Konjunktur

Aufträge brechen weg: Bei Osram-Mitarbeitern in Herbrechtingen sind die Nerven gefragt

Weil Aufträge weggebrochen sind, sollen 25 der 550 Mitarbeiter von AMS-Osram in Herbrechtingen das Unternehmen freiwillig verlassen. Kündigungen soll es nicht geben. Das sagen IG Metall und der Betriebsrat.

Lob für die „tapfere“ Belegschaft am Standort Herbrechtingen gab es Mitte Februar auf der Jahrespressekonferenz von Seiten der AMS-Osram Konzernspitze in München. Man sah optimistisch in die Zukunft. Seit Donnerstag ist klar: Die Belegschaft muss wohl weiterhin Tapferkeit beweisen. Weil die Aufträge beim Hersteller von Lampen für Fahrzeuge rückläufig sind, sollen nach Wunsch des Managements wohl 25 der rund 550 Mitarbeiter das Unternehmen freiwillig verlassen. Das wurde ihnen am Donnerstag im Rahmen von Betriebsversammlungen mitgeteilt. Bestätigt wurde das der HZ von Seiten der IG Metall und des Betriebsrats, die Werksleitung wollte sich nicht zu den Vorgängen äußern.

Schwankungen in der Automobilbranche

Grund für den Auftragseinbruch, so Tobias Bucher von der IG Metall, seien die derzeitigen Schwankungen im gesamten Automobilsektor. „In der Automobilbranche sieht es allgemein nicht so gut aus und der Absatz geht zurück, das trifft die Zulieferer natürlich auch.“ Zudem sei man von den Sanktionen gegen Russland betroffen.

Betriebsbedingte Kündigungen, so erläutert Bucher, seien durch einen vor zwei Jahren vereinbarten Ersatztarifvertrag, der bis Ende 2025 gilt, ausgeschlossen. Stattdessen setze das Unternehmen auf Altersteilzeitverträge sowie Aufhebungsverträge mit Abfindungen. Betriebsrat Alexander Müller hält das nicht zwingend für nötig: „Der Arbeitgeber stellt es so dar, als gäbe es eine personelle Überkapazität“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Alexander Müller. „Das ist vielleicht auf dem Papier so, aber in der Praxis sieht anders aus. Zumal auch bei uns der Krankenstand seit Corona höher ist als davor.“

Produktion in China oder Herbrechtingen

Ziel von IG Metall und Betriebsrat: eine interne Auftragsumschichtung im Unternehmen. „Im Ersatzbetriebsvertrag wurde vereinbar, dass 60 Prozent der weltweit von Osram gefertigten Lampen am Standort Herbrechtingen gefertigt werden“, erläutert Müller. „Wir können aber mehr machen und haben das Unternehmen aufgefordert, Aufträge von anderen Standorten, wie China, hierher zu transferieren.“ Aber würde das das Problem des Unternehmens nicht nur verlagern? Für Müller ist das eine Frage der Mathematik. „Das Unternehmen muss kalkulieren: Wie hoch sind die Herstellungskosten und wie hoch sind die Kosten, um Personal freizusetzen? Wir wissen alle, dass man in China billiger produzieren kann, die Frage ist aber auch: Welche Kosten habe ich an welchem Standort, wenn ich Personal abbauen will?“

Die Forderung der IG Metall ist klar: „Das Werk soll ausgelastet und die Beschäftigung gesichert werden“, so Bucher. Zumal die Mitarbeiter bereits durch den Ergänzungstarifvertrag bereits einen gewissen Verzicht üben. „Sie arbeiten 1,5 Stunden unentgeltlich, um die Kosten zu senken und verzichten auf gewisse Zusatzzahlungen.“ Noch sei nichts entschieden, man verhandle weiter mit der Arbeitgeberseite.

Umstrukturierung und Personalabbau in Herbrechtingen

Die Mitarbeiter sind mittlerweile leid erprobt. 2018 ging es los mit Umstrukturierungen. „Das Unternehmen hat einen Teil der Entwicklung am Standort Herbrechtingen von in ein Joint Venture mit dem Automobilzulieferer Continental überführt, was unmittelbar zu einem Personalabbau geführt hat“, sagt Betriebsrat Alexander Müller. Ziel war es, „intelligente Lösungen für die Automobilbranche“ zu entwickeln, aber die Osram Continental GmbH wurde zum Verlustgeschäft.

In der Konsequenz lösten die beiden Konzerne ihre Zusammenarbeit wieder auf, das Unternehmen ging zurück an Osram und wurde ab Oktober 2021 zur „unabhängigen Geschäftseinheit“ AMS Osram Automotive Lighting Systems GmbH. Kaum ein halbes Jahr später mussten sich die Mitarbeitenden wieder einer Neuerung stellen: Osram verkündete im März 2022 den Verkauf an den französischen Konzern Plastic Omnium. Erst im vergangenen Jahr wurden durch den neuen Besitzer Stellen abgebaut.

Nicht nur deshalb ist der Osram-Betriebsrat bis heute nicht glücklich mit der Ausgliederung von Teilen der Entwicklung. „Damit hat man uns eine Zukunftschance genommen“, so Müller. „Natürlich muss man immer bewerten, wie schlagkräftig eine Abteilung ist und ob man vielleicht am Markt vorbei entwickelt. Aber wenn das so ist, ist es die Aufgabe des Managements, die Abteilung neu auszurichten und sie nicht quasi als Ballast abzustoßen.“

Der Konzern

Der Hauptsitz von AMS-Osram befindet sich im österreichischen Premstätten, dazu gibt es den Co-Hauptsitz in München. Insgesamt beschäftigt der Konzern weltweit rund 22.000 Menschen, etwa 3000 davon am Standort Regensburg und 2000 weitere an anderen deutschen Standorten. Das Werk in Herbrechtingen hat seinen Ursprung im Jahr 1946. Damals mietete das Unternehmen, dessen Berliner Fertigungseinrichtungen im Zweiten Weltkrieg zerstört worden waren, zunächst Hallen in Herbrechtingen an. In den folgenden Jahrzehnten wurde der Standort sukzessive ausgebaut. Osram wurde 1919 in Berlin gegründet und wurde 2019 von der AMS AG übernommen.

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