Heidenheimer Mordprozess

Wie die Polizei dem mutmaßlichen Täter auf die Spur kam

Zwei Polizeibeamte gaben am Donnerstag an der Schwurgerichtskammer des Ellwanger Landgerichts Auskunft über die Ermittlungen zum Mord in der Heidenheimer Degenhardstraße und beleuchteten die Vorgeschichte. Der Angeklagte schweigt dazu.

Wie die Polizei dem mutmaßlichen Täter auf die Spur kam

Als würde er einer Geschichte lauschen, sitzt der 35-jährige Heidenheimer auf der Anklagebank im großen Saal des Ellwanger Landgerichts. Er verzieht keine Miene, und sein Körper verrät keine Gefühlsregung. Es ist, als wäre er nicht der Mann, dem der Prozess wegen heimtückischen Mordes gemacht wird. Nur einmal spricht er, um zu sagen, dass er nichts zu den Taten sagen werde.

Dabei hat der Angeklagte ein zweites Gesicht: aggressiv und brutal seinen Mitmenschen gegenüber, vor allem im stark betrunkenen Zustand. Selbst seine Freundin hatte bereits ein Annäherungsverbot erwirkt, das aber dann einen Monat später wieder zurückgenommen. Und auch das spätere Opfer hatte schon so schwere Schläge einstecken müssen, dass es in der Notaufnahme des Klinikums behandelt werden musste.

Was geschah in der Mordnacht, dem 14. März 2023?

Wie kam die Polizei dem Täter auf die Spur? In welchem Umfeld geschah der Mord? Welche Beziehung hatten Opfer und Täter zueinander? Die leitende Ermittlerin bei der Kriminalpolizei Heidenheim gab vor der Schwurgerichtskammer unter Vorsitz von Richter Bernhard Fritsch über das polizeiliche Ermittlungsverfahren Auskunft.

Der Notruf bei der Polizei ging am 14. März um 4.36 Uhr ein. Wie sich später herausstellen sollte, war der Mann zu diesem Zeitpunkt jedoch schon seit vier Stunden tot. Darauf deuten zwei Dinge hin, die die Polizeikommissarin vor Gericht ausführte: Ein Mitbewohner habe um 0.23 Uhr bei der Polizei eine Ruhestörung genau aus dem Haus an der Degenhardstraße telefonisch gemeldet. „Das war wohl das unmittelbare Tatgeschehen, das er mitbekommen hat.“ Die Kollegen seien eine Stunde später dort gewesen, hätten aber nichts mehr festgestellt.

Obduktionsergebnis zeigt die Todesursache auf

Als die Polizei kurz nach 6 Uhr am Tatort eingetroffen sei, habe der Zeuge zwar noch versucht, den Mann zu reanimieren, doch es sei schnell klar gewesen, dass dieser tot sei. Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt. Die Obduktion am nächsten Tag habe ergeben: Durch Rippenbrüche sei der Thorax verletzt worden, nach dem Kollabieren der Lunge habe der Mann noch fünf Minuten gelebt. Die Obduktion deute auf massive Gewalt gegen Kopf und Körper. „Die Verletzungen am Brustkorb sind durch massive Kampftritte entstanden, einfache Schläge reichen dazu nicht aus“, so die Beamtin. Wie später durch Zeugenaussagen rekonstruiert wurde, hatte der Angeklagte mit einem Vierkantholz auf sein Opfer eingeschlagen.

Der Heidenheimer Angeklagte wird in Hand- und Fußschellen in den Gerichtssaal am Landgericht Ellwangen gebracht. Karin Fuchs

Warum kam dem Heidenheimer niemand zu Hilfe?

Warum konnte sich der Mann nicht wehren, warum hat niemand geholfen? Wie die Obduktion ebenfalls ergeben hat, war das Opfer stark alkoholisiert, ebenso zwei andere Bekannte, die in der Tatnacht zeitweise in der Wohnung des Angeklagten waren. Bier, Wein aus dem Tetra-Pak und Wodka seien getrunken worden.

Die anderen Personen in der Wohnung erkannten laut Schilderung der Kripobeamtin zunächst auch nicht, dass der 50-Jährige nach den massiven Schlägen nicht nur schlafend am Boden lag, sondern bereits tot war. Einer der Bekannten sagte aus, er sei rauchen gegangen, habe den 50-Jährigen am Boden liegen sehen und sei dann selbst schlafen gegangen.

