Zwischen Krisen und Fachkräftemangel

Wie sich die Jugendhilfe im Landkreis Heidenheim gegen den Engpass stemmt

Fehlendes Personal bei gleichzeitig vielen hilfebedürftigen Kindern und Jugendlichen: Das ist der Spagat, den die Jugendhilfe im Landkreis Heidenheim aktuell bewältigen muss.

Immer mehr Kinder und Jugendliche benötigen wegen seelischer und körperlicher Beeinträchtigungen staatlich finanzierte Hilfen im Alltag – vor allem dann, wenn auch die Familie mit den Problemen überfordert ist oder selbst Unterstützung braucht. Für diese Kinder positive Lebensbedingungen zu schaffen und sich um ihr Wohl zu kümmern, ist die zentrale Aufgabe der Jugendhilfe – eine Aufgabe, die zunehmend schwieriger wird.

„Die Herausforderungen in der Jugendhilfe sind immens“, sagte Sozialdezernent Matthias Schauz bei der ersten Sitzung des Jugendhilfeausschusses des Kreistags nach der Kommunalwahl. Er stimmte die Kreisrätinnen und Kreisräte auf die Themen ein, die das Gremium in der kommenden Legislaturperiode beschäftigen werden. Wichtig ist das vor allem deshalb, weil der Jugendhilfeetat einen erheblichen Teil der Ausgaben des Landkreises ausmacht. Die Ausgaben des Landkreises für 2024 belaufen sich auf rund 212 Millionen Euro. Davon entfallen knapp 94 Millionen Euro auf den Sozialetat, dessen größter Posten wiederum der Jugendhilfeetat mit 23,5 Millionen Euro ist.

Auswirkungen der Coronapandemie auf Kinder und Jugendliche in Heidenheim

Schauz nannte drei zentrale Herausforderungen: Erstens die vielen aktuellen Krisen wie Kriege und die Pandemie. „Gerade die Coronapandemie hatte nachweislich gravierende Auswirkungen auf unsere Kinder und Jugendlichen“, betonte er. Zweitens die umfangreichen Gesetzesänderungen der letzten Jahre, die zwar sinnvoll seien, der Jugendhilfe jedoch zusätzliche Arbeit beschert hätten. Weitere Reformen stünden bereits bevor, etwa der Anspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule. „Das sind alles gute Ansätze, aber sie führen angesichts des Fachkräftemangels zu Engpässen an anderen Stellen.“ Drittens sprach Schauz die steigenden Fallzahlen an: Der wachsende Hilfebedarf treffe auf eine Angebotsstruktur, die aufgrund des Fachkräftemangels immer schwerer aufrechtzuerhalten ist – auch im Landkreis. Dennoch wolle er „nicht schwarzmalen“, sagte Schauz.

Welche Lösungsansätze gibt es? Die Landkreisverwaltung ist dieser Frage in den vergangenen Wochen nachgegangen und hat alle Träger der Jugendhilfe im Kreis, die ambulante und stationäre Hilfen anbieten, zu einem erneuten Austauschtreffen eingeladen. Der Ursprung dieser Treffen liegt in einem Antrag der CDU/FDP-Fraktion während der Haushaltsberatungen 2023. Ziel war es, ein Stimmungsbild der freien Träger zu erhalten. Diese Treffen sollen künftig regelmäßig stattfinden, wie Landrat Peter Polta zusicherte.

Über die Ergebnisse des nunmehr zweiten Treffens informierte Jugendhilfeplaner Robin Schwarz. Aus den Anregungen des ersten Treffens wurden neue Konzepte entwickelt und teilweise bereits umgesetzt, etwa mit der sozialpädagogischen Familienhilfe. Aktuell werden zudem neue Ansätze für die soziale Gruppenarbeit und die aufsuchende Familientherapie erarbeitet.

Aus der Not heraus entsteht ein Netzwerk in Heidenheim

„Die Coronapandemie hat sich spürbar auf die psychische und seelische Gesundheit junger Menschen ausgewirkt“, bestätigte auch Schwarz. Das sehe man am wachsenden Hilfebedarf. Sowohl das Jugendhilfesystem als auch die psychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen seien stark belastet. Daher solle der Zugang zu Beratung, Hilfe und Behandlung für Kinder und Jugendliche erleichtert werden. Ziel sei es, frühzeitig bedarfsgerechte Hilfen anzubieten, um die psychische Gesundheit zu fördern und die Kinder zu resilienten erwachsenen Persönlichkeiten zu entwickeln.

Dafür soll ein Jugendgemeindepsychiatrischer Verbund eingerichtet werden. Dieser soll sicherstellen, dass belastete junge Menschen und ihre Familien bedarfsgerechte Angebote in den Bereichen Beratung, Behandlung, Rehabilitation, Teilhabe, Prävention und Gesundheitsförderung erhalten. Eventuelle Versorgungslücken sollen durch bessere Vernetzung und Kooperation geschlossen werden. Im Oktober findet dazu eine Konferenz statt.

Neues Angebot für Familien im Landkreis Heidenheim

Im präventiven Bereich wurde bereits eine Lücke geschlossen: Das niederschwellige Angebot „Familien stärken“ (Fast) ermöglicht es, Familien, die Unterstützung wünschen, durch Fachleute in Erziehungs-, Beziehungs- und Konfliktfragen begleiten zu lassen, aber auch bei Themen wie Gesundheit, Bildung, Medienkompetenz, Hauswirtschaft sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Einige Themen sind jedoch weiterhin ungelöst, wie Schwarz betonte. Dazu zählen die engere Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule, gemeinsame Fortbildungen, die Sicherstellung von Plätzen zur Inobhutnahme für gefährdete Kinder sowie der anhaltende Fachkräftemangel.
Die freien Träger berichteten zudem von einem deutlichen Anstieg intensiver Fälle, insbesondere im Bereich der Kindeswohlgefährdung. Dies führt dazu, dass Vor- und Nachbereitung immer mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Die Partner in der Jugendhilfe im Landkreis Heidenheim

Am Austauschtreffen nahmen alle im Landkreis tätigen freien Träger der Jugendhilfe teil: Caritas Ost-Württemberg, Eva Heidenheim, Arbeiterwohlfahrt, Kinderschutzbund, Sozialpädagogisches Forum Heidenheim, Bekamo Jugendhilfe, Pädagogische Praxis Jung, My Way – Praxis für Jugendhilfe, Supervision & Coaching, Verein Freie Michaelschule, Jugendhilfe Seitz, Epia – Erlebnispädagogik im Alltag, Arbeitsgemeinschaft Inklusion, Life – Hilfe für Familien, Treffpunkt Kloster – Familien- und Kommunikationszentrum Herbrechtingen, Heidenheimer Sportbund.

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