Interview

Mirjam Bihlmaier als jüngste Stadträtin Herbrechtingens: „Machen statt Meckern“

Mirjam Bihlmaier, 17 Jahre alt, ist Herbrechtingens jüngste Stadträtin. Im Interview spricht sie über ihre Motivation, ihre Ziele im Gemeinderat und über das Engagement für Nachhaltigkeit und Jugendanliegen.

Mirjam Bihlmaier ist auf dem Ugenhof bei Bolheim aufgewachsen und seit diesem Jahr Stadträtin in der Fraktion Grüne und Unabhängige in Herbrechtingen. Das Besondere: Sie ist erst 17 Jahre alt. Im Gespräch mit der HZ hat sie über ihre Ziele, Motivation und Person gesprochen.

Wie kam es, dass Sie sich im Alter von 17 Jahren dazu entschlossen haben, für den Gemeinderat zu kandidieren?

Tatsächlich war es keine eigene Idee. Ich wurde von verschiedenen Personen auf die Möglichkeit einer Kandidatur angesprochen und mir wurde nahegelegt, es zu versuchen. Ein Bekannter sagte mir, dass es eine Grüne und Unabhängige Liste geben soll und dass für Bolheim noch Platz ist. Mein erster Gedanke war: Nein, das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, ich habe keine Zeit, mache gerade Abi, und so weiter.

Wieso haben Sie dann doch kandidiert?

Im Februar war ich auf der Demo gegen Rechtsextremismus in Heidenheim. Wieder sprach mich dort ein Bekannter auf die Sache mit dem Gemeinderat an und fragte mich, ob ich das nicht machen will. Dann dachte ich mir schon: Hm, könnte man sich vielleicht nochmal überlegen. Kurze Zeit später rief mich Anamari Filipovic, Grünen-Stadträtin in Heidenheim, an. Sie machte mir Mut und sagte, es fehlten noch junge Menschen im Gemeinderat, junge Frauen vor allem. Sie war die dritte Person, die mich überzeugen wollte, dass ich mich zur Wahl stelle.

Und aller guten Dinge sind drei? War die Überzeugungsarbeit damit geleistet?

Sozusagen, ja. Ich nahm mir dann nochmal zwei Tage, um darüber nachzudenken und mit meinen Eltern zu sprechen. Danach dachte ich mir: Okay, warum nicht? Eine Erfahrung ist es auf jeden Fall wert und irgendwie wäre es doch cool, wenn man jemand Jüngeres dabei hätte, eine junge Frau. Und so kam es.

Was hat Sie persönlich motiviert, zu kandidieren?

Einerseits war es einfach dieses Ding, mal etwas Neues ausprobieren zu wollen. Ich hatte von alledem vorher keine Ahnung und bin nie in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung gewesen. Aber ich fand es spannend. Und auf der anderen Seite motivierte mich auch der Gedanke, sich aktiv einzusetzen, mitzuentscheiden und mitzuwirken, anstatt nur zu meckern.

Machen statt meckern...

Genau. Ich dachte mir natürlich auch: Ich stelle mich jetzt erst mal auf, und ob ich dann gewählt werde, ist eine andere Sache. Selbstverständlich musste ich damit rechnen, dass es passieren kann, aber ich ging nicht fest davon aus.

Warum?

Hm, es gab viele andere Kandidaten. Und oft heißt es ja auch, dass eher Männer gewählt werden in der Politik. Außerdem hab’ ich mir Gedanken gemacht, weil ich so jung bin. Ich dachte, das könnte sich entweder zu meinem Vorteil oder zu meinem Nachteil ausspielen. Nach dem Motto „Ah, die ist jung und unerfahren, die wähle ich nicht“ oder andersherum: „Sie ist jung und bringt frischen Wind rein.“

Jetzt sind Sie offiziell Stadträtin. Wie haben Sie die ersten beiden Herbrechtinger Gemeinderatssitzungen im Juli erlebt?

Vor Ort im Rathaus war alles ein bisschen größer, als ich es mir vorgestellt habe. Viele Leute waren da und alles war sehr formell. Aber damit war ich noch nicht ganz vertraut. Zum Beispiel gaben sich alle die Hand zur Begrüßung. Klingt vielleicht verrückt, aber als ich in dem Alter war, in dem das vielleicht gängiger geworden wäre, war Corona. Da gab man sich nicht die Hand. Das ist jetzt bei mir irgendwie so drin, dass ich mich erst einmal wieder umgewöhnen muss. Also alles in allem gibt es einfach viel Neues: neue Themen, neue Sitten, neue Menschen. Ich war deshalb vor allem am Beobachten und Zuhören.

Wie haben Ihre Freunde und Ihr Umfeld darauf reagiert, dass Sie politisch aktiv werden?

Als ich mit meinen Eltern darüber gesprochen habe, haben sie mir beide Seiten eines solchen Ehrenamts aufgezeigt, die positiven und die negativen. Es ist ja schon ein großer zeitlicher Aufwand. Aber am Ende haben sie mich motiviert, es zu tun. Meinen Freunden habe ich eigentlich erst davon erzählt, als ich schon zur Wahl aufgestellt war. Sie waren erstaunt, aber meinten auch, dass sie es cool finden.

Welche Erwartungen haben Sie an Ihre Zeit im Gemeinderat?

