Der Bildungs- und Sozialausschuss des Kreistags Heidenheim hat in seiner Sitzung zwei sozialpolitische Themen diskutiert: Die Fortschreibung der Teilhabeplanung für Menschen mit Behinderungen samt Bericht der Behindertenbeauftragten Stefanie Mäckle und das Projekt „verlängerte Werkbank“ zur Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen und Behinderten. Besonders die Notwendigkeit externer Beratung und die Abhängigkeit von einem einzelnen Arbeitgeber wurden kritisch hinterfragt.
Die Verwaltung plant, die seit 2016 bestehende Teilhabeplanung zu überarbeiten, um sie an neue gesetzliche Vorgaben und die gestiegene Zahl von Menschen mit Behinderung im Landkreis anzupassen. Die Zahl der Empfänger von Eingliederungshilfe ist stark gestiegen – von 651 Personen im Jahr 2006 auf 1.021 im Jahr 2023. Fachbereichsleiter Michael Rettenberger betonte die Bedeutung des Vorhabens: „Es geht darum, zu analysieren, wo wir stehen und wie wir die Angebote weiterentwickeln. Dabei sollen auch bisherige Handlungsempfehlungen überprüft werden.“ Angesichts steigender Zahlen von Leistungsempfängern und der Veränderungen durch das Bundesteilhabegesetz soll ein externer Dienstleister die Analyse begleiten. Kosten: 60.000 Euro.
Teilhabeplanung: Externe Beratung sorgt für Diskussionen
Die Notwendigkeit einer externen Beratung stieß vor allem in der CDU/FDP-Fraktion auf Skepsis. Rainer Domberg hielt das Fachwissen im Landratsamt für ausreichend und fragte: „Weshalb brauchen wir eine externe Analyse? Sie sprechen davon, Politik und Öffentlichkeit zu informieren, aber müsste die Planung nicht in erster Linie den Betroffenen selbst dienen?“ Zudem kritisierte er den späten Zeitpunkt der Fortschreibung: „Das Bundesteilhabegesetz gibt es seit 2017 – warum kommt das erst jetzt?“
Rettenberger entgegnete, dass die schrittweise Umsetzung des Gesetzes zunächst Klarheit über neue Strukturen erfordert habe: „Wir wollten nicht mitten im Umstellungsprozess beginnen, sondern warten, bis sich die neuen Regelungen eingespielt haben.“ Schließlich habe das Gesetz einen kompletten Paradigmenwechsel gebracht: Der Behindertenbegriff sei verändert, die Gruppe der Leistungsberechtigten erweitert. Landrat Polta versicherte, dass der Landkreis die Kostenentwicklung im Auge behalten wolle. Trotz der Bedenken wurde die Fortschreibung der Teilhabeplanung samt externer Beratung einstimmig beschlossen.
Immer mehr seelische Behinderungen
Stefanie Mäckle, die seit September 2023 als Behindertenbeauftragte im Landkreis tätig ist, präsentierte aktuelle Zahlen. „Sieben Prozent der Bevölkerung im Landkreis haben eine wesentliche Behinderung.“ Das sind knapp 10.000 Menschen. Mit zunehmendem Alter steige dieser Anteil in der Bevölkerung an. Denn in nur vier Prozent der Fälle sei die Behinderung angeboren, meistens sei die Behinderung eine Folge von Krankheiten. Besonders auffällig sei der Anstieg seelischer Behinderungen.
Es ist kein Widerspruch, schön und barrierefrei zu bauen – es wird nur oft nicht frühzeitig mit eingeplant.
Stefanie Mäckle, Behindertenbeauftragte
Ein zentrales Thema sei die Barrierefreiheit. Mäckle sagte: „Für zehn Prozent der Menschen ist sie unentbehrlich, für 40 Prozent notwendig – und für 100 Prozent komfortabel.“ Dennoch werde sie beim Neubau oft nicht konsequent mitgedacht. Auf Nachfrage von Heinz Wührl-Bofinger (Kreisseniorenrat), ob Barrierefreiheit als gestalterisch problematisch empfunden werde, stellte Mäckle klar: „Es ist kein Widerspruch, schön und barrierefrei zu bauen – es wird nur oft nicht frühzeitig mit eingeplant.“ Dass barrierefreies Bauen oftmals nicht teurer sei, dem widersprach CDU/FDP-Fraktionschef Bernhard Ilg: „Warum werden die meisten Wohnungen nicht barrierefrei gebaut? Weil eine breitere Türe teurer ist.“
Mäckle berichtete von ihrer bisherigen Arbeit: Sie habe 26 Stellungnahmen zu Bauprojekten abgegeben und über 200 Beratungen geführt. Unter anderem sei sie auch von der Stadt Heidenheim zur Umgestaltung des Rathausplatzes eingebunden worden. Lob kam aus dem Ausschuss, insbesondere für ihre pragmatische und kompromissorientierte Herangehensweise.
