Leserbrief

Bolheimer als Hinterwäldler hingestellt

Leserbrief zu einem geplanten Bauvorhaben im Bereich Zoeppritzstraße/Grabenstraße in Bolheim und zum Beitrag „Zurück zum Start“ (Ausgabe vom 29. Juni):

Als Bürgerin von Bolheim unterstütze ich die kritischen Einwände zur geplanten Bebauungsplanänderung. Ich möchte betonen, dass die innerstädtische Verdichtung einer Ausweisung von neuen Baugebieten auf wertvollem Ackerboden immer vorzuziehen ist. Am 27. Juni habe ich als Zuhörerin die Gemeinderatssitzung in Herbrechtingen verfolgt, in deren Verlauf auch die Bebauung in Bolheim auf der Tagesordnung stand und die Firma Hebel erfreulicherweise eine zweite Variante mit deutlich ansprechenderer Ansicht vorgestellt hat. Die Bemühungen von Bürgermeister Vogt um einen Dialog und einen Konsens mit den betroffenen Bürgern war offensichtlich auch der Firma Hebel wichtig, sodass deren Anregungen in die leicht veränderte zweite Variante eingeflossen sind und ein echter Kompromiss entstanden ist.

Umso befremdlicher war dann die weitere Entwicklung der Sitzung, die im Zeitungsartikel sehr einseitig wiedergegeben wird. In abfälliger, beleidigender Weise wurden von einzelnen Stadträten und Stadträtinnen die zum Teil anwesenden Bolheimer als hinterwäldlerische, egoistische und nicht ernstzunehmende Randgruppe hingestellt. Dieser von Bürgermeister Vogt als Sitzungsleiter nicht unterbundene respektlose Umgangston führte zu einer Debatte unter den Räten über die Tatsache, dass im Hinblick auf andere Bauprojekte Bürgereinwände im Keim zu ersticken sind und Bürgerbeteiligung unerwünscht ist. Zitat Stadtrat Strauß: „Wenn wir denen jetzt nachgeben, haben wir sie wegen der Badstraße in Herbrechtingen auch auf der Matte stehen.“

Es ging nicht mehr um das eigentliche Bauprojekt und die Sorge von Bürgern um das Ortsbild, sondern um eine fadenscheinige Planerfüllung des Stadtentwicklungskonzepts und eine ausreichende Rendite für die Firma Hebel. Seit wann muss sich ein Gemeinderat um die Finanzen eines Bauträgers sorgen? Kritische Bürger wurden als zu bekämpfende Gegner behandelt und letztendlich in überheblicher Machtausübung der meisten Räte ignoriert und übergangen. Hier hätte ich mir von Seiten der Presse einen deutlich kritischeren Blick auf die Abläufe und Konsequenzen aus dieser Sitzung und eine sensiblere Wiedergabe gewünscht.

Auf Antrag führte Stadtrat Strauß eine Abstimmung herbei, bei der eilends und in aufgeheizter Stimmung über Variante 1 abgestimmt wurde. Hier stellte sich heraus, dass diese nicht allen Stadträten geläufig war, sodass die Firma Hebel die Präsentation noch einmal vorführen musste. Trotzdem wurde abgestimmt. Der ganze Vorgang war höchst zweifelhaft und kam einer Ohrfeige für die Zuhörer gleich. Wortmeldungen waren nicht erlaubt. Von Bürgermeister Vogt war nur noch zu hören, dass die Verwaltung auch lieber die Variante 1 gehabt hätte. Von seiner anfangs so betonten Berücksichtigung der Bürgeranliegen war keine Rede mehr. Wenn das der übliche Ablauf zu Entscheidungsfindungen in einer Herbrechtinger Gemeinderatssitzung ist, dann habe ich erhebliche Zweifel am Demokratieverständnis der Gemeinderatsmitglieder, und ob ihnen und auch Bürgermeister Vogt die Verantwortung eines Wählerauftrags wirklich bewusst ist.

Ich halte es für dringend geboten, die Geschehnisse dieser Gemeinderatssitzung auf den Prüfstand zu stellen und die geplante Abstimmung über die projektbezogene Bebauungsplanänderung am 25. Juli zu vertagen, wenn es sich hier noch um ein ernstzunehmendes Gremium handeln soll.
Lucia Kiefer, Bolheim