Schon als das Jugendhaus Mittelrain 2014 in die ehemalige Villa Kunterbunt zog, war die Rede von einem in die Jahre gekommenen Anwesen. Jetzt, ein Jahrzehnt später, spielt der bauliche Zustand bei der Suche nach einer zukunftsträchtigen Lösung die wesentliche Rolle. Der Gemeinderat hat sich – wie von der Stadtverwaltung vorgeschlagen – für einen Neubau ausgesprochen.
Undichtigkeiten in Dach und Wänden, starke Wärmeverluste, defekte Heizsysteme, Hygieneprobleme aufgrund von Feuchtigkeit und Schimmel: Diese Rahmenbedingungen ließen einen Betrieb nur unter erschwerten Bedingungen zu, heißt es seitens des Rathauses. Eine Sanierung plane die katholische Kirche als Eigentümerin nicht. Da der Fachbereich Familie, Bildung und Sport ein Jugendhaus im Mittelrain aber für erforderlich hält, wurden im Rathaus zwei Varianten geprüft.
Variante 1: Umzug zum Grünewaldplatz
Das Kinderhaus am Grünewaldplatz wird nach seinem Umzug in den Neubau bei der Grundschule leer stehen. Allerdings ist das aus dem Jahr 1969 stammende Gebäude inmitten eines ca. 1.700 Quadratmeter großen Grundstücks sanierungsbedürftig. Elektrik und Sanitäranlagen müssten erneuert werden. Hinzu kämen Investitionen in die Wärmedämmung von Dach, Fenstern und Fassade. Auch der barrierefreien Erreichbarkeit der auf zwei Stockwerke verteilten Räume wäre Genüge zu tun. Voraussichtliche Gesamtkosten: 2,2 Millionen Euro.
Variante 2: Neubau bei der Grundschule
Auf 1,9 Millionen Euro taxiert die Verwaltung einen eingeschossigen Neubau aus Holz auf dem Areal der Grundschule mit einer Nutzfläche von knapp 400 Quadratmetern. Denkbar sind Sanitärbereich, Küche, Büro und vier Räume, die zwischen 30 und 70 Quadratmeter groß sind und sich flexibel miteinander verbinden lassen. Teilweise in das ansteigende Gelände eingefügt, könnte das Dach als erweiterter Pausenhof und Aufenthaltsfläche dienen.
Weiterer Vorteil aus Sicht der Planer: Aufgrund der Nähe zu Hort, Mensa und Turnhalle könnten Räume gemeinsam genutzt werden. Aus dem Verkauf des Grundstücks, auf dem das seitherige Kinderhaus steht, verspricht sich die Verwaltung Einnahmen in Höhe von etwa 400.000 Euro.
Die Mitglieder des Gemeinderats sprachen sich mit großer Mehrheit (drei Gegenstimmen, vier Enthaltungen) für einen solchen Neubau aus. Ralf Willuth (Freie Wähler) räumte zwar ein, die zu erwartenden Kosten zähneknirschend zu akzeptieren, vom Konzept allerdings sei er begeistert. Von der bestmöglichen Lösung sprach Tanja Weiße (SPD), während Elisabeth Kömm-Häfner (Grüne) einen „gut investierten Haufen Geld“ ausmachte und Vera Wolf (Grüne) betonte, Investitionen in die Prävention seien „das Sinnvollste, was man in der Stadtteilarbeit tun kann“.
Zuvor hatte Matthias Heisler, der Leiter des Fachbereichs Familie, Bildung und Sport, auf die aus seiner Sicht große Bedeutung eines Jugendhauses in der Insellage Mittelrain hingewiesen: „Da oben gibt es nichts.“ Täglich kämen zwischen 40 und 70 Kinder und Jugendliche in die Einrichtung, und der Bedarf sei „so groß wie nirgends sonst im Stadtgebiet“.
Baukosten sorgen für Diskussionen
Wasser in den Wein goss derweil Michael Kolb (CDU). Er wollte wissen, weshalb ein Wohnhaus für deutlich weniger als eine Million Euro gebaut werden könne, während für das geplante einstöckige Jugendhaus doppelt so viel aufgebracht werden müsse. Stefan Bubeck, Leiter des Geschäftsbereichs Hochbau, entgegnete, die genannten 1,9 Millionen, die im Nachtragshaushalt für das laufende Jahr berücksichtigt werden sollen, seien „nicht zu üppig kalkuliert“. Berücksichtigt werden müsse, dass neben Planungsleistungen und statischen Berechnungen auch die Außenanlagen und Teile der Einrichtung beinhaltet seien.
Noch nie zuvor sei wie im vorliegenden Fall eine sich über vier Jahre erstreckende Finanzierung unter den Vorbehalt eines Nachtragshaushalts gestellt worden, warf Hans Kurowski (Grüne) ein. Kämmerer Guido Ochs bezeichnete den Neubau daraufhin als verantwortbar, da der Rechnungsabschluss des Jahres 2023 etwas besser ausfalle als zunächst erwartet. Begonnen werden könnte Bubeck zufolge mit den Arbeiten im Frühjahr 2025, als möglichen Termin für die Fertigstellung des Neubaus nannte er das Frühjahr 2027.
Ersatz für Jugendhaus auf den Reutenen gesucht
Handlungsbedarf besteht auch hinsichtlich des Jugendtreffs in der Schwende auf den Reutenen. Die dort aufgestellten Container können schon seit Monaten nicht mehr genutzt werden, sind „abgängig“, wie Bubeck sagte. Derzeit werde untersucht, ob an gleicher Stelle ein Neubau ähnlich dem im Mittelrain geplanten denkbar sei. Problematisch aus Bubecks Warte: Der Standort befindet sich in einem Waldgebiet, und es gibt für diesen Bereich keinen Bebauungsplan.
Michael Rieck (CDU) brachte „aus Gründen der Gleichbehandlung“ identische und zugleich kostengünstige Lösungen in Containerbauweise für den Mittelrain und die Reutenen ins Spiel. Wie bei hochwertig ausgestatteten Bürogebäuden seien sie bereits für 60.000 Euro zu haben. Ralf Willuth sprach sich mit dem Argument dagegen aus, die schlussendlich gewählte Variante diene dazu, „ein Brennpunktviertel zu verhindern“. Daraus leiteten sich die Ansprüche ab. Oberbürgermeister Michael Salomo fügte an, er vertraue seinen Hochbau-Experten. Am Ende wurde Riecks Antrag bei fünf Jastimmen und zwei Enthaltungen abgelehnt.
Am Anfang stand ein Doppeldeckerbus
Ende der 1970er-Jahre, als sich das neue Wohngebiet Mittelrain noch ausdehnte, wurden Forderungen laut, Betreuungs- und Beschäftigungsangebote für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Feste Räumlichkeiten waren dafür nicht verfügbar, und so diente als Alternative zunächst ein ausgedienter Doppeldeckerbus. Sein Standort befand sich zwischen der Mittelrainschule und dem evangelischen Kindergarten.
Rasch war diese von allerlei Sachbeschädigungen begleitete Episode aber bereits Geschichte. Für ambitionierte pädagogische Ansätze hatte die Enge in dem Gefährt ohnehin kaum Möglichkeiten gelassen.
Da die Zahl der Klassen in der Mittelrainschule von neun auf fünf reduziert wurde, bot sich damals die Möglichkeit, das von den Vereinigten Jugendringen getragene Kinder- und Jugendhaus vom 4. Februar 1983 an im Untergeschoss unterzubringen. 2014 machte die Einrichtung einer Hortgruppe Platz und zog von der Carl-Spitzweg-Straße in das zur katholischen Dreifaltigkeitskirche gehörende Gebäude Mittelrainstraße 118. Diese sogenannte Villa Kunterbunt war einst für 1,4 Millionen Mark errichtet worden, hatte Platz für den Kindergarten St. Nikolaus geboten und war ursprünglich als erster Abschnitt eines künftigen Gemeindezentrums gedacht. Das Jugendhaus befindet sich seither dort, allerdings war es zwischenzeitlich für längere Zeit geschlossen.
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