Zwischen Himmel und Bammel: mit Höhenangst im Heißluftballon
Vielleicht ist es einfach noch etwas zu früh für Aufregung. Immerhin ist es gerade einmal 5 Uhr morgens, als sich die Ballon-Piloten und -Passagiere an diesem Samstagmorgen im Heidenheimer Brenzpark treffen: Die Freundschaftsfahrt des Heidenheimer Ballonsportclubs steht an. Zehn Heißluftballons werden sich in der nächsten Stunde in den Himmel über Heidenheim erheben.
Wer unter Höhenangst leidet, kommt selten auf die Idee, sich mit vier anderen Personen in einen zwei Quadratmeter kleinen Korb zu quetschen und sich dann die Welt aus einer Höhe von 1400 Metern anzusehen. Oder aber, man kommt gerade deshalb auf die Idee und nimmt es als Herausforderung und Abenteuer an. Jedenfalls: Die Aufregung hält sich vor Ort noch immer in Grenzen.
Das könnte vielleicht auch an dem geschäftigen Treiben auf dem Rasen liegen: Mit Hilfe der Passagiere beginnen die Piloten, ihre Ballons aufzubauen. Kaum zu glauben, dass dieses am Ende riesengroße Fluggerät in einen kleinen Anhänger passt, der Ballon selbst, ohne Korb, in einen mittelgroßen Sack. Besser doch nicht so genau darüber nachdenken? Nach und nach werden die Ballons mit Luft gefüllt, die Brenner kommen zum Einsatz und es wird laut. Und heiß. Wer mit einem Heißluftballon fährt, muss keine Angst haben zu frieren – zumindest nicht am Kopf.
3000 Fahrten und noch immer nicht genug
Im Handumdrehen steht der Korb, über ihm erhebt sich die riesige Ballonhülle. Einmal etwas ungelenk hineingeklettert wird es dann eng. „Jetzt geht’s los“, sagt der Pilot mit seinem sympathischen allgäuer Dialekt. Er freut sich immer wieder aufs Neue auf die Fahrt. Auch nach mehr als 3000 Stück.
Als sich der Ballon langsam hebt, das Gehirn diesen Umstand wenige Sekunden später realisiert und sich der Boden schneller entfernt als erwartet, war‘s das plötzlich mit der inneren Ruhe. Ein flaues Gefühl macht sich in der Magengrube breit, die Hände beginnen zu schwitzen.
Unweigerlich signalisiert der Körper, dass das hier absolut keine gute Idee ist: ein kleiner Korb, eine dünne Ballonhülle, ein paar Gasflaschen an Bord und etliche hundert Meter zwischen den Füßen und dem Erdboden. Der Puls wird schneller und das Herz klopft heftig in der Brust. Der Versuch, sich zu beruhigen, scheitert.
Es ist nicht das übliche und bekannte Schwindelgefühl bei Höhenangst. Es fühlt sich anders an. Vielleicht ist es der Kontrollverlust? Das Gefühl, das keine und keiner an Bord eine Kontrolle darüber hat, wohin der Ballon fährt. Nur der Wind.
Natürlich ist das Quatsch. Die Piloten wissen ganz genau, wie sie den Ballon kontrollieren können. Was der Verstand begreift, kommt im Körper aber nur langsam an: Es geht zu schnell nach oben. Der Blick geht zu einem Ballon, der einige Minuten vorher gestartet war. So weit hoch geht es noch? Die Hand greift nach dem Rand des Korbes. Hauptsache, irgendwo festhalten.
Der Pilot erklärt: Je weiter es nach oben geht, desto schneller wird der Wind und auch der Ballon. Die anderen Passagiere im Korb sind deutlich entspannter, zeigen aufs Schloss Hellenstein, auf Schnaitheim, auf die Windräder bei Ochsenberg. In der Ferne sind die beiden Kühltürme des stillgelegten Kernkraftwerks Gundremmingen zu erkennen. Man plaudert über dieses, über jenes. Und langsam entspannt sich auch der Körper wieder. Die Aufregung legt sich, das Gehirn beginnt die vielen Eindrücke und Aussichten aufzunehmen – und zu genießen. Der Fokus liegt nicht mehr auf dem, was im Körper passiert, sondern auf dem, was es da unten alles zu sehen gibt. Das Post-Fahrzeug zum Beispiel, das früh morgens schon durch Nattheim fährt. Ein Reh, das vom Feld Richtung Waldrand rennt. Der Härtsfeldsee, der von hier oben aus und in diesem Licht seltsam ungesund aussieht.
Eine ziemlich ruppige Landung bei Nördlingen
„50 Minuten sind wir jetzt schon in der Luft“, sagt der Pilot irgendwann. Schon? Die Fahrt geht leise weiter Richtung Nördlinger Ries. Die Stille dort oben ist überraschend und beeindruckend zugleich. Der Brenner kommt nun nicht mehr oft zum Einsatz. Der Ballon sinkt langsam, in einigen Minuten steht die Landung an. Festhalten solle man sich dann und am bestens etwas in die Hocke gehen.
Die dunklen Baumwipfel kommen nun immer näher, am Rande des Waldes zeichnet sich eine Ortschaft ab. Welche das ist? Keine Ahnung. Irgendwo im Ries. Dazwischen: Wiesen, Felder und ein abgeernteter Acker. Und der wird am Ende auch der Landeplatz werden.
Der Ballon sinkt weiter, näher am Erdboden nimmt der Körper die Geschwindigkeit wieder richtig wahr und selbst der Laie ahnt bereits: Das könnte ruckelig werden. Jetzt! Ab in die Hocke. Festhalten.
Es rumpelt, der Korb setzt auf, landet auf der Kante, auf der es einige Meter ruckelnd über den harten Ackerboden geht. Der Korb kommt zum stehen – und er kippt fast wie in Zeitlupe nach vorne. Die Landung auf den Knien ist hart und aus dem Korb geht es für alle Passagiere nur auf allen Vieren.
Die kleine Tochter des Piloten lacht. Alles ok, nichts passiert. Nur die Knie tun weh und werden, wie sich später herausstellen soll, noch ein paar Tage in Blau und Lila schimmern.
Während nun Korb und Ballonhülle wieder aufgeräumt und verstaut werden, macht sich Stolz breit: Trotz Höhenangst und mulmigem Gefühl hat sich die Fahrt mit dem Heißluftballon gelohnt. Die Aussicht über die eigene Heimat aus dieser Höhe ist wirklich unbezahlbar.
Fester Boden unter den Füßen ist es aber auch.
Kontakt zum Ballonsportclub Hellenstein ist über die Website des Vereins unter www.bsc-hellenstein.de möglich.