Zahl der Strafverfahren in der Region nimmt zu
Eine hohe Arbeitsbelastung, zunehmend kompliziertere Ermittlungsverfahren und immer höhere bürokratische Aufwände: Die Arbeit der Ellwanger Staatsanwaltschaft ist in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden, stellt deren Leiter, Oberstaatsanwalt Andreas Freyberger fest. Die Behörde mit Sitz im benachbarten Ostalbkreis ist auch für die Strafverfolgung und – vollstreckung im Landkreis Heidenheim zuständig. Außerdem gehören der Ostalbkreis sowie die Amtsgerichtsbezirke Crailsheim, Langenburg und Bad Mergentheim zum Bereich der Staatsanwaltschaft Ellwangen, die für rund 594.000 Menschen zuständig ist.
Im ersten Halbjahr 2023 sind bei der Staatsanwaltschaft Ellwangen 18.990 neue Verfahren eingegangen, davon sind in 7461 Verfahren die Täter oder Täterinnen unbekannt. Im Vorjahr waren es insgesamt 38.220 Verfahren, davon 16.062 gegen unbekannt. Zehn Jahre zuvor lag die Gesamtanzahl der Verfahren noch bei 30.057, es ist also ein deutlicher Anstieg zu beobachten. „Jeder Dezernent muss im Durchschnitt sieben Verfahren pro Tag erledigen, damit Eingänge und abgeschlossene Verfahren sich die Waage halten“, erläutert Oberstaatsanwalt Freyberger. „Da muss man schon ranklotzen“, sagt er. Zwar habe die Staatsanwaltschaft von der Stärkung der Justiz profitiert, es gibt also mehr Personal, durch den Anstieg der Fälle sei aber die Belastung nicht niedriger geworden. „Außerdem haben sich die Rechtslagen in den letzten Jahren kompliziert, der Aufwand eines einzelnen Verfahrens kann deutlich höher liegen als früher“, so Freyberger.
Schwierige Ermittlungen im Netz
Was auch dazukommt: Das Internet hat der Staatsanwaltschaft nicht nur neue Möglichkeiten von Straftaten beschert, die Verfolgung im weltweiten Netz ist oft auch deutlich schwieriger als in der realen Welt. Als Beispiel nennt Maximilian Adis, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, den Betrug bei Käufen im Internet, bei dem man den Täter oder die Täterin erstmal finden müsse. „Die Methoden der Betrüger werden auch immer raffinierter“, so Adis. Egal, ob es um Hackerangriffe, Hasskriminalität oder Kinderpornographie geht: Die Staatsanwaltschaft in Baden-Württemberg soll durch ein Cyber-Zentrum in Mannheim auf diesem Gebiet schlagkräftiger werden.
Betrachtet man die Arten der Delikte, mit denen die Staatsanwaltschaft Ellwangen zu tun hat, ergibt sich laut Andreas Freyberger „ein normales Bild“. Straßenverkehrsdelikte, Betrug und Untreue, Diebstahl und vorsätzliche Körperverletzung kommen am häufigsten vor. Ein deutlicher Anstieg ist im Bereich der Verbreitung pornographischer Schriften zu sehen: Die Gesamtzahl des Vorjahres (456 Delikte) ist schon im ersten Halbjahr 2023 mit 506 Delikten übertroffen worden.
Mehr Fälle vor Gericht
Dr. Klaus Schwichtenberg, Erster Staatsanwalt und stellvertretender Pressesprecher, macht den Zuwachs in diesem Bereich der Kriminalität mit weiteren Zahlen deutlich: Während innerhalb des Zeitraums vom 1. Juli 2019 bis zum 30. Juni 2021 bei der Staatsanwaltschaft Ellwangen 750 Fälle eingingen, waren es in den drauffolgenden zwei Jahren (1. Juli 2021 bis 30. Juni 2023) 1221 Fälle und damit rund 62 Prozent mehr. Neben dem Anstieg gibt es aber auch eine Gesetzesänderung, die zum 1. Juli 2021 in Kraft trat. Seither gelten Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte als Verbrechen, werden bei erwachsenen Tätern mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet und müssen öffentlich verhandelt werden. Dies führt zu einer deutlichen Zunahme an Verhandlungen, in denen es um Kinderpornographie geht, wodurch das Thema auch mehr Sichtbarkeit erlangt.
Volksverhetzung in sozialen Medien
Ebenfalls eine stetige Zunahme beobachtet die Staatsanwaltschaft im Bereich der Hasskriminalität: „Die Zahlen haben sich seit 2001 verdoppelt“, sagt Maximilian Adis. Mehr als 80 Prozent der Taten seien politisch dem rechten Spektrum zuzuordnen. Prinzipiell verstehe man unter Hasskriminalität Taten, deren Motivation in der Diskriminierung anderer Menschen liege. In den meisten Fällen handelt es sich um Äußerungen, die in sozialen Medien oder Messenger-Diensten gemacht werden. Adis nannte auch Beispiele solcher Fälle, etwa ein Täter aus dem Raum Heidenheim, der in einem sozialen Netzwerk das Bild eines Überraschungs-Eies als Handgranate gepostet hatte, mit dem Ausländer in die Luft gesprengt werden sollen. Dies zog einen Strafbefehl wegen Volksverhetzung nach sich. Ebenso ging es einem Instagram-Nutzer, der ein Bild von Angela Merkel als Adolf Hitler veröffentlichte, das den Slogan „Impfen macht frei“ trug. Auch hier gab es eine Strafe wegen Volksverhetzung.
In 50 Prozent der Fälle seien Jugendliche die Täterinnen oder Täter, bei denen oft auch „der Reiz des Verbotenen“ eine Rolle spiele. Hier setzt die Staatsanwaltschaft auf Aufklärung, oft in Form eines Kurses beim Heidenheimer Verein G-Recht, den die Jugendlichen dann besuchen müssen. Bei Erwachsenen gelte aber: „Hasskriminalität wird von uns mit aller Härte bestraft“, so Maximilian Adis.
Mord in Giengen: ein herausragender Fall
Eine Straftat in Giengen gehört zu den herausragendsten Fällen, die die Staatsanwaltschaft in letzter Zeit beschäftigte: Es handelt sich um den Mord an einer 87-jährigen Frau, der am 11. März 2022 in der Giengener Südstadt geschah. Der 27-jährige Täter war von der Frau beim Diebstahl in ihrer Wohnung überrascht worden, woraufhin er sie brutal erschlug. Zwei Monate dauerte das Ermittlungsfahren der Staatsanwaltschaft, am 19.Mai 2022 wurde Anklage werden Mordes erhoben. Der Täter, der im selben Haus wie die Senioren lebte, wurde am 27. Oktober zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Obwohl Revision eingelegt wurde, ist das Urteil mittlerweile rechtskräftig.