30 und 40 km/h: wo neue Tempolimits in Bolheim und Bissingen gelten sollen
Der Blick auf den Tacho zeigt: Schneckentempo. So geht es seit Beginn dieser Woche zahlreichen Autofahrern, die aufgrund der B19-Sanierung die Umleitung über Bolheim nehmen müssen. Wenn es nach der Herbrechtinger Stadtverwaltung geht, soll es in Bolheim künftig generell etwas langsamer zugehen – wenn auch nicht im Schneckentempo und zudem aus einem ganz anderen Grund. Der stetig zunehmende Pkw- und Schwerlastverkehr und der damit verbundene Lärm in den Ortsdurchfahrten hat die Stadtverwaltung dazu bewegt, an drei Stellen in den Teilorten eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit anzuregen.
Konkret geht es um folgende Straßen: In Bolheim soll in der Albstraße ab der Einmündung Rottsteige bis vor das Gebäude Heidenheimer Straße 73 künftig 30 km/h gelten. Ebenfalls in Bolheim schlägt die Verwaltung ab der Zoeppritzstraße bis zur Hebrechtinger Straße 91 eine Reduzierung auf 30 km/h in den Nachtstunden zwischen 22 und 6 Uhr vor. Im Teilort Bissingen ist geplant, die Höchstgeschwindigkeit ganztägig auf 40 km/h zu reduzieren.
„Der Wunsch nach weniger Lärm und mehr Lebensqualität kam nicht nur mir gegenüber zum Ausdruck“, erklärte Herbrechtingens Bürgermeister Daniel Vogt in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats mit Blick auf die Bürgerbefragung im Herbst 2021. Die Themen Verkehr und ÖPNV seien insbesondere bei Bürgern der Teilorte von großer Wichtigkeit.
Zuspruch fanden die Beschlussvorschläge unter anderem von Stadträtin Annette Rabausch (FWV): „Wir müssen mit der Zeit mitgehen. Ich bin sonst eher ein zügiger Autofahrer, aber an Tempo 30 kann man sich gewöhnen. Mich nervt das zwar manchmal auch, aber hier können wir ein Zeichen setzen.“ Ihr Fraktionskollege Hermann Mader hielt den Vorschlag für ein „gutes, ausgewogenes Konzept“, das zudem auf einem Gutachten basiere.
Gutachten untersucht Straßenlärm in Herbrechtingen
Mit jenem Gutachten wurde die Verkehrslärmsituation an den Hauptverkehrsstraßen der Gesamtgemeinde ausgewertet. Wenig überraschend hat das Gutachten ergeben, dass es in Bolheim zwar mehr Verkehr gibt, in Bissingen jedoch mehr Menschen von Straßenlärm betroffen sind, da schlichtweg mehr Bürgerinnen und Bürger an der Straße wohnen.
Nicht ganz überzeugt zeigte sich Stadtrat Michael Wiedenmann (FWV) von dem Gutachten, dessen Werte er in Anbetracht der Zeit, die seither ins Land gegangen ist, als nicht mehr aktuell bezeichnete. „Bringen würde eine Geschwindigkeitsreduzierung nichts. Höchstens ein gutes Gefühl.“ Ähnlich kritisch äußerte sich Robert Smejkal (CDU): „Ich finde das im Zeitalter der E-Mobilität nicht zeitgemäß.“ Gerade die zunehmende Zahl an E-Autos würde die Lärmbelastung reduzieren. Und lärmen würden auch landwirtschaftliche Fahrzeuge, wenn sie mit 30 beziehungsweise 40 km/h fuhren. Gleichzeitig versicherte Smejkal: „Bei meiner Argumentation geht es mir um Lärm, nicht um Sicherheit.“
Dem Autoverkehr wird der rote Teppich ausgerollt.
Simon Zimmermann, Herbrechtinger Stadtrat
Untrennbar sind diese beiden Aspekte für Annette Rabausch. Natürlich gehe es bei der Angelegenheit offiziell um Gesundheitsgefährdung, die durch Verkehrslärm verursacht werde. Mehr Sicherheit würde ein verringertes Tempolimit dennoch immer mit sich ziehen. Simon Zimmermann von der FWV-Fraktion erklärte, dass gerade an der Zoeppritzstraße viele Schülerinnen und Schüler aus Zeitgründen die Straße abseits der offiziellen Überquerung überschreiten würden. „Dem Autoverkehr wird der rote Teppich ausgerollt. Fußgänger müssen dagegen warten.“
Nach einer emotionalen Diskussion wurden schließlich sämtliche Beschlussvorschläge vom Gemeinderat verabschiedet, wenn auch jeweils mit diversen Gegenstimmen und Enthaltungen. Laut Daniel Vogt ist das Unterfangen Geschwindigkeitsreduzierung damit zwar auf den Weg geschickt worden, wann es für die Bürger jedoch spürbar umgesetzt werde, sei noch unklar. Der Ball liege nun beim Landratsamt Heidenheim, welches die Angelegenheit prüft – durchaus auch mit kritischem Blick. Denn grundsätzlich gilt innerorts in Deutschland eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. „Alles, was davon abweicht, muss begründet werden“, so Vogt.