Abgesehen von den Heidenheimer Abgeordneten Martin Grath und Andreas Stoch werden die wenigsten Mitglieder des baden-württembergischen Landtags schon einmal den Ugenhof gesehen haben. Nun sind noch einmal zwei dazugekommen: Die Abgeordneten Tim Bückner (CDU) und Dennis Birnstock (FDP), Mitglieder des Petitionsausschusses, fuhren in die Senke westlich von Bolheim, schauten auf ein Stück Grün zwischen einer Reithalle und einem Strommast und hatten am Ende den Tipp aller Tipps, wenn zwei sich nicht mehr eins sind: Sprecht miteinander, das ist das Sinnvollste.
Auf dem Ugenhof trainieren Medaillengewinner der Special Olympics
Auf den zweiten Blick ist die Lage freilich komplizierter. Es sind zwar zwei Parteien, mit hinein spielen aber auch gesetzliche Vorgaben einerseits und berechtigte Wünsche auf der anderen Seite. Außerdem scheinen die Parteien eigentlich nicht einmal grundsätzlich gegensätzlicher Meinung zu sein – sie legen den Sachstand nur unterschiedlich aus.
Die Vorgeschichte hörten sich Bückner und Birnstock zunächst im Sitzungssaal des Herbrechtinger Rathauses an. Es geht um einen sogenannten Bewegungsplatz, den die Familie Bücheler als Eigentümer und Betreiber der Reitanlage Ugenhof anlegen wollte. Für diesen Reitplatz wären, erklärte Daniel Bücheler, ein paar Erdarbeiten notwendig, den abgeschobenen Humus würde man zu einem Wall aufschütten und bepflanzen. Keine Zäune, kein Hochbau.
Der Reitplatz soll dabei nicht allein dem kommerziellen Reitbetrieb dienen, denn hier trainiert auch die Reitsportgemeinschaft Ugenhof (RSG). Dieser integrativ arbeitende Verein erlangte zuletzt überregionale Aufmerksamkeit, als Reiterin Lisa Preiß bei den Special Olympics im Juni 2023 in Berlin Dressur-Gold holte. Christin Stickel jubelte über Bronze. „Draußen zu trainieren ist unabdingbar“, sagte RSG-Trainerin Dr. Beate Bengelmann bei der Anhörung des Petitionsausschusses.
Kein Landwirt, kein Privileg - so sieht es das Gesetz
Die Büchelers hatten auch bereits Pläne für den Bau des Reitplatzes. Im September 2022 lehnte der Herbrechtinger Gemeinderat die planungsrechtlich notwendige Änderung des Flächennutzungsplans jedoch ab, auf Anraten der Stadtverwaltung. Der Grund: Es würde ein Präzedenzfall geschaffen, auf den sich auch andere Bauwillige berufen könnten.
Dem liegt ein juristischer Umstand zugrunde, dem bei der Anhörung auch die RSG-Vorsitzende Christina Deuter mit Unverständnis begegnete. Der Vorgänger der Büchelers hätte als Landwirt das Privileg genossen, einen Bewegungsplatz im sogenannten Außenbereich bauen zu dürfen. Die Büchelers sind der Definition nach aber keine Landwirte, sie müssten für den Reitplatz einen Bebauungsplan und eine Änderung des Flächennutzungsplans erwirken. „Wir müssen auch den Blick auf andere Vereine haben“, so Bürgermeister Daniel Vogt, „für eine Verwaltung ist es schwierig, da anders zu agieren“. Rechtlich habe die Verwaltung richtig agiert, was auch eine Stuttgarter Ministeriumsvertreterin so sah.
Stadt befürchtet Schildbürgerstreich
Bücheler wollte wiederum wissen, ob denn ein vorhabenbezogener Bebauungsplan möglich sei. „Das hängt an der Entscheidung des Gemeinderats“, hieß es dazu aus dem Ministerium. Dennis Birnstock hakte nach: „Wenn die Ratsentscheidung anders ausgefallen wäre, wäre etwas zu beanstanden?“ Das sei im Ministerium nicht geprüft worden. Für Stadtbaumeister Dieter Frank brachte diese Aussage die verzwickte Lage auf den Punkt: „Wenn wir jetzt einen Bebauungsplan initiieren, und alle sagen nein – das wäre ein Schildbürgerstreich!“ Trainerin Bengelmann fügte hinzu: „Wir wollen niemandem einen Fehler vorwerfen, und wir wären glücklich, wenn wir gemeinsam nach einem Spielraum suchen könnten.“
Diesen Ball nahm auch Birnstock erneut auf und riet zu einem „lösungsorientierten“ Vorgehen: eine Gesprächseinladung der Büchelers an den Gemeinderat und nochmalige Beratung der Sache. Die für April anstehende Entscheidung des Petitionsausschusses wollte Birnstock zwar nicht vorwegnehmen, auf den ersten Blick erkannte er aber keinen offensichtlichen Fehler in der Entscheidung. Aber eben Spielraum.
Die Streitschlichter im Landtag
Die Petition zur Frage des Reitplatzes hatte Daniel Bücheler als Privatperson eingereicht. Der mit Abgeordneten aller Landtagsfraktionen besetzte Petitionsausschuss befasst sich pro Legislaturperiode mit rund 5000 Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern. Der Ausschuss hat vor allem eine vermittelnde Rolle bei Streitfragen, sucht aber auch nach Anzeichen für möglicherweise falsche Entscheidungen.