Projekt „verlängerte Werkbank“ in Niederstotzingen: Chance auf reguläre Arbeit
Wie Behinderte auf dem ersten Arbeitsmarkt Platz finden können, zeigt die „verlängerte Werkbank“ des Kreisverbands der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Seit 2009 beschäftigt die Awo Langzeitarbeitslose, die im Werk der Firma Gardena in der Industriemontage arbeiten und dadurch langfristige Beschäftigungsperspektiven erhalten. Mithilfe einer finanziellen Unterstützung durch den Landkreis werden seit 2023 vier zusätzliche Plätze für Menschen mit Behinderungen gefördert, seit diesem Jahr mit 340 Euro pro Platz und Monat, zuvor mit 300 Euro.
Es geht darum, diesen Menschen einen geregelten Arbeitstag und unbefristete Arbeitsverträge zu bieten.
Sonja Clausnitzer, Awo
2024 wurde dieser Höchstbetrag nicht ausgeschöpft: Drei Behinderte waren es 2024, die über die Awo bei Gardena einen Arbeitsplatz gefunden haben, berichtete Sozialdezernent Matthias Schauz: „Wir als Landkreis sind der Überzeugung, dass es ein gutes zusätzliches Angebot für Menschen mit Behinderung ist. Wenn es gelingt, eine Person aus der Werkstatt in den ersten Arbeitsmarkt zu bekommen, ist das finanziell auch nicht zum Nachteil.“

Wie das bei Gardena genau abläuft, darüber informierte Sonja Clausnitzer von der Awo. „Es geht darum, diesen Menschen einen geregelten Arbeitstag und unbefristete Arbeitsverträge zu bieten.“ Trotz Anstellung bei der Awo seien die Mitarbeiter Teil des Produktionsprozesses. „Es gibt zum Beispiel eine Astschere, die wird von A bis Z von der Awo produziert.“ Bezahlt würden die Arbeitnehmer nach dem Awo-Tarif, das Einstiegsgehalt von 2325 Euro steige mit der Zugehörigkeit.
Verlängerte Werkbank auch bei anderen Firmen?
Die CDU/FDP-Fraktion äußerte Bedenken zur Abhängigkeit des Projekts von Gardena als einzigem Arbeitgeber. „Wenn Gardena nicht mehr mitmacht, ist das Angebot im Landkreis schnell am Ende“, warnte Rainer Domberg. Clausnitzer bestätigte: „Wir würden uns mehr Arbeitgeber wünschen, aber viele haben Hemmungen.“ Wolfgang Lutz von der Awo-Geschäftsführung ergänzte: „Die Mittel sind endlich. Wir sind froh, dass wir Arbeitsplätze halten können.“ Alle Teilnehmer hätten sozialversicherungspflichtige Verträge. „Das ist für viele ein großer Schritt in Richtung eigenständiges Arbeiten.“
Die SPD-Fraktion forderte eine stärkere Vermittlung der Beschäftigten in reguläre Unternehmen. „Das Ziel muss sein, dass diese Menschen mittelfristig auch bei anderen Arbeitgebern Fuß fassen“, betonte Erwin Krajewski.
Markt der Möglichkeiten
Am Samstag, 22. März, findet von 10 bis 15 Uhr der Markt der Möglichkeiten in den Räumlichkeiten der Jugendberufsagentur (Friedrichstraße 2) in Heidenheim statt. Es ist die dritte Auflage der Messe für inklusive Chancen im Arbeitsleben.
Der Markt der Möglichkeiten richtet sich speziell an Menschen mit Behinderung sowie Arbeitgeber des ersten Arbeitsmarktes, um diese zusammenzubringen. Hierzu präsentieren sich Unternehmen und Institutionen wie die Paul Hartmann AG oder das Landratsamt Heidenheim. Darüber hinaus geben Werkstätten und Bildungsträger einen Überblick über Unterstützungsmöglichkeiten. Es finden Gesprächsrunden zu den Themen „Übergang Schule-Beruf“ und „Wiedereinstieg in den Beruf, Arbeit inklusiv“ statt. Die beiden Gespräche werden durch Gebärdensprachdolmetscherinnen übersetzt.
Für Verpflegung ist durch das Café 8 gesorgt. Außerdem erhalten alle gratis Popcorn und im Rahmen einer Preisverleihung die Chance auf einen Hauptpreis vom 1. FC Heidenheim. Neben dem Landratsamt Heidenheim gehören die Agentur für Arbeit, die Marie Juchacz Werkstatt, der Integrationsfachdienst Ulm-Alb-Donau-Heidenheim, die Samariterstiftung, die Eva Heidenheim und die ergänzende, unabhängige Teilhabeberatung (Eubt) Heidenheim zu den Organisatoren der Messe.
Weitere Informationen bei der Behindertenbeauftragten Stefanie Mäckle unter Telefon 07321 321-2464 oder unter www.landkreis-heidenheim.de/behindertenbeauftragte.