Ich denke, es werden viele verschiedene Themen auf mich zukommen. Der große Schulneubau in Herbrechtingen, die Wohnsituation und bestimmt auch verschiedene Bauvorhaben in Bolheim, Herbrechtingen und Umgebung. Natürlich wird auch die allgemeine Gestaltung von Herbrechtingen für Alt und Jung Thema sein. Ich bin gespannt.

Welche Themen möchten Sie voranbringen? Gibt es konkrete Projekte, die Ihnen wichtig sind?

Der Flächenverbrauch ist ein großes Thema für mich und auch ein Grund, weshalb ich jetzt bei den Grünen und Unabhängigen bin. Mir ist Nachhaltigkeit beim Flächenverbrauch wichtig und dass die Lebensgrundlagen der Landwirte – Äcker und Wiesen, also Flächen – erhalten bleiben. Die Frage ist: Wie kann man den Flächenverbrauch minimieren oder auch stoppen? Vielleicht indem man innerorts nachverdichtet. Der Schulbau in Herbrechtingen liegt mir auch am Herzen. Ich bin ja dort selbst zur Schule gegangen.

Und wie möchten Sie sich für die Interessen junger Menschen in der Stadt einsetzen?

Ich will den Jugendlichen eine Ansprechperson sein. Ich habe viele Kontakte zu jungen Menschen vor Ort und werde ihre Anliegen in den Gemeinderat einbringen. Eine Überlegung war schon, aus dem Skaterplatz in Bolheim noch ein bisschen mehr zu machen. Ein Dach, ein Aufenthaltsraum, damit die Jugendlichen einen Ort haben, auch wenn es im Winter kalt ist. Aber das sind erst mal nur Überlegungen.

Wie planen Sie, Ihr politisches Engagement mit Ihrem Alltag oder Arbeit in Einklang zu bringen?

Ich sehe das Amt als ein Hobby, als festen Termin, den ich in meinen Alltag integriere. Und wenn ich jetzt bald Praktika mache, schaue ich einfach, dass ich zu den Gemeinderatssitzungen zuhause bin und auch die Vorbereitung mit einberechne.

Was machen Sie nun, nachdem die Schulzeit zu Ende ist?

Im Juli fand der Abiball statt und damit war ein großer Lebensabschnitt zu Ende. Im Sommer habe ich als Mitarbeiterin bei einer Kinderfreizeit mitgewirkt, das war eine schöne Zeit. Soziale Arbeit interessiert mich und ich kenne sie von der evangelischen Kirchengemeinde her. Da bin ich aktiv. Jetzt geht es daran, verschiedene Praktika zu machen, um herauszufinden, wohin ich beruflich will. Ich will mich in der Landwirtschaft und sozialen Arbeit umsehen.

Können Sie sich vorstellen, beruflich Politikerin zu werden, oder sehen Sie sich in einer anderen Rolle?

Also beruflich werde ich, glaube ich, keine Politikerin, das ist mir zu …

Zu was?

(Lacht) Zu langwierig und zu zäh, glaube ich. Ich denke, das liegt daran, dass ich jemand bin, der lieber mal macht und es einfach anpackt. Vielleicht werde ich weiterhin im Gemeinderat sein, das könnte ich mir schon vorstellen. Aber beruflich eher nicht. Ich weiß ja auch gar nicht, was die Zukunft noch bringt.

Wer weiß das schon. Vielleicht haben Sie Klarheit darüber, welche politische Linie Sie jetzt als Stadträtin fahren möchten?

Also ich finde, im Politischen ist Nachhaltigkeit schon ein wichtiger Aspekt. „Nachhaltig“ ist mittlerweile zwar ein ausgelutschter Begriff, das Thema ist aber ja ganz aktuell. Ich finde jedenfalls, dass es wichtig ist, auf die Umwelt zu achten. In allen möglichen Aspekten – sei es jetzt Bau, Alltag oder Verkehr. Und ein besseres Miteinander ist wichtig. Sowohl im Ort, da ist es vielleicht schon ganz gut, aber auch deutschlandweit, natürlich. Spaltungen sind immer blöd.

Was würden Sie anderen jungen Menschen sagen, die sich für Politik interessieren, aber vielleicht noch unsicher sind, ob sie diesen Weg einschlagen sollen?

Traut euch! Es gibt genug Menschen, die einem helfen, die einen begleiten, die Sachen erklären. Es ist eine Erfahrung wert, finde ich. Lieber mal trauen und dann ist es nichts, anstatt zu sagen: Ah ich weiß nicht. Es ist immer gut, sich einzusetzen, auch als junger Mensch in der Politik.

Mirjam Bihlmaier ist nicht die einzige junge Gemeinderätin im Kreis

Auch in anderen Orten des Landkreises Heidenheim haben sich junge Menschen für das Engagement im Gemeinderat entschieden: Siska Brodbeck wird im September 18 und ist neues Gemeinderatsmitglied der Freien Wählervereinigung in Steinheim, ebenfalls ins Steinheimer Gremium hat es Ariane Rook (Die Grünen) geschafft, die bei der Kandidatur gerade einmal 16 Jahre alt war. Der Königsbronner Gemeinderat bekommt frischen Wind durch Mara Newman, 17 Jahre alt. Sie ist neues Mitglied der Grünen-Fraktion.

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