Man sieht nichts, man hört nichts, man riecht nichts. Und doch atmet der Platz, an dem dieser Artikel entsteht, Geschichte. Römische Geschichte. Davon hat Heidenheim reichlich zu bieten. Bis heute. Denn als sich die Frage stellte: „Ist das wertvoll, oder kann das weg?“, lieferten intelligente Menschen glücklicherweise die passende Antwort, indem sie Fakten schufen. Anfang der 1980er-Jahre war das.
Die Deutsche Bundespost plante damals ein neues Fernmeldeamt in der Heidenheimer Innenstadt. Das brachte archäologische Grabungen des Landesdenkmalamts in Gang. Am Ende stand nach fachkundiger Einschätzung von Dr. Dieter Planck, dem Hauptkonservator beim Landesmuseum, eine „glückliche Verbindung von freigelegter römischer Architektur und Museum“, die in dieser Form selten zu finden sei.
Geschäftsgebäude, Parkhaus und Museumsbau
Das Ergebnis lässt sich an der Ecke Friedrich-/Theodor-Heuss-Straße in Augenschein nehmen: ein auf Stützen ruhendes Gebäude samt Parkhaus, darunter Reste dessen, was die Römer an genau dieser Stelle vor rund 2000 Jahren errichteten. Gereon Balle, Leiter der Historischen Museen Heidenheims, sieht in dieser Kombination einen Glücksfall: „Eine architektonisch sehr gelungene Lösung an einer viel frequentierten Stelle, und ein Schutzbau, der es ermöglicht, Funde exakt dort zu zeigen, wo sie gemacht wurden“, sagt der 56-Jährige.
Um zu verstehen, was einen vor Ort erwartet, muss man in der Geschichte ein ordentliches Stück zurückgehen. Bis ins Jahr 100 nach Christus. Seinerzeit bauten die Römer – stets bestrebt, ihr Reich auszudehnen – im Aquileia genannten Heidenheim ein steinernes Kastell. Untergebracht wurde in dieser befestigten Kaserne die Ala Secunda Flavia Milliaria, eine 1000 Mann starke Reitereinheit. Ein halbes Jahrhundert war sie an der Brenz stationiert, ehe sie in ein neu erbautes Kastell in Aalen verlegt wurde. Die römische Epoche Heidenheims endete allerdings erst 260 nach Christus, denn bis dahin blieb nach dem Abzug der Reiter eine außerhalb des Kastells entstandene Zivilsiedlung erhalten.
Stehen in Heidenheim heutzutage größere Bauvorhaben an, rücken üblicherweise erst einmal Archäologen an und öffnen Fenster in die Vorzeit. Ihre Aussichten: vielversprechend. So ist heute allerhand über das 5,5 Hektar große Kastell bekannt – auch dass dort, wo sich einst das Stabsgebäude befand, inzwischen der eingangs erwähnte Schreibtisch in der HZ steht.
Etliches wurde in den 1980er- und 1990er-Jahren sorgfältig dokumentiert und ruht unter Straßen, Häusern, Gärten. Andernfalls wäre die halbe Heidenheimer Innenstadt ein Freilichtmuseum, müsste sich das normale Leben auf einer von Stützen getragenen zweiten Ebene abspielen. Ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man sich bloß einmal die Dimensionen der Schloss-Arkaden anschaut. Immerhin ist ein Anfang 2000 dort ausgegrabener Torbogen des Kastells nun aber im Eingangsbereich des Römerbad-Museums zu bestaunen.
Dahinter öffnet sich ein weiterer Raum: 1400 Quadratmeter groß und mit einer zentralen Aussichtsplattform versehen, vor der sich ein Gewirr aus Grundmauern auftut. Anfangs gingen die Experten davon aus, es mit den Resten einer prachtvollen Badeanlage zu tun zu haben. Tatsächlich gilt heute als gesichert, dass es sich um den repräsentativen Sitz eines hohen Verwaltungsfunktionärs handelte, möglicherweise um eine Nebenresidenz des Statthalters der Provinz Rätien in Augsburg. „Wir stehen wohl in einer Art Regierungsviertel“, sagt Balle und beschreibt die Faszination, die ihn stets aufs Neue ergreift: „Jeden einzelnen dieser Steine hatte einmal ein Römer in der Hand.“
Während das Museum zudem ein kleineres Badegebäude für die Reiter birgt, erstreckte sich ein deutlich größeres dereinst wenige Meter entfernt südlich des Bahnhofs. Schon bei der Eröffnung des Museums am 3. September 1984, also vor 40 Jahren, machte der Münchener Archäologieprofessor Thilo Ulbert kein Hehl aus seiner Begeisterung: Die Einrichtung stelle „ein einzigartiges Dokument der römischen Epoche“ dar, das weit über den lokalen Rahmen hinaus für die internationale Forschung Bedeutung erlangen werde.
Oberbürgermeister Martin Hornung erging sich ebenfalls in Superlativen und erhob das 2,4 Millionen Mark teure Vorhaben zum zweiten Wahrzeichen Heidenheims neben Schloss Hellenstein. Neugierig gemacht, wollten sich im ersten Monat 5800 Gäste davon überzeugen, nach einem Jahr waren es 17.000. Nicht ganz so viele Besucherinnen und Besucher kommen auch heute noch bei allerdings reduzierten Öffnungszeiten.
Einem Sprichwort folgend, führen alle Wege nach Rom. Aufs Museum im Römerbad trifft diese Behauptung nachweislich nicht zu, wenngleich die dort ausgestellte Tabula Peutingeriana anderes suggerieren mag. Diese mittelalterliche Kopie einer römischen Straßenkarte enthält die erste schriftliche Erwähnung des antiken Namens Aquileia und deutet an, welche Bedeutung der Ort einst als Verkehrsknotenpunkt von sieben Straßen hatte.
Wer sich ein unmittelbares Bild davon machen möchte, was aus dem damaligen Stellenwert geworden ist, sollte dem Museum unbedingt einmal einen Besuch abstatten – so ganz nebenbei. Vielleicht bildet er sich anschließend ja überraschenderweise ein, der Odor Heidenheims römischer Vergangenheit steige ihm in die Nase.
Eingeschränkte Öffnungszeiten
Wenn am 12. Oktober 2024 die Heidenheimer Museumsnacht stattfindet, gehört zu den Veranstaltungsorten das Museum im Römerbad. Geboten sind dort neben Einblicken in Heidenheims Geschichte auch Musik und römisches Essen. Grundsätzlich geöffnet hat das Museum zwischen dem 1. Mai und 31. Oktober jeweils sonntags von 13 bis 17 Uhr. Zu weiteren Zeiten sind auf Anfrage Gruppenführungen möglich. Kontakt: Tel. 07321.327-4710 sowie 0172.7229779. Der Eintritt ist kostenlos.
Der nächste Teil der HZ-Sommerserie erscheint am Mittwoch, 28. August. Dann berichtet HZ-Volontärin Helen Bruch, wie sie ganz nebenbei zur Veganerin wurde.