Alltagsengel

Wie Walburga Patzak ihre Fähigkeiten einsetzt, um krebskranken Frauen eine Freude zu machen

Seit sie im Jahr 2001 an Krebs erkrankte, ist Walburga Patzak Teil einer Frauenselbsthilfegruppe in Heidenheim. Dort bekam sie die Idee für ihre selbstgemachten Stoffherzen, welche an Frauen verschenkt werden, die im Klinikum in Behandlung sind oder waren.

Eigentlich steht Walburga Patzak ungern im Rampenlicht. Dass sie sich bereit erklärt, für diesen Artikel ein Gespräch zu führen, war eigentlich nicht zu erwarten. Denn viel lieber ist sie allein oder zusammen mit ihrem Mann in ihrer Heidenheimer Wohnung, genauer gesagt im Arbeitszimmer, wo die Nähmaschine steht. An dieser fertigt sie jedes Jahr zwischen 150 und 300 Stoffherzen an, die Schätzungen variieren, selbst zählt Patzak nicht mit. Ihr geht es nicht um die Menge, sondern um den Effekt, den die Herzen als Tröster und Wundauflage auf krebskranke Frauen im Klinikum haben werden.

Dabei hätte Patzak alles Recht dazu, sich zurückzunehmen und weniger zu tun. Die 74-Jährige hatte selbst Krebs und leidet an den Folgen der Kinderlähmung. „Ich bin gesund auf die Welt gekommen und hab dann mit viereinhalb Monaten Kinderlähmung bekommen“, so Patzak. „Ich war der letzte Fall bei uns in der Stadt.“ Die Stadt, die sie meint, ist Schatzlar in Tschechien, wo Patzak aufwuchs. Wegen der Lähmungserscheinungen, die vor allem ihre rechte Seite und ihr rechtes Bein schwächen, sodass sie eine Orthese tragen muss, verbrachte sie viel Zeit im Kurort Johannisbad. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann Bohumil Patzak kennen.

Kein leichtes Arbeitsumfeld

1968 kam die damals 17-Jährige mit ihrer Familie als Spätaussiedlerin nach Deutschland und später über mehrere Stationen nach Heidenheim. 1971 ging sie wieder nach Tschechien, um dort Bohumil Patzak zu heiraten, 1972 zogen die beiden in die Wohnung in Heidenheim, in der sie heute noch leben. Patzak ist gelernte Damenschneiderin, in Heidenheim arbeitete sie bei Ploucquet. Zu dieser Zeit hätten sich Arbeitgeber allerdings kaum um behinderte Mitarbeitende gekümmert, so Patzak: „Ich hab da nur ein Vierteljahr in der Näherei gearbeitet, weil man nicht bereit war, die Maschine für mich umzubauen.“ Stattdessen arbeitete sie in den darauffolgenden Jahren im Labor des Textilunternehmens.

Nach der Geburt ihres ersten Sohnes war es für Patzak wegen ihrer Behinderung schwer, wieder Arbeit zu finden. Also machte sie sich als Änderungsschneiderin selbstständig, zunächst arbeitete sie Firmen zu, bevor sie nur noch private Aufträge annahm. Die Idee, ihre Fähigkeiten in der Stoffbearbeitung für andere einzusetzen, kam ihr jedoch erst später. Im Jahr 2000 wurde bei ihr Krebs festgestellt. Die Behandlung im Klinikum Heidenheim verlief erfolgreich, allerdings wurde bei einer Routineuntersuchung im vergangenen Jahr erneut Krebs festgestellt.

Die Stoffherzen, hier noch im nicht ausgestopften Zustand, fertigt Walburga Patzak in verschiedenen Größen an. Foto: Theodor Hölzle

Umso mehr schätzt Patzak die Frauenselbsthilfegruppe Krebs, die sie seit 2001 regelmäßig besucht. Dort kam auch die Frage auf, ob jemand sich um ein Nähprojekt kümmern könnte, und Patzak sagte sofort zu. „Am Anfang haben wir die Herzen in der Gruppe gestopft, aber das war immer ein Zirkus, ein Hin und Her, die eine hat mehr gestopft und die andere weniger“, sagt die 74-Jährige mit einem Lächeln. Während der Covid-19-Pandemie gab es keine Treffen, seitdem kümmert sich Patzak um den gesamten Herstellungsprozess.

Dazu gehört das Beschaffen von passenden Baumwollstoffen, auf eigene Kosten, das Übertragen des Musters auf den Stoff, das Ausschneiden der Einzelteile, das Zusammennähen und das Ausstopfen, vorzugsweise mit genau 100 Gramm Füllmaterial. Die Reste, die dabei anfallen, verarbeitet die 74-Jährige zu Patchworktaschen, auch diese werden, gefüllt mit kleinen Geschenken, von der Frauenselbsthilfe im Klinikum ausgegeben.

Es geht nicht um Anerkennung

Bei der Übergabe ist Patzak allerdings nicht dabei, darum bekommt sie auch den Dank der Beschenkten nicht direkt zu spüren. „Wenn neue Frauen in die Gruppe kommen, die mich noch nicht gesehen haben, dann heißt es manchmal ‚Oh, jetzt kenne ich wenigstens auch die Frau, die die Herzen macht‘.“ Aber Patzak geht es nicht um den Dank, sie motiviert sich aus sich heraus: „Ich will nicht ganz versteifen, deshalb mache ich immer etwas.“ Die Arbeit sei eine Bestätigung, dass sie noch etwas könne und eine Möglichkeit, der Gesellschaft etwas zu geben. Auch ihre Erziehung spielt dabei eine Rolle: „Ich hab von meinen Eltern nie ‚Du kannst das nicht, weil Du behindert bist‘ gehört. Bei ihnen hieß es immer ‚Es wird versucht, und wenn es nicht geht, dann helfen wir Dir‘.“

Deshalb kann sich Walburga Patzak auch nicht vorstellen, mit ihrer gemeinnützigen Arbeit aufzuhören, trotz der Hürden von Krankheiten und Alter. „So lange ich es kann, werde ich es machen“, so lautet ihre unmissverständliche Aussage.

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