstem Sprachniveau thronenden Texten nie so unverbindlich war, wie sie das tat. Und deren heiterer Glanz, was in Max Raabes Show ja berechtigt keine Rolle spielen kann, aber im Zusammenhang mit ihr doch auch immer mitschwingen wird, im Wortsinn mit Blut besudelt wurde von Unmenschen, die einen wie Fritz Löhner-Beda, den Texter nicht nur mancher Lehár-Operette, sondern auch von Schlagern wie „In der Bar zum Krokodil“ in Auschwitz einfach totschlugen.
In gewohnter Galaform präsentiert sich Max Raabe in seinem Programm, das diesmal auch mit einer Handvoll eigener Lieder wie dem bravourösen "Für Frauen ist das kein Problem" oder – tatsächlich, ein Chanson – Charles Trenets berühmter Betrachtung des Meeres gespickt war, was die lakonische Art der Conférence anbelangt. Das alles hat eben schlicht Niveau und wird verabreicht in Form einer Show, die bis hin zur weit mehr als eleganten Lichtführung in allem derart präzise auf den Punkt zelebriert ist, dass es glattweg schon wieder als spontan durchgehen könnte.
Kurzweil und Kunst
Dazu das diesmal sogar etwas mehr als sonst beschäftigte fabelhafte Palast-Orchester mit seinen schlanken Arrangements, das als Ensemble vollendet die große Kunst beherrscht, so viel wie möglich, aber nie mehr als notwendig zu sagen. Hier macht sich keiner ungefragt wichtig, obwohl es jeder für sich locker könnte. Wo solche professionelle Seriosität waltet, wirken auch präzis eingebaute Gags noch einmal um einiges besser.
Ein absolut kurzweiliger Abend mit am Ende drei vom begeisterten Publikum frenetisch erklatschten Zugaben, bei denen sich selbstverständlich auch noch ein berühmter Kaktus von seinem Balkon herab einmischte.
Knapp am Geburtstag vorbei
Beinahe hätte Heidenheim am Samstagabend übrigens auch noch Max Raabes Geburtstag mitbegehen können. Man lag in dieser Beziehung hier nur knapp daneben auf dem Tourneeplan. Gefeiert wird nämlich morgen. Doch dann wird Max Raabe schon in Göttingen sein.