279 Kilometer am Tag – das ist bis jetzt die längste Strecke, die Onur Tekcan auf seiner Radreise von Herbrechtingen nach Ankara zurückgelegt hat. Knapp vier Wochen hat er für die Tour durch Südosteuropa und den Balkan eingeplant, doch er ist bereits am Sonntag in der Türkei angekommen. „Ich habe mich wohl ziemlich gut vorbereitet“, lacht Tekcan. Das ständige Radfahren sei zwar körperlich anstrengend, jedoch habe er „weder schwere Beine, noch irgendwelche Krämpfe“.
Am Dienstagmorgen befand er sich in Luleburgaz, knapp 150 Kilometer hinter der türkischen Grenze. Er sei „erleichtert, dass er endlich die Türkei erreicht hat“, ihm gehe es „sehr, sehr gut“. Als Begründung, weshalb er so viel schneller unterwegs ist als geplant, nennt Onur Tekcan folgende Gründe: „Die ganzen Influencer, bei denen ich das gesehen habe, die haben die Strecken viel schlimmer dargestellt, als sie sind, vor allem in Serbien sind die Radwege echt gut ausgebaut.“
Mein Papa würde mit dem Kopf schütteln, wenn er mich so sehen würde.
Onur Tekcan
Außerdem musste er in Bulgarien „die ganze Zeit vor wilden Hunden flüchten“, die ihn regelrecht „gejagt und verfolgt haben“ – das war auch der Ansporn für seine längste Etappe. Aber die Verfolgungsjagd habe „trotzdem irgendwie Spaß gemacht, zumal dabei nichts passiert ist“. Inspiration für die abenteuerliche Reise war unter anderem sein verstorbener Vater: „Mein Papa würde mit dem Kopf schütteln, wenn er mich so sehen würde.“
Steiniges Terrain, hohe Gräser und viele Insekten
Dass Onur Tekcan seinen eigenen Zeitplan übertroffen hat, liegt aber keinesfalls daran, dass die Strecke einfach ist oder die Fahrradwege überall gut ausgebaut sind. „Als ich in Bulgarien angekommen bin, direkt 50 Kilometer nach der Grenze, hat einfach der Fahrradweg aufgehört und ich stand vor einer großen Wiese“, berichtet der 34-Jährige. Um wieder auf einem richtigen Weg zu landen, musste er sich mit seinem Fahrrad durch die hohen Gräser kämpfen und war danach „komplett voll mit Insekten und Blumen“. Bulgarien zu durchqueren, war „definitiv der schwerste Teil der Reise bis jetzt“, doch trotzdem habe er auch dort schöne Erfahrungen gesammelt.
Mit Händen und Füßen
Wenn man mit dem Fahrrad einmal quer durch Europa fährt, macht man viele Stopps – und lernt dabei auch viele Menschen kennen. „Bis jetzt waren alle Menschen, die ich getroffen habe, super nett, hilfsbereit und zuvorkommend“, so Tekcan. Im österreichischen Engelhartszell hat er ein deutsches Pärchen kennengelernt, das ihn „erst auf einen Kaffee und dann auch noch zum Frühstück eingeladen hat“.
Doch natürlich durchquert der Herbrechtinger auf seiner Reise auch Länder, die nicht deutschsprachig sind. „Das ist überhaupt kein Problem. Wir haben uns, wenn es ging, auf Englisch unterhalten“, so Tekcan. Je weiter er in die ländlichen Balkanregionen vorgedrungen ist, desto schwieriger wurde die Kommunikation. „Das macht aber nichts“, sagt er, „wir haben uns mit Händen und Füßen unterhalten.“ Wenn es gar keine andere Möglichkeit gab, hat Tekcan seine Gesprächspartner in sein Handy sprechen lassen und mittels einer App übersetzt.
Noch 700 Kilometer
Für den restlichen Weg seiner Radtour in die Türkei will Onur Tekcan seine Reisegeschwindigkeit auf 80 bis 120 Kilometer am Tag herunterfahren. „Ich habe bis jetzt auf meiner Strecke sehr viel Zeit reingeholt, jetzt kann ich etwas entspannen. Außerdem lernt man, wenn man langsamer reist, auch viel mehr Leute kennen.“ Auf die Frage, was er als Erstes macht, wenn er sein Ziel Ankara erreicht, antwortet Tekcan: „Ich werde das Grab von meinem Vater besuchen. Danach geht’s direkt zu Mama.“