„Queen“. Bisweilen hat man den Eindruck, dass um die Musik der Band, die es seit über 30 Jahren realistischerweise nicht mehr geben kann, heute mehr Gewese gemacht wird als zu den Zeiten, da Freddie Mercury noch auf Erden wandelte. Interessant wäre es gewesen, ermitteln zu können, wie viele der Menschen, die den Heidenheimer Lokschuppen bis an dessen Nähte füllten, die Band einst noch live erlebt haben. Die allermeisten jedoch werden bewegte „Queen“-Bilder ohne Bildschirm wohl ausschließlich von der Musical-Bühne kennen oder von Konzerten wie dem am Freitagabend.
Wobei man in solchen Fällen durchaus unterscheiden darf. Denn da gibt es Bands, die, jetzt mal ohne die Musik bewerten zu wollen, mit mehr schlecht als recht als Freddie verkleideten Sängern ehe putzig wirken. Und dann gibt es Bands wie die von Siggi Schwarz, die ohne jede Anleihe vor allem an die Couture von damals auskommen. Den großartigen Sänger des Abends im Lokschuppen jedenfalls kleidete, wenn man so will, von Anfang an auch die Klugheit, nicht in die Falle zu laufen, auf Freddie Mercury zu machen. Also: keine roten Hosenträger etwa auf freiem Oberkörper zu Lederhose oder Ledermütze. Lediglich der handliche Mikrofonhalter von Markus Engelstädter taugte als äußeres Zugeständnis an den großen britischen Tenor aus Sansibar.
Ohne Verkrampfungen
Insofern war auch gleich zu sehen, was es anschließend zu hören gab: Keine verkrampfte Kopie von etwas, das ohnehin nicht zu kopieren ist, sondern eine starke Band, die starke Musik von anderen interpretierte und dabei doch bei sich selbst blieb. Mit allem Drum und Dran, wo unbedingt nötig, aber auch mit jenem Maß an künstlerischer Freiheit, die vor Verkrampfungen auf und vor der Bühne schützt. Die in diesem Fall ohnehin eher dumme Frage nach der berühmten Authentizität wurde also erst gar nicht gestellt. Und die Zuhörer waren in der Folge nicht mit ständigen Vergleichen beschäftigt, sondern mit dem Spaß, den das alles machte. „Let me entertain you“, hätte Freddie wahrscheinlich dazu gesagt.
Der erste Satz des ersten Songs des Abends war gleichsam Programm: „It’s a Kind of Magic“. Genau das war und ist die Musik von „Queen“, die immer auch ein wenig aus dem Rahmen dessen fiel, was sonst so da war. Und eben die Essenz dieser Magie herauszuarbeiten, gelang Schwarz und Engelstädter in allen Phasen des Konzerts. Wobei die Frontmänner bei solch einem Vorhaben immer auch nur so gut sein können, wie ihre Seitenmänner es sind: Keyboarder Max Hunt, immer mit einem Lächeln auf den Lippen und mit allen Wasser gewaschen, Bassist Danny O’Steen, der unumstößliche Fels in der Brandung, und Schlagzeuger Maxx Hertweck, sehr druckvoll, dabei mannschaftsdienlich und ohne Manieriertheiten.
Verschiedene Stilarten
„The Best of Queen“ lautete das Motto. Wobei sich sicher darüber streiten ließe, was gut oder besser oder am besten ist im Schaffen dieser Band. Im Lokschuppen lag der musikalische Fokus eher auf den 80er-Jahren und es kamen, aber das ist letztlich Geschmackssache, Songs wie „Tie Your Mother Down“ oder „Don’t Stop Me Now“ oder die nach wie vor riesenhafte „Bohemian Rhapsody“, Songs also von 1975 und 1976, aus Zeiten, da „Queen“-Alben noch so hießen wie Filme der Marx Brothers, vielleicht etwas zu kurz.
Oder aber „Fat Bottomed Girls“, jene Nummer, die dem Blues, jenem Nährboden, dem schlussendlich auch die Musik von „Queen“ erwuchs, am nächsten kommt. In solchen Momenten, jedenfalls glaubt man das, zu spüren, fühlte sich Siggi Schwarz, der ja mit anderen musikalischen Hausgöttern großgeworden ist, bei „Queen“ noch einmal wohler als ohnehin an diesem Abend, an dem er einmal mehr den Beweis antrat, dass er eben kein "One Trick Pony“ ist, sondern eigentlich in jedem Sattel Parforce reiten kann. Und wie er, etwa bei seinem im Ansatz eher unauffällig gehaltenen Solo in "Crazy Little Thing Called Love", seine Art von Stil mit der von Brian May bekannten mischte, hatte Delikatesse.
Tiefenentspannte Zeiten
„Fat Bottomed Girls“ wiederum, um noch einmal darauf zurückzukommen, stammt aus dem Jahr 1978, und der Titel des Songs erinnerte am Freitag süß an vergleichsweise tiefenentspannte Zeiten, in denen man sang und sagte, was man wollte, und nicht hinter jeder Ecke ein selbst ernannter Moralhüter lauerte, um mit erhobenem Zeigefinger auf denjenigen einzudreschen, der sich in seinem ideologisierten Sinne nicht korrekt verhält. „Fat Bottomed Girls“ ist auf dem Album „Jazz“ verewigt, dem „Queen“ doch tatsächlich ein dreimal gefaltetes Riesenposter beilegte, auf dem schier unüberschaubar viele splitternackte Frauen auf Rennrädern sitzen. Das glaubt einem heute doch kein Mensch mehr, oder? „Get on your bikes and ride“ hat Freddie einst am Ende des Songs gerufen.
Aber wir schweifen ab und waren eigentlich schon in den 80ern. „Another One Bites the Dust“, „Radio Gaga“, "I Want to Break Free“. So was kam damals von „Queen“. Und so was kam auch im Lokschuppen, wobei man einmal mehr erwähnen könnte, dass Songs wie diese auf eine ganz bestimmte Art und Weise ja sogar besser nach Heidenheim passen als anderswohin. Stammen sie doch von Alben wie „The Works“ oder „The Game“, bei denen als Toningenieur tatsächlich ein gebürtiger Heidenheimer das Sagen hatte: Reinhold Mack. Und so erklang im Lokschuppen auch der für die damalige „Queen“-Zeit fast schon untypische Kraftmeiersong „Hammer to Fall“ so, als wär’s ein Stück von Heidenheim.
Was sonst noch? „We Will Rock You“ und „We Are the Champions“. Aber da war das Publikum schon lange nicht mehr zu halten. Riesenjubel. Ein Abend mit „Queen“ – und, wie schon einmal vor Jahresfrist an selber Stelle: jeder Kunde König.
Heute gleich noch einmal
Wer die "Queen"-Show von Siggi Schwarz und Co. verpasst haben sollte, hat am heutigen Samstag noch einmal die Chance. Für das um 20 Uhr im Lokschuppen beginnende Wiederholungskonzert gibt es noch Karten an der Abendkasse.