Herbrechtingen übernimmt Bolheimer Naturgruppe nach Kritik an der Kirche
Die Stadt Herbrechtingen wird die 2021 gegründete Naturgruppe Bolheim übernehmen. Diesen Beschluss fasste der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung einstimmig. Zuvor hatte bereits der Rat der katholischen Kirchengemeinde zugestimmt, die zuletzt Trägerin des Kindergartens gewesen war. Zum Juni war die am Bolheimer Kinderfestplatz beheimatete Naturgruppe aus Personalmangel vorläufig geschlossen worden. Neun Kinder und ihre Eltern sind davon betroffen.
Zum Beginn des Tagesordnungspunkts warb Bürgermeister Daniel Vogt eindringlich für eine Übernahme: „Es steht für mich außer Frage, dass wir die Naturgruppe übernehmen, zumal das Engagement der Kirche von oben gedeckelt wird“, so Vogt. Damit nahm der Bürgermeister Bezug auf eine Entscheidung der Diözese Rottenburg-Stuttgart aus dem vergangenen Jahr. Dieses legt ein „Regelengagement“ fest, in dessen Rahmen sich eine Kirchengemeinde im Dekanat im Bereich Kindergärten einbringen kann. Werde dieses Engagement überschritten, heißt es im „Kirchlichen Amtsblatt“ vom 15. November 2022, müsse „die Finanzierung der Betriebs- und Investitionskosten zu 100 Prozent durch den kommunalen Partner erfolgen“.
Die Stadt finanzierte die Naturgruppe bereits komplett
Bürgermeister Vogt betonte in der Diskussion, es liege „nicht am fehlenden Willen der Kirchengemeinde vor Ort.“ Diese müsse sich aber „weiter oben“ erklären, wenn ihr Engagement das vorgesehene Maß überschreite.
Die Naturgruppe Bolheim war ohnehin bereits vollständig durch die Stadt Herbrechtingen finanziert worden. 2022 hatte die Stadt pro Quartal 30.000 Euro an die Kirchengemeinde überwiesen, in diesem Jahr 31.250 Euro. Hinzu kamen fünf Prozent dieser Summen als Verwaltungskostenpauschale für Aufgaben, die auf Kirchenbezirksebene erledigt wurden.
„Ich bin stark dafür, die Gruppe zu übernehmen, sie steht uns als ergänzendes Angebot gut zu Gesicht“, sagte Matthias Sturm von der FWV-Fraktion, wollte aber von der Verwaltung wissen, wie realistisch es sei, Bewerberinnen oder Bewerber für die freien Stellen zu finden. „Der Markt ist umkämpft“, räumte die für Personal zuständige Fachbereichsleiterin Birgit Steiner ein. Allerdings gebe es bereits diese Woche Bewerbungsgespräche für andere Einrichtungen, dabei könne man ausloten, ob auch Interesse an der Naturgruppe bestehe. Dort etwas Neues aufzubauen und zu gestalten, könne man als Chance und Herausforderung begreifen, so Steiner.
Die Naturgruppe sei „damals aus der Not entstanden“, weil dringend Betreuungsplätze benötigt wurden, sagte Susanne Niesel (CDU). Der Erhalt sei ihr „ein großes Anliegen“. BM Vogt entgegnete, man habe 2021 bewusst ein „besonderes Konzept“ gewählt, eine Notlösung wäre auch in der Lindenbergschule zu realisieren gewesen.
Ein Schlag ins Gesicht der Eltern und Kinder.
Hermann Mader, Gemeinderat (FWV)
„Wir haben alles richtig gemacht und keine Chance, etwas anderes zu beschließen“, sagte Hermann Mader (FWV). Er sei sehr optimistisch, dass die Stadt Personal finden werde, „weil wir keine Ausschlusskriterien haben“. Kritik übte Mader an der katholischen Kirche. Das Verhalten im Vorfeld der Schließung sei „sehr befremdlich“ gewesen. Dass es trotz eines rechtsgültigen Vertrags zwischen Stadt und Kirchengemeinde zur Schließung kam, wertete Mader als „Schlag ins Gesicht der Eltern und Kinder“.
Dieser Kritik schloss sich Thilo Eckermann von der SPD an: „Das Verfahren lässt Vertragstreue vermissen, das finde ich bemerkenswert.“ Annette Rabausch (FWV) befand, die katholische Kirche gebe in einer „Kernkompetenz ein schlechtes Bild ab“. Sie hätte sich eine Stellungnahme der Kirche gewünscht, so Rabausch.
Stadtverwaltung hofft auf eine Neueröffnung im Herbst
Martin Müller (FWV) mahnte hingegen, man dürfe nicht vergessen, dass hinter einer kirchlichen Trägerschaft auch viel ehrenamtliches Engagement stecke, was im Umkehrschluss bei der Übernahme durch die Stadt zu höherem Personalaufwand führen werde. Außerdem müsse das Entgegenkommen der Stadt zu einem „Mehrwert“ bei den Verhandlungen für die neuen Gruppen in den katholischen Kindergärten St. Franziska (Herbrechtingen) und St. Martin (Bolheim) führen. Dort plant die Stadt, zwei, beziehungsweise eine neue Gruppe einzurichten. Zuvor hatte es aber offenbar Signale seitens der Kirche gegeben, wonach diese Erweiterungen nur bei einer Übernahme der Naturgruppe durch die Stadt möglich wären.
Nach dem Ratsbeschluss wird sich die Stadt nun um die notwendigen Genehmigungen für den Weiterbetrieb kümmern und versuchen, die offenen Stellen zu besetzen. Man hoffe, so Vogt, im kommenden Herbst wieder starten zu können.