Überraschend kam die Ankündigung für die Osram-Mitarbeiter in Herbrechtingen wohl nicht wirklich. Schon Mitte Juli war ihnen im Rahmen von Betriebsversammlungen mitgeteilt worden, dass 25 Produktionsmitarbeiter das Unternehmen verlassen sollen, weil Aufträge weggebrochen sind. „Wir dachten uns da schon, dass es dabei nicht bleiben wird, und haben das auch an die Belegschaft kommuniziert“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Alexander Müller.
Nun wurde die Vermutung bestätigt: Am Donnerstag wurde der Belegschaft mitgeteilt, dass 60 der rund 550 Mitarbeiter das Unternehmen möglichst freiwillig verlassen sollen – im Rahmen eines auf drei Jahre angelegten Restrukturierungsprogramms, das weltweit 200 Mitarbeiter und in Deutschland 125 Mitarbeiter betrifft.
Betroffen sind alle, die nicht in der Fertigung arbeiten
Laut Rainer Barthel, Geschäftsführer der Osram GmbH, sind vom Stellenabbau sämtliche Mitarbeiter betroffen, die nicht in der Produktion tätig sind. Der Abbau betreffe sowohl das Management als auch Abteilungen wie den Einkauf. Als Grund für die Sparmaßnahmen nennt er den gestiegenen Wettbewerbs- und Kostendruck. Der Markt sei stark rückläufig. In Herbrechtingen werden Scheinwerfer- und Signallampen für Fahrzeuge hergestellt. Da es im Automobilsektor seit einiger Zeit kriselt, treffe das auch die Zulieferer, bestätigt auch der Betriebsratsvorsitzende Müller die angespannte Lage. Zudem sei man von den Sanktionen gegen Russland betroffen.
Aber warum ist Herbrechtingen überproportional hoch vom Stellenabbau betroffen? Als Grund führt Barthel an, dass man in Herbrechtingen im Vergleich zu anderen Werken mehr Zentralfunktionen vor Ort habe, also Mitarbeiter, die nicht unmittelbar der Produktion zugeordnet sind, sondern zentrale Dienstleistungen erbringen, etwa im Bereich von Produktions-IT.
Altersteilzeit und Abfindungsverträge
„Wir zielen auf Sozialverträglichkeit ab“, so Barthel weiter. Das Unternehmen setzt auf Altersteilzeitverträge und natürliche Fluktuation. „Damit werden wir einen Großteil abdecken können.“ Zudem werde man ab der kommenden Woche mit Arbeitnehmervertretern ein Abfindungsprogramm ausarbeiten. „Betriebsbedingte Kündigungen sollen vermieden werden.“ Sozialplan und Interessenausgleich sollen bis vor Weihnachten erarbeitet und ab Januar 2025 dann umgesetzt werden.
„Natürlich bin ich froh, dass wir über Abfindungsprogramme und dergleichen sprechen und wir nicht zahlungsunfähig sind und Mitarbeiter ohne etwas vor die Tür setzen müssen“, so Müller. Es sei möglich, dass man über Altersteilzeitverträge und weitere Programme 60 Stellen einsparen könne. „Das kann funktionieren, aber ich kenne die Zahl der Personen am Standort Herbrechtingen, für die Altersteilzeit infrage kommt, noch nicht. Also kann ich die Situation bislang nur schwer einschätzen.“
Zwar fallen die Stellen weg, aber zu Mehrarbeit für die verbliebenen Mitarbeiter soll es laut Barthel nicht kommen. „Wir haben in den vergangenen Monaten Prozesse etwa durch neue IT-Tools optimiert und Abläufe vereinfacht, um zu erreichen, dass Mitarbeiter, die ausscheiden, nicht ersetzt werden müssen. Zu einer Zusatzbelastung soll es nicht kommen.“
Nicht der erste Personalabbau in Herbrechtingen
Die Mitarbeiter sind mittlerweile leidgeprüft. 2018 ging es los mit Umstrukturierungen. Das Unternehmen hat einen Teil der Entwicklung am Standort Herbrechtingen in ein Joint Venture mit dem Automobilzulieferer Continental überführt, was unmittelbar zu einem Personalabbau geführt hat. Ziel war es, „intelligente Lösungen für die Automobilbranche“ zu entwickeln, aber die Osram Continental GmbH wurde zum Verlustgeschäft.
In der Konsequenz lösten die beiden Konzerne ihre Zusammenarbeit wieder auf, das Unternehmen ging zurück an Osram und wurde ab Oktober 2021 zur „unabhängigen Geschäftseinheit“ AMS Osram Automotive Lighting Systems GmbH. Kaum ein halbes Jahr später mussten sich die Mitarbeitenden wieder einer Neuerung stellen: Osram verkündete im März 2022 den Verkauf an den französischen Konzern Plastic Omnium. Erst im vergangenen Jahr wurden durch den neuen Besitzer