Schwierige wirtschaftliche Lage

Worunter Baufirmen im Landkreis Heidenheim derzeit am meisten leiden

Das Bauhauptgewerbe befindet sich in der Krise. Welche Gründe es dafür gibt, und wie die Lage zum Besseren gewendet werden könnte.

Verkehrte Welt. Während allerorten der Mangel an Fachkräften beklagt wird, sieht sich das Bauhauptgewerbe derzeit mit dem entgegengesetzten Problem konfrontiert: Die Auftragslage ist bei vielen Firmen so schlecht, dass sogar Entlassungen drohen. Joachim Krimmer, Präsident der Handwerkskammer Ulm, der Grünen-Landtagsabgeordnete Martin Grath und Ulrike Monz, Chefin der Baufirma UC Monz in Mergelstetten, diskutierten jetzt über Wege aus der Krise.

Die Lage ist Monz zufolge so ernst, dass das Augenmerk momentan nicht Neueinstellungen, sondern dem Bemühen gilt, die Stammbelegschaften zu halten. Bei einigen Mitgliedsbetrieben der Heidenheimer Bauinnung, der sie als Obermeisterin vorsteht, sei angesichts eines Umsatzeinbruchs von bis zu 35 Prozent Kurzarbeit ein Thema.

Beruflicher Nachwuchs könnte in einigen Jahren fehlen

Große Sorgen macht ihr ein Dilemma, auf das sie die Branche zusteuern sieht: „Wenn in zehn Jahren die alten Poliere in den Ruhestand gehen, dann fehlen die Auszubildenden, die wir heute nicht einstellen können.“ Um das Problem nicht durch das bloße Wiederholen längst bekannter Ursachen lediglich zu vertagen und dadurch letzten Endes zu verschärfen, ist es nach übereinstimmender Ansicht der Expertenrunde unerlässlich, möglichst schnell wirksame Maßnahmen umzusetzen. Heißt konkret: Die Rahmenbedingungen so verändern, dass wieder mehr gebaut wird, was Auftragslage und Beschäftigungssicherung gleichermaßen zugutekommt.

Mit seinem Vorschlag, die Grunderwerbssteuer zu senken, um rasch Wirkung zu erzielen, stieß Krimmer bei Grath auf offene Ohren. Der handwerkspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Landtag stellte eine Öffnungsklausel des Bundes in Aussicht, die es ermögliche, die Höhe der Steuer von der jeweiligen Region, der Familiensituation und der Frage abhängig zu machen, ob es sich um einen Ersterwerb handele. Politisch einfacher umsetzbar hält er einen solchen zeitlich begrenzten Schritt allerdings über die Wohnungsbauprämie, deren Erhöhung er für das kommende Jahr ankündigte.

Suche nach Möglichkeiten zur Kostensenkung

Als Kernproblem bezeichnete Monz, „dass uns die Kosten beim Material und infolge der jüngsten Tariferhöhungen beim Personal davonlaufen, während wir gleichzeitig zu wenige Aufträge haben“. Folglich müssten die Kosten an verschiedenen Stellen gesenkt werden. Wichtigster Hebel seien dabei die geltenden Standards.

Grath nahm den Ball auf und gab zu bedenken, dass der Lebensstandard und die persönlichen Ansprüche gestiegen seien. So entfielen heute im Durchschnitt 50 Quadratmeter Wohnfläche auf eine Person, einst seien es 35 gewesen. Müssten bei einem Neubau folglich bis zu 20 Euro pro Quadratmeter Miete verlangt werden, damit sich die Investition rechnet, „haben wir grundsätzlich über den Lebenszyklus nachzudenken, wenn für eine immer bessere Dämmung mehr hineingesteckt wird, als im Lauf der Zeit eingespart werden kann“. Die Standards seien zu überdenken, „ohne die Zukunft zu vergessen“.

Erbbaurecht statt Grundstücksverkauf

Weitere Vorschläge des Grünen-Abgeordneten: Um Spekulationen einen Riegel vorzuschieben, könnten Kommunen Flächen in ihrem Eigentum behalten und für 100 Jahre im Erbbaurecht vergeben. Beim Brandschutz sei es vorstellbar, dass wie in der Schweiz die Versicherer die Bedingungen festlegten, damit nicht staatlich formulierte Normen „oft übers Ziel hinausschießen“. Und die von Menschen geleistete Arbeit von der Mehrwertsteuer zu befreien, verbesserte möglicherweise die Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks gegenüber der Industrie, die viele Maschinen einsetze.

Breiten Raum nahm auch das Thema Bürokratie ein. Sie sei „unausweichlich in so einem effizienten Land wie Deutschland“, räumte Krimmer ein. Allerdings empfinde er viele der damit verbundenen Lasten als unnötig und erwarte deshalb den Mut, „Verzichtbares zu streichen und damit zu zeigen, dass man uns Gewerbetreibende ernst nimmt“.

Unterschiedlicher Blick auf bürokratische Vorgaben

Grath machte anhand eines Beispiels auf unterschiedliche Sichtweisen aufmerksam: Empfänden Bäcker die Bonpflicht eher als Gängelei, „sind die Friseure dafür, um zu belegen, dass der Markt funktioniert“. Grundsätzlich müssten Vorgaben so formuliert sein, dass sie ohne Hilfe von Anwälten und Steuerberatern verstanden werden können.

Monz trieb die prinzipielle Frage um, ob das Bauen neuer Häuser überhaupt noch erwünscht sei. Immerhin handele es sich um ein menschliches Grundbedürfnis, und die Firmen könnten von Sanierungsaufträgen alleine nicht leben. Graths zweigeteilte Antwort: ja, aber …

Möglichst geringer Flächenverbrauch

Bauen und Wohnen müssen nach Ansicht des Politikers wieder attraktiv werden. Dabei sei im Zuge eines schonenden Umgangs mit Ressourcen eine effektive Flächennutzung nötig. Das bedeutet, dass bestimmte Areale auf andere Weise als zuvor in Anspruch genommen werden, indem etwa auf militärische Anlagen oder aufgegebene Industriehallen Wohngebäude folgen. Gemeint ist auch das Schließen von Baulücken, selbst wenn dies wie aktuell beim Kleehof-Gelände in Schnaitheim in Teilen der Bevölkerung zu Widerstand führen mag.

Die Bauform der Zukunft stellt nach Graths Überzeugung eine Mischung aus vorwiegend aus der Region stammendem Holz und Stein dar. Es dränge sich geradezu auf, sich die Erfahrungen des in Mergelstetten ansässigen Zementwerks Schwenk zunutze zu machen, das an einem Pilotprojekt zur weitgehenden Reduzierung des CO₂-Ausstoßes beteiligt sei.

Stadt: Verständnis für Baubranche

Johannes Schenck, im Rathaus zuständig für Wirtschaftsförderung und Tourismus, versicherte, die Stadt sei sich der Rolle des Handwerks und seiner „sinnstiftenden Tätigkeit“ sehr wohl bewusst. Dass die Baubranche nach goldenen Jahren jetzt mit großen Problemen zu kämpfen habe, führte er auf einen Mix aus den Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen, wirtschaftlicher Unsicherheiten und einem starken Anstieg des Zinsniveaus zurück. Er äußerte die Hoffnung, dass sich die Lage für die Branche bald wieder normalisiere. Angesprochen auf immer wieder zu vernehmende Klagen, Baugenehmigungen dauerten zu lange, entgegnete Schenck: „Die Kolleginnen und Kollegen sagen mir, es gehe schnell, wenn sämtliche Unterlagen vorliegen und nichts mehr angefordert werden muss.“

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