Das Wetter war perfekt. 150 Zuhörerinnen und Zuhörer saßen im malerischen Garten des Heimatmuseums und lauschten einer Lieder-Reise durch die 1930er- bis 60er-Jahre. Die beiden preisgekrönten Sänger, Sopranistin und Leiterin des „Liederfrühlings“ Theresa Maria Romes und Bariton Uli Bützer, boten zusammen mit dem hochkarätigen Ensemble ein überragendes Programm.
Schon die ersten Lieder verbreiteten gute Laune. Romes begann mit einer hintergründigen Ballade „An das Publikum“, vertont nach einem Gedicht von Kurt Tucholsky, in dem er seine Zuhörer auf die Probe stellt: „Sag mal: Bist du wirklich so dumm, wie uns das an allen Tagen alle Unternehmer sagen?“ Tucholsky schrieb zahlreiche bissige und nachdenkliche Texte und die Kritik an der gewollten Verdummung des gar nicht so dummen Publikums war in dem Vortrag deutlich zu hören.
Den Character der Texte gut getroffen
Romes und Bützer gelang es, jedes einzelne Lied nicht nur mit herausragender Gesangskunst, sondern auch genau so vorzutragen, wie es dem Charakter des Textes und der Musik entsprach. Es gab Augenzwinkerndes, herrlich vorgetragen, Freches und Hintergründiges, aber auch zutiefst Bedrückendes, wie die Lieder von Flucht und Repressalien im Nationalsozialismus.
Und natürlich wurde die Liebe besungen: witzig und frech in „Ich kann den Novotny nicht leiden“ (Romes) – „hab’ aber trotzdem drei Kinder mit ihm …“, herrlich Bützer in „Meine Frau will mich verlassen“ – um dann festzustellen, es war leider nur ein schöner Traum. Es gab „Eine verzwickte Verwandtschaft“, schmachtende Liebeslieder wie „Jonny, wenn du Geburtstag hast“ oder „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“.
Lachen war erlaubt
Alle Lieder wurden in den historischen Kontext gestellt. Auch das heute „politisch unkorrekte“ Lied „Stroganoff“ wurde eingeordnet und so durfte das Publikum bei der hinreißenden Vorstellung von Romes trotzdem herzhaft lachen. Und als Bützer so selbstironisch wie augenzwinkernd sang „Ich brech’ die Herzen der stolzesten Frau’n“, gab es im Publikum keine Frau, die nicht mit breitem Grinsen lauschte. Mit dem „Quatschlied“ „Was macht der Mayer am Himalaya“ wurde das Publikum in die Pause verabschiedet.
Danach wurde es ernst. Alle der heute so verehrten Komponisten dieser Zeit wurden im Nationalsozialismus verfolgt, fast alle mussten fliehen, und so manche Lieder darüber waren nun zu hören. Es ging um Bertolt-Brecht-Vertonungen von Hanns Eisler zu Flucht und fremden Hotelzimmern, um Hunger und den flammenden Appell an die Völker, endlich Frieden zu finden.
„Liederfrühling“ räumt auch bedrückenden Liedern Raum ein
Sehr bedrückend auch der Vortrag Bützers von Georg Kreislers „Der Weg zur Arbeit“: Ein junger Mann grüßt jeden Tag zähnefletschend freundlich seine Nachbarn – die allesamt im Nachkriegsdeutschland ihrem Tagwerk nachgehen und bei denen sich der junge Mann nur allzu gut erinnert, was sie im Nationalsozialismus getan haben. Das Publikum lauschte mucksmäuschenstill.
Ebenso herausragend Romes mit dem von Kurt Weill im französischen Exil verfassten Sehnsuchtslied „Youkali“. Auch Andrea Marie Baiocchi am Klavier, Kevin Bernard am Akkordeon, Andreas Pickel am Schlagwerk und Hubert Steiner an Gitarre und Bass zeigten eine herausragende Virtuosität. Ohne Zugaben durften die Musiker nicht von der Bühne. Das begeistert mitsingende Publikum fiel ein bei „Ein Freund, ein guter Freund“ und klatschte lautstark, als Romes sich mit einer Zeile aus „Es wird einmal ein Wunder gescheh’n“ verabschiedete: „Ich weiß, dass wir uns wiederseh’n!“
Einsatz für das Liedgut
Der 2019 gegründete Verein „Liederfrühling“ unter Leitung der preisgekrönten Sopranistin Theresa Maria Romes hat sich die Förderung von Kunst und Kultur, vor allem des Liedgutes, zum Ziel gesetzt. Der Verein hat bereits 19 hochkarätige Konzerte gegeben, es gibt – außer in der Corona-Zeit – meist ein mehrtägiges Internationales Festival für Kunstlied und ein Open-Air-Konzert. Das nächste Festival für Kunstlied findet vom 30. Mai bis 1. Juni 2025 in Heidenheim statt.