Medikamente und Betäubungsmittel verkauft

23-jähriger Drogenhändler aus Hohenmemmingen verurteilt: Warum ihm das Gefängnis erspart bleibt

Allein die schiere Menge an Drogen hätte ihm eigentlich eine mehrjährige Gefängnisstrafe einbringen müssen, ein 23-Jähriger wurde nun unter anderem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aber nur zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Warum ihn sein Verhalten nach den Taten in Herbrechtingen gerettet hat:

Tausende Tabletten verschreibungspflichtiger Medikamente, erhebliche Mengen Betäubungsmittel, vor allem Ecstasy und Amphetamine: Was ein damals 21-Jähriger bei sich im Jahr 2022 lagerte und teilweise in die ganze Bundesrepublik weiter verschickte, hat in seinem Maßstab sehr wenig mit einem Bagatelldelikt zu tun. Im Gegenteil. Auch Richter Rainer Feil machte das bei der Verhandlung gegen den mittlerweile 23-jährigen Hohenmemminger am Heidenheimer Amtsgericht deutlich: „Wenn man nur die Taten allein betrachten würde, dann würde diese Verhandlung am Landgericht stattfinden und Sie müssten vier bis fünf Jahre ins Gefängnis.“ Doch verhandelt wurde am Amtsgericht und dem Angeklagten wird eine Haftstrafe erspart bleiben. Am Ende wurde er lediglich zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt.

Was war passiert?

Über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg lagerte der vollumfänglich geständige Angeklagte im Jahr 2022 Betäubungsmittel und verschreibungspflichtige Medikamente sowohl in seiner Wohnung, die sich in einem Herbrechtinger Wohnheim befand, als auch auf dem Dachboden des Gebäudes. Nachweislich verschickte er etliche Pakete nach ganz Deutschland und kooperierte beim Drogenhandel mutmaßlich mit einem Bekannten, dessen Prozess erst noch stattfinden wird. Unter den Betäubungsmitteln, die der junge Mann bestellte, um sie weiterzuverkaufen, befanden sich erhebliche Mengen Kokain, Amphetamine und Ecstasy-Tabletten. Einen Großteil des Handels machten zudem Tausende Tabletten verschreibungspflichtiger und teils hochgradig süchtig machender Medikamente aus.

Wie war er da hineingeraten?

Wie oft in solchen Fällen stand auch bei dem 23-Jährigen am Anfang die eigene Sucht. Eigenen Angaben zufolge hatte er seit seiner Kindheit psychische Probleme, kämpfte jüngst mit Schlafstörungen und Angstzuständen. Um diese Symptome zu bekämpfen, griff er immer häufiger und immer regelmäßiger zu Cannabis. „Die psychische Abhängigkeit hat mich nicht mehr losgelassen. Und mit dem Bedarf an Cannabis stieg der Bedarf an Geld“, beschrieb der Angeklagte vor Gericht.

Über Schulfreunde geriet er an seinen späteren mutmaßlichen Komplizen, der bereits Erfahrungen mit der Beschaffung von Betäubungsmitteln gehabt haben soll. „Ich hatte gehofft, so an Geld zu kommen.“ Funktioniert hat das offenbar nicht wirklich, nicht zuletzt, nachdem er eine große Bestellung Kokain zwar bezahlt hatte, die Lieferung aus Hamburg aber ausblieb. Um eigene Kunden dennoch bedienen zu können, bestellte er nochmal und machte Schulden bei Freunden.

So sei er dann letztendlich auch an den Verkauf verschreibungspflichtiger Medikamente gekommen. Die Lieferungen habe er von einem anonymen Händler, der sich im Netz „AJ the Pharmacist“ nannte, bekommen. Hauptsächlich sei es zunächst nur darum gegangen, die Päckchen entgegenzunehmen, umzufrankieren und weiterzuverschicken. Später dann sollte er die Pakete öffnen und je nach Bestellung aufteilen und weiter verschicken.

Wie flog er auf?

Im Herbst 2022 kam es dann, wie es irgendwann kommen musste: Als der Hausmeister des Wohnheims, in dem der Angeklagte wohnte, auf dem Dachboden zu tun hatte, entdeckte er die großen Mengen an verschreibungspflichtigen Medikamenten – teilweise frankiert mit dem Namen des jungen Mannes. Die Polizei rückte an. Versuchte der Angeklagte im ersten Moment noch, sein Smartphone verschwinden zu lassen, übergab er es am Ende freiwillig den Beamten. Nur über die Chatverläufe darauf bekam die Polizei überhaupt Wind von den Geschäften mit Kokain und Amphetaminen, die neben dem Versand der Medikamente offenbar noch liefen.

Warum muss er nicht ins Gefängnis?

Während in anderen, ähnlich gelagerten Fällen und gemessen an den schieren Mengen an gefährlichen Betäubungsmitteln und Medikamenten, Angeklagte mehrere Jahre ins Gefängnis wandern würden, kam der 23-jährige Hohenmemminger mit einer Bewährungsstrafe davon. „Sie sind die strafmildernden Umstände in Person“, erklärte Richter Rainer Feil in seiner Urteilsbegründung. „Sie haben regen und ungehemmten Handel mit Betäubungsmitteln betrieben. Aber nicht, um reich zu werden, sondern um Ihre eigene Sucht zu finanzieren.“ Geständig und komplett kooperativ habe sich der Angeklagte nach den Taten gezeigt – etwas, das auch der ermittelnde Polizeibeamte während seiner Aussage nochmals bestätigen konnte. Obwohl ein Freund sein Smartphone bereits hatte verschwinden lassen, besann sich der junge Mann, übergab es der Polizei und lieferte so die Beweise für den Drogenverkauf, der andernfalls wohl nie aufgeflogen wäre.

Sie sind die strafmildernden Umstände in Person.

Richter Rainer Feil

Zudem, betonte Richter Feil, habe der Angeklagte weitere mögliche Täter benannt, habe keinerlei Vorstrafen und habe sich bereits nach Entdeckung der Taten in stationäre psychiatrische Behandlung begeben – eine Behandlung, die er auch künftig ambulant fortführen wolle. „Auch Ihre Cannabis-Sucht entstand nicht aus einer Partylaune heraus, sondern aufgrund psychischer Probleme“, war Richter Feil überzeugt. „Man kann nicht mehr strafmildernde Kriterien erfüllen als Sie und deshalb haben wir dieses Urteil auch mit einem guten Gewissen gefällt.“ Damit folgte das Gericht nicht nur der Forderung der Verteidigung, sondern auch der des Staatsanwalts, der ebenfalls etliche strafmildernde Umstände erkannt hatte. Auch er hatte eine Bewährungsstrafe gefordert.

Aufgrund seiner Vorstrafe kann der Angeklagte seinen angestrebten Beruf als Erzieher nicht mehr ausüben. Er arbeitet momentan im Einzelhandel und hofft, seinen Weg zurück in ein geregeltes Leben weiter fortsetzen zu können.

Über Social Media in den Drogenhandel

Die Menge an Betäubungsmitteln und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, um die es bei dem Prozess am Dienstag ging, ist beträchtlich. Erstaunlich war aber auch die Art und Weise, wie der Angeklagte offenbar an den Hintermann geraten war: Nachdem sich seine Freundin von ihm getrennt habe, habe er auf Instagram emotionale Posts veröffentlicht. Daraufhin sei er von besagtem „AJ the Pharmacist“ kontaktiert worden. „Ich dachte zunächst, er wolle mir helfen“, so der Angeklagte.

Auch der Polizeibeamte, der in dem Prozess als Zeuge aussagte, bestätigte, dass es auf Instagram mehrere Accounts gebe, über die illegal Medikamente verkauft würden: „Verschreibungspflichtige Medikamente gelten mittlerweile als ‚sauberer Drogenkonsum‘, der zudem deutlich milder bestraft wird als der klassische Konsum von Betäubungsmitteln.“

Die Polizei habe nachverfolgen können, dass es einen Instagram-Account eines „AJ the Pharmacist“ gab, über den man Drogen bestellen konnte. Das Profil sei mittlerweile gelöscht worden. Wer hinter dem Pseudonym steckt, konnte bislang nicht ermittelt werden.

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