Der Herbrechtinger Gemeinderat hätte es sich leichtmachen können. Die Amtszeit ist praktisch zu Ende, es war ein drückend schwüler Abend, im Ratssaal saßen ungewöhnlich viele Bürgerinnen und Bürger mit einer klaren Erwartung: Die geplanten Mehrfamilienhäuser in der Bolheimer Ortsmitte sollten anders, kleiner oder am besten gar nicht gebaut werden. Abnicken, nächster Tagesordnungspunkt – es wäre der Weg des geringsten Widerstands gewesen.
Dass die Stadträtinnen und Stadträte nach einer engagierten, bisweilen kontroversen, vor allem aber weitsichtigen Diskussion zu einem überraschenden Ergebnis kamen, kann als eine Sternstunde der ehrenamtlichen Lokalpolitik gewertet werden.
Natürlich werden Menschen auch enttäuscht sein, aber auch sie sollten sich vor Augen führen, dass der Beschluss mit einem Höchstmaß an Demokratie gefasst wurde: Die gewählten Bürgervertreter diskutierten zwei Mal öffentlich, die Gegner wurden gehört, ihre Anliegen ernst genommen – auch wenn der Rat schließlich anders entschied, als sie es sich gewünscht hatten. Politik sei nur dann ehrlich, wenn sie den Leuten nicht nach dem Mund rede, sagte Stadtrat Hermann Mader in der Diskussion.
Die Entscheidung, die von knapp zwei Dritteln des Gremiums getragen wurde, zeugt von einem bemerkenswert klaren Blick in die Zukunft. Denn: Herbrechtingen braucht Zuzug, ein Bevölkerungswachstum. Und dazu braucht es neben Bauplätzen für die klassischen Häuslebauer eben auch Investoren, die Miet- oder Eigentumswohnungen zur Verfügung stellen. Solche Projekte werden auch auf den künftigen Gemeinderat immer wieder zukommen.
Dass das Gremium sind jetzt dazu entschlossen hat, dem aufwändig erstellten Stadtentwicklungskonzept zu folgen, das einen klaren Fokus auf Innenverdichtung setzt, ist also nicht nur folgerichtig, diese Haltung hat auch einen Pflock für künftige Entscheidungen gesetzt.