Rotlichtszene

Wie sich die Prostitution in Heidenheim seit der Corona-Pandemie verändert hat

In Heidenheim gibt es noch ein angemeldetes Bordell, dafür beobachtet die Kriminalpolizei eine Abwanderung der Prostitution in Hotels und Privatwohnungen. Was das für die Frauen bedeutet:

Die Rahmenbedingungen für Prostitution haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Dies war auch in Heidenheim spürbar: Nur noch ein angemeldetes Bordell, das „Playground“ an der Siemensstraße, war zuletzt geöffnet. Seit einigen Wochen ist ein zweites Rotlicht-Etablissement wieder geöffnet, die „Villa“ im alten WCM-Kindergarten an der Kanalstraße. Allerdings hat der Besitzer das Haus nicht als Bordell angemeldet, sondern vermietet nur Zimmer an Frauen, die dort auf eigene Verantwortung sexuelle Dienstleistungen anbieten. Dieses Vorgehen ist symptomatisch dafür, was in der Rotlichtszene passiert ist.

Der Kripobeamte Marco Keim vom Polizeipräsidium Ulm ist für das Thema Prostitution auch im Landkreis Heidenheim zuständig. „Die Hotel- und Wohnungsprostitution spielt seit vielen Jahren eine immer größere Rolle“, erklärt er den Rückgang an Bordellen. Für diese Entwicklung nennt er zwei Gründe: das Internet und das Prostituiertenschutzgesetz. Letzteres trat am 1. Juli 2017 in Kraft und sollte laut Keim eine Grundlage für die Ausübung der Prostitution als Beruf schaffen und die Bedingungen kontrollieren, unter der sie stattfindet.

Strengere Auflagen für Bordellbetreiber

Mit dem Gesetz kamen auch Auflagen für die Betreiber von Bordellen, sie wurden beispielsweise dazu verpflichtet, ein Betriebskonzept vorzulegen, Notfallknöpfe in den Zimmern zu installieren, Quittungen für die erbrachten Dienstleistungen auszustellen und zu überprüfen, dass die Prostituierten sich bei der zuständigen Behörde angemeldet haben.

Zu diesen erschwerten Bedingungen für Betreiber von Rotlicht-Etablissements kamen immer neue digitale Möglichkeiten wie Handy-Messenger und einschlägige Plattformen im Internet, auf denen sexuelle Dienstleistungen verabredet werden können, die dann in Privaträumen oder Hotels stattfinden. „Die Betriebe haben ihr Monopol verloren“, sagt Marco Keim. Diese Entwicklung sei zunächst durch das Prostituiertenschutzgesetz verstärkt worden und dann noch einmal deutlich durch die Corona-Pandemie: „Das war wie Benzin auf die Flammen zu gießen“, sagt er. Die Bordelle waren zeitweise komplett geschlossen, wohingegen die Einzelprostitution weiterlief, „dabei hätte man in den Einrichtungen Hygienemaßnahmen einfordern können“, so Keim.

Im privaten Bereich schwieriger zu überwachen

Für die Kriminalpolizei sei es ungleich schwieriger, Prostitution in Hotels, Pensionen oder Privatwohnungen zu überwachen als in angemeldeten Rotlicht-Betrieben: „Wir können nur stichprobenartig kontrollieren“, sagt Marco Keim. Er betont dabei, dass es bei der Arbeit der Polizei immer um den Schutz der Frauen gehe. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Frauen unter geregelten Umständen, ohne Zwang und Ausbeutung, ihrer Arbeit nachgehen können“, erläutert der Kriminalpolizist. Das klingt einfacher, als es oft ist: Es handelt sich um eine verschwiegene Szene, die Tätigkeit ist für die Frauen oft mit Scham oder gesellschaftlicher Ächtung verbunden, außerdem kommt ein immer größerer Anteil der Frauen aus dem Ausland. Während laut Keim vor Corona 60 bis 70 Prozent der ausländischen Prostituierten aus Rumänien kamen, treffe man mittlerweile auch auf Chinesinnen oder Südamerikanerinnen aus Kolumbien, Venezuela oder Brasilien, die einen spanischen Aufenthaltstitel haben.

Auch die Sprachbarriere macht die Ermittlungen der Polizei schwieriger: Zum Gespräch mit einer Prostituierten muss eine Dolmetscherin hinzugezogen werden in einer Kontrollsituation, die für die Frauen ohnehin schon schwierig ist. „Wir erklären den Frauen, wie der rechtliche Rahmen ist, dass sie nichts Verbotenes tun, welche Möglichkeiten sie haben, sich gegen Zwang und Gewalt zu wehren“, erläutert Keim. Das erfordere viel Fingerspitzengefühl.

Gruppierungen, die Frauen in die Prostitution zwingen, sogenannte Zuhälterringe, treffe man meist nicht in den Rotlicht-Betrieben an, sondern eher im Hotel- oder Privatbereich. Grundsätzlich gebe es, was die Zuhälterei betrifft, auch ein breites Spektrum, so Keim: Wenn ein Mann den Transport einer Prostituierten organisiert, für sie eine Anzeige formuliert oder sie begleitet, sei dies nach geltender Rechtsprechung nur dann als Zuhälterei zu werten, wenn er dafür mehr als 50 Prozent des Geldes einfordert, das die Frau einnimmt. „Grundsätzlich gelten Zwang und Ausbeutung als Merkmale für Zuhälterei“, erläutert der Kripobeamte.

Keim warnt davor, beim Thema Prostitution in Klischees zu denken: „Prostitution ist sehr vielseitig, es sind lauter individuelle Frauen mit ihrer eigenen Geschichte“, sagt er. Vieles sei weniger organisiert, als man annehme, und oft laufe Prostitution auch sehr normal und unspektakulär ab.

Wann die Polizei ermittelt

Um Prostitution im privaten Bereich zu kontrollieren, braucht es einen Hinweis oder Anfangsverdacht. Manchmal melden sich Hotelbetreiber bei der Polizei, wenn sie glauben, dass in ihrem Betrieb Prostitution stattfindet. Auf Internetplattformen fallen den Ermittlern Anzeigen auf, wenn beispielsweise immer derselbe Text verwendet wird oder besondere Sexualpraktiken angeboten werden. In Städten mit mehr als 35.000 Einwohnern ist die Prostitution grundsätzlich erlaubt, allerdings kann die Kommune Sperrbezirke ausweisen, in denen sie nicht stattfinden darf. In Heidenheim liegen die Kanalstraße, die Seewiesen und die Steinheimer Straße außerhalb des Sperrbezirks.

Die Zahl der angemeldeten Prostituierten in Baden-Württemberg hat sich laut dem Statistischen Landesamt seit 2019 deutlich verringert: Damals waren im ganzen Land 4972 Prostituierte angemeldet, 2020 war die Zahl beinahe um die Hälfte auf 2809 gesunken. 2023 waren landesweit 3843 Frauen zur Prostitution angemeldet, 13 davon im Landkreis Heidenheim. Der Ort der Anmeldung hat allerdings nichts damit zu tun, wo die Tätigkeit ausgeübt wird.


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