Das tat auch der Angeklagte. Er legte sich in der Wohnung der Freundin schlafen, sie hatte das Appartement gleich nebenan. Dort fanden ihn dann die Polizeibeamten um 8 Uhr: nackt und schlafend auf dem Sofa. Bei der Befragung am Nachmittag habe der Angeklagte über Schmerzen an der Hand und am linken Fuß geklagt. Er habe gesagt, das komme von den Schlägen und Tritten auf das Opfer, so die Kommissarin.

Begleitet von Justizvollzugsbeamten betritt der Heidenheimer Angeklagte den Gerichtsaal in Ellwangen. Karin Fuchs

Opfer wandte sich schon Monate zuvor an die Polizei

Die Vorgeschichte zur Mordnacht klingt nicht so, als seien Täter und Opfer beste Freunde gewesen. Der 50-Jährige hatte laut der Kriminalbeamtin einen Betreuer, demzufolge es von ihm erwirkte Beschlüsse nach dem Gewaltschutzgesetz gab, weil der 50-jährige schon zuvor vom Angeklagten verletzt worden war. Er habe den Kontakt jedoch zugelassen und sich nur gewehrt, wenn es ihm zu viel wurde.

„Meine Einschätzung ist: Er war in einer Opferrolle, konnte sich nicht wehren. Er konnte die Türe nicht abschließen, weil sie kaputt war. Deshalb hatte er auch keinerlei Schutz, wenn er seine Ruhe haben wollte”, sagte die leitende Ermittlerin. Die Mutter habe berichtet, dass Kleider fehlten, ebenso die von ihr gekauften Handykarten. Sie musste auch einspringen, weil manchmal alles Essen weg war. Einschränkend kam eine diagnostizierte beginnende Alkoholdemenz des Mannes hinzu.

Gewaltausbruch nach dem WM-Fußballspiel

Mit einem blauen Auge und einem Nasenbeinbruch davongekommen war der Mann bereits am 29. November, als ihn der volltrunkene Angeklagte damals schon attackierte. Mit seinem Betreuer sei der Mann einige Tage später zur Polizei gekommen, um den Vorfall anzuzeigen. Der damals involvierte Beamte schilderte dem Gericht, dass der 50-Jährige zunächst sehr widersprüchliche Aussagen gemacht habe, weshalb er ihn nach Hause geschickt und zu einem zweiten Termin gebeten habe.

Dann habe er die Nacht so geschildert: Er habe ein Spiel der Fußball-WM geschaut, als der 35-Jährige splitternackt an der Tür geklopft habe. Er habe ihn hereingelassen, der 35-Jährige habe ein Bier getrunken und sei dann auf dem Boden eingeschlafen. Als er ihn nach Ende des Spiels wecken wollte, sei der Mann aggressiv geworden, habe ihn mit der Faust ins Gesicht und zudem noch drei Löcher in die Mauer geschlagen.

Der Polizist kannte den mutmaßlichen Täter bereits von einem anderen Vorfall. Damals ging es um einen Platzverweis an einem Heidenheimer Gymnasium gegen den Angeklagten und dessen Bruder, weil diese Kinder bedroht haben sollen. „Er hat sich als feindselig gegenüber der Polizei gezeigt“, so der Polizist. Der mutmaßliche Täter sei aggressiv geworden, sobald er Uniformträger gesehen habe.

So wird der Prozess am dritten Prozesstag fortgesetzt

Fortgesetzt wird die Verhandlung am 17. Oktober. Als Zeugen geladen sind die Personen, die in der Tatnacht mit in der Wohnung waren. Ebenso wird laut Richter Fritsch ein Psychiater anwesend sein. Erwartet werden an den folgenden Prozesstagen noch ein Rechtsmediziner und ein weiterer Sachverständiger. Der Angeklagte schweigt zu den Tatvorwürfen selbst. Womöglich wird er sprechen, wenn es um seine Lebensgeschichte geht.

Vorgeworfen werden dem Angeklagten nicht nur heimtückischer Mord, sondern aufgrund der früheren Vorfälle auch gefährliche Körperverletzung, tätlicher Angriff auf Polizeibeamte, Bedrohung, Beleidigung, Sachbeschädigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

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