Leserbrief

Zerstörung wurde gründlich nachgeholt

Leserbrief zu Plänen, das Nachbargebäude des Elmar-Doch-Hauses in Heidenheim abzureißen:

Zerstörung wurde gründlich nachgeholt

Kürzlich hielt ich mich anlässlich eines Klassentreffens wieder einmal in Heidenheim auf. Ein Rundgang durch die Hauptstraße und die Hintere Gasse gehörte dazu. Dabei erfuhr ich, dass die Stadt neben der Sanierung des neuen Rathauses auch eine Umgestaltung und Aufwertung der Hauptstraße rund um das alte Rathaus plant. Ich erfuhr auch, dass die “Bettlade” abgerissen und stattdessen ein multifunktionaler Platz angelegt werden soll.

In Heidenheim bin ich geboren und aufgewachsen, und der Stadt fühle ich mich immer noch verbunden. Ich habe miterlebt, wie in den Sechziger- und Siebzigerjahren die schönsten alten Häuser abgerissen und durch gesichtslose, wenn nicht hässliche Neubauten ersetzt wurden. Heidenheim hatte das Glück, den Zweiten Weltkrieg ohne Zerstörung zu überstehen. Die wurde gründlich nachgeholt. Abgerissen wurden, um nur ein paar Beispiele zu nennen, das Scharfe Eck am Eugen-Jaekle-Platz, viele hundert Jahre alt, die frühere Schiller-Apotheke, ein sehr gediegenes Art-Deco-Gebäude, das Reiber´sche Haus am Eingang der Hauptstraße mit dem wunderbarsten Kurzwarenladen, den ich je sah. Seitdem ist Heidenheim wirklich nicht mehr mit vielen zusammenhängenden historischen Gebäuden gesegnet.

Und jetzt soll die Hauptstraße dadurch aufgewertet werden, dass die “Bettlade” abrissen wird, in der sich 1848 die Heidenheimer Freiheitskämpfer versammelten? Sie wollen, Herr Oberbürgermeister, ein fast zweihundertjähriges Fachwerkhaus, das jeder Heidenheimer kennt, gegen einen Platz eintauschen, auf dem auch mal Beach-Volleyball-Spiele stattfinden können?

Die Hauptstraße hat, seit man sie zur Fußgängerzone umwandelte und viele der alten Fassaden renoviert wurden, sehr gewonnen. Wie beliebt sie ist, lässt sich vor allem samstags beobachten. Zusätzlich in der Innenstadt einen attraktiven Platz für Begegnungen und Gastronomie zu bereiten, scheint mir dennoch eine gute Idee zu sein. Dem Platz, der am neuen Rathaus angelegt werden soll, trauen Sie diese Funktion nicht zu? Ich auch nicht. Es fehlt dort an der alten Bausubstanz, die erst ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit vermittelt. Für Events der unterschiedlichsten Art ließe sich hier aber sicherlich Raum schaffen.

Und für Begegnungen und Gastronomie? Welch ein Glück: Heidenheim hat schon einen Platz, der diese Voraussetzung erfüllen kann. Hinter dem Elmar-Doch-Haus und der Bettlade in der Hinteren Gasse befindet sich ein Freiraum, genauer, zwei ineinander übergehende Plätze, die sicher noch saniert und verschönert werden können. Sie dürften dann alle Ansprüche an einen attraktiven Raum für Gartengastronomie und kleinere Veranstaltungen erfüllen. Wenn ich es richtig sehe, hat der stadtarchitektonische Entwurf, der im Wettbewerb den ersten Preis gewann, auch genau dies vorgesehen.

Warum soll stattdessen die “Bettlade” beseitigt werden? Zumal das gewiss nicht geschehen könnte, ohne auch dem unmittelbar angrenzenden, bildschönen Rager´schen Haus erheblichen Schaden zuzufügen? Wollen sich der Oberbürgermeister und die Stadträte in eine Reihe mit denjenigen stellen, die nach dem Krieg historische Bauten zerstörten? Werden die alten Gebäude in der Hauptstraße wirklich aufgewertet, indem eines oder auch zwei davon abgerissen werden?
Bettina David-Meißner, München