Kulturschiene

Wie Philipp Scharrenberg im Heidenheimer Lokschuppen sein subtiles Gagfeuerwerk abfeuerte

Der Poetryslammer und Kabarettist Philipp Scharrenberg kam mit seinem aktuellen Programm „Verwirren ist menschlich" nach Heidenheim, erfreute mit ausgeklügelten Wortspielen, und erhielt vom Publikum donnernden Szenenapplaus.

Es geht Schlag auf Schlag bei der Kulturschiene im Lokschuppen. Am Sonntagabend fand der in Bonn geborene Kabarettist, Slampoet und Autor Philipp „Scharri“ Scharrenberg erstmals den Weg nach Heidenheim. Scharrenberg ist unter anderem ein Meister des Poetry-Slams, sein aktuelles Programm „Verwirren ist menschlich“ ist bereits sein fünfter Bühnenstreich. 2023 wurde „Scharri“ mit dem deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet.

Wie sicher kann man sich seiner eigenen Meinung in der heutigen Zeit noch sein? Eine berechtigte Frage bei all den Einflüssen, Standpunkten, Ratschlägen, Fingerzeigen und Ansichten, die tagtäglich über Nachbarn, Kollegen oder Medien suggeriert werden. Nach dem überaus vergnüglichen und kurzweiligen Auftritt des blendend aufgelegten Scharrenberg war sich das Publikum sicher nicht mehr ganz so sicher, was Fiktion und was Realität war.

Verwirrung mit Methode, Fake-News am laufenden Band, Blasphemie so weit das Auge reicht oder gar Probleme, die man vorher noch gar nicht hatte oder kannte – wenn die Kanäle mal wieder zum maximalen Trübsal blasen, wäre das Drücken eines Knopfes die einfachste Lösung, um sich aus der medialen Umklammerung zu befreien. Ähnlich wie Sebastian Pufpaff in der Comedysendung „TV total“, der mit einem Nippelboard Sequenzen einspielt, agierte „Scharri“ mit einem kleinen Panel und zitierte an diesem Abend die Lösung aller Probleme in Form des Songs „Easy“ von den Commodores – einfach mal den Gang rausnehmen und der Dauerbeschallung die Stirn zeigen.

„Scharri“ diskutierte mit seinem Publikum über das Intelligenzminimum, stellte mit dem Lied „Wir haben es alle so gewollt“ einen höchst-organischen Song vor und verbreitete die Meinung, dass künstliche Intelligenz zwar intelligent sei, aber nicht besonders schlau. Dabei ließ er seinen markanten Worten Taten folgen. Inzwischen gibt es Apps für alles – fürs Joggen, fürs Schlafen, fürs Wäschebügeln. Das löst bei vielen Menschen regelrechte Zwangsneurosen aus – was passiert, wenn ich mein Update nicht rechtzeitig installiert habe – funktioniert dann mein Leben noch in geregelten Bahnen? Der beantwortet die Frage so simpel wie banal: eigentlich haben wir mit unserem App-Wahn doch alle einen an der Waffel. Touché, Mr. Scharrenberger.

Fein beobachtet und bittersüß verpackt

Während Nachrichtensendungen Horrormeldungen im Sekundentakt kredenzen, sind digitale Medien die ganz große Gefahr im Dschungel der Verwirrung: sie merken sich alles. Die persönlichen Vorlieben, die Einkäufe auf Amazon oder die besuchten Internet-Seiten – es gibt nichts, was sich die weite Internetwelt nicht einprägt. Und ganz nebenbei wird dem verdutzten Bediener noch eine rosarote Brille aus weitestgehend nutzlosen Empfehlungen aufgesetzt. Bedeutet: Augen auf beim Internetkauf. Elon Musk bekam seinen eigenen Song und im Gedicht „Der Spinner aus dem WWW“ zeigte „Scharri“ sein Talent für ausgeklügelte Wortspiele.

Auch der zweite Teil des Abends war von einem hohen Tempo geprägt. Scharrenberger erläuterte die Gemeinsamkeiten von Benjamin Blümchen und Wladimir Putin und erzählte im Kinderhörspiel von Lino Loser die Geschichte des kleinsten und dümmsten Kindes der Welt – zumindest auf den ersten Blick, denn Lino fand auf überaus intelligente und analoge Weise heraus, dass Mülltrennung nur deshalb veranstaltet wird, den Endverbraucher zu beschäftigen und bei Laune zu halten. Werden wir denn tatsächlich auch bei einem in Deutschland so essenziellen Thema wie Recycling hinters Licht geführt? Es scheint so.

Philipp Scharrenberger wusste mit seiner lockeren und ungezwungenen Art von der ersten Sekunde weg zu begeistern. Lieder, Gedichte, Stand-up-Comedy, Tanz- und sogar Rapeinlagen – er gestaltete das Thema Verwirrung und Manipulation in unterschiedlichsten Facetten – fein beobachtet und bittersüß verpackt. Die 70 anwesenden Besucher dankten es ihm immer wieder mit donnerndem Szenenapplaus.

Lokschuppen wird Jazzschuppen

Bei der nächsten Veranstaltung im Rahmen der Kulturschiene wird am Donnerstag, 14. November Saxophonist Jakob Manz mit dem „The Jakob Manz Project“ ab 20 Uhr versuchen, den Lokschuppen in einen groovenden Jazzschuppen zu verwandeln. Im Gepäck hat er seine aktuelle CD „The Answer“ (und ein bisschen mehr).

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