Eine Wärmflasche. Ein Breitschwert. Ein indisches Bett. Römische Ziegel. Zwei Henkel ohne Amphore. Man könnte einfach so weitermachen und ein Ding nach dem anderen benennen, das hier liegt, lagert, hervorlugt. Verpackt und unverpackt. Spinnräder. Gewehre. Bärenknochen. Glasfenster …
Es scheint nichts zu geben, was es nicht gibt im Zentralmagazin der Historischen Museen Heidenheims. Und es ist noch nicht einmal entschieden, wie viel es davon gibt. Was man sagen kann, ja, was man spüren kann bei einem Besuch in der Schmelzofenvorstadt, ist, dass sich hier Geschichte regelrecht verdichtet. Heidenheimer Geschichte. Und auch ein wenig Geschichte darüber hinaus.
Reiches Erbe
Das historische Erbe der Stadt Heidenheim und ihrer Umgebung ist außerordentlich reich und deckt von der Faustkeilkultur bis zum gewissermaßen explosionsartig einsetzenden industriellen Wachstum der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert alle wichtigen Phasen der Menschheitsgeschichte und der Zivilisationsentwicklung ab. Und was sich, um es mal sehr grob zusammenfassend zu formulieren, von diesem Erbe erhalten hat, was von Archäologen, Heimatforschern oder anderen gesucht oder gefunden und auf welchem Wege auch immer den Weg dahin gefunden hat, wird dort bewahrt.
Zu diesem Erbe gehört beispielsweise auch eine 1993 in den Besitz der Stadt übergegangene umfangreiche Sammlung, die in den vergangenen 120 Jahren zusammengetragen wurde und auf die Initiative des Gymnasialprofessors Eugen Gaus (1850 – 1934) zurückgeht, der im Jahre 1901 in Heidenheim den Heimat- und Altertumsverein gründete, und zwar zu dem Zwecke, im Schloss eine Altertümer-Sammlung einzurichten. Gaus war auch als Geologe umtriebig, was sich im Zentralmagazin in zahlreichen Kartons bis heute etwa in jeder Menge versteinerter Schnecken niederschlägt.
50.000 Jahre
Rein zeitlich betrachtet, erzählt, was sich in der Schmelzofenvorstadt angesammelt hat – und sieht man von geologischen Trouvaillen einmal ab – Geschichte über einen Zeitraum von über 50.000 Jahren, beginnend mit Fundstücken aus der unterhalb des Schlosses entdeckten Heidenschmiede, einem Rastplatz der Neandertaler, und bisher endend mit zwei bunten Glasfenstern aus dem „Hennenest“, der früheren Heidenheimer Schlossgaststätte, die im November 2023 der Stadt zu treuen Händen übergeben worden waren. Überdies erzählt das, was sich im Zentralmagazin findet, nicht nur die Geschichte Heidenheims, sondern zum Beispiel auch die Geschichte seines großbürgerlichen Milieus, nicht zuletzt von Mitgliedern der Industriellenfamilien Voith, Hartmann, Meebold oder Zoeppritz, die privat oder in Sachen Geschäft die Welt bereisten und davon nicht nur zu erzählen wussten, sondern auch reichlich Souvenirs mitbrachten.
Wenn hier bislang ohn‘ Unterlass von Altertümern die Rede ist, mag es überraschen, nun davon zu hören, dass es das Zentralmagazin als solches erst seit noch nicht einmal fünf Jahren gibt. Im Jahr 2019 wurde es hier endlich möglich, zirka 80 Prozent des kompletten Sammlungsbestandes einzulagern. Ursprünglich war alles auf Dachböden und in Kellern nicht nur auf dem Schloss, sondern gewissermaßen über ganz Heidenheim verteilt aufbewahrt worden. 2010 war es dann zunächst gelungen, für wenigstens einen größeren Teil des Sammelsuriums ein provisorisches Depot auf dem Schlachthofareal einzurichten. Nach dessen Abriss verbesserte man sich schließlich in die Schmelzofenvorstadt.
Wo und was
500 Quadratmeter groß ist dort die Fläche, auf der sich Geschichte verdichten kann. Dafür stehen 23 Magazinregale mit 138 Regalmetern zur Verfügung, in denen 1200 Kartons Platz finden. Was nicht in Kartons passt, und das ist eine ganze Menge, steht oder liegt, behutsam drapiert in den Gängen oder auf Tischen, zum Teil noch kunterbunt durcheinander, weil längst nicht alles schon katalogisiert ist.
Immerhin aber weiß man in Sachen Sammlung inzwischen, „was man hat“, wie es Gereon Balle, der Leiter des städtischen Geschäftsbereichs für Historische Museen und Archiv, formuliert. Und „wo man es findet“, wie Ulrike Stich, die die Sammlung der Historischen Museen betreut, ergänzt. Denn die, so der Fachterminus, „Verstandortung“ der Objekte war, wobei dieser Prozess noch gar nicht vollständig abgeschlossen ist, zunächst einmal der wichtigste Teil der Arbeit im Zentralmagazin. Dabei hat sich die Möglichkeit zur digitalen Inventarisierung als wahrer Segen erwiesen. 4600 Einträge beinhaltet der Katalog Stand jetzt. „Ich bin aber noch lange nicht damit fertig“, sagt Ulrike Stich.
Basisarbeit
Der nächste Schritt ist es, herauszufinden, was von der Sammlung eine restauratorische Bearbeitung benötigen könnte und dafür zu sorgen, dass es auch zum Restaurator gelangt. Priorität genießen in dieser Hinsicht Dinge, die, wie Gereon Balle sagt, „genutzt werden wollen“, also Dinge, die für Ausstellungen infrage kommen. In den beiden vergangenen Jahren waren im Schlossmuseum bereits zwei durchaus spektakuläre Ausstellungen mit zuvor nie präsentierten Schaustücken aus dem Sammlungsbestand gezeigt worden. Was nicht möglich gewesen wäre ohne die Basisarbeit, die im Zentralmagazin erledigt wird, Arbeit, die zwar weniger spektakulär ist als Sonderausstellungen, die aber, was nicht vergessen werden darf, ja eigentlich die Voraussetzung für solche ist. Man nennt dies Bestandssicherung. Sammeln, bewahren, forschen, ausstellen, so könnte man mit Begriffen um die Arbeit von Ulrike Stich und Gereon Balle kreisen.
Kommen einem dabei auch Dinge unter die Hände, bei denen man beschließt, dass man sie nicht brauchen kann? Wird aussortiert? Dazu Ulrike Stich: „Weggeworfen, wenn das gemeint sein sollte, weggeworfen wird eigentlich nichts. Es sei denn, es wäre wirklich total hinüber und absolut nicht mehr zu retten.“ Gereon Balle ergänzt: „Die Frage, was wir behalten, stellen wir schon, aber anders. Etwa so: Was können wir abgeben, das anderswo besser aufgehoben wäre?“ So wanderte zum Beispiel eine große Käfer-Sammlung nach Stuttgart ins Naturkundemuseum.
Motten und Temperatursprünge
Keinen Altertumswert hat die Mottenfalle unter der Decke des Zentralmagazins. Sie erfüllt einen halbwegs ähnlichen Zweck wie, jetzt, im Winter, der Luftbefeuchter oder der gewissermaßen auf das Gegenteil spezialisierte Kollege des Sommers, der Luftentfeuchter. Alle zusammen helfen sie mit, das Kleinklima im Magazin so zu gestalten, dass dort von falscher Lagerung erst gar nicht die Rede sein kann. Eine Heizung gibt es nicht. Und damit die Temperatur winters möglichst nicht unter 17 Grad sinkt, lässt Ulrike Stich die Bürotüren in Richtung Magazin offen, um es mitzuheizen. „Denn gefährlich sind“, wie sie sagt, „nicht halbwegs gleichförmig mit den Jahreszeiten einhergehende Temperaturschwankungen von fünf, sechs Grad, gefährlich sind Temperatursprünge.“ Alamannische Keramik, Fahrräder, die Heidenheimer Schäferlauf-Kronen . . . Man könnte an dieser Stelle nun weitermachen mit den Dingen, die das Zentralmagazin der Historischen Museen beherbergt. Und man würde so schnell kein Ende finden. So viel Geschichte. Und noch viel mehr Geschichten. Vielleicht erzählen wir demnächst ein paar davon. Sie laufen ja nicht weg. Dem Zentralmagazin sei Dank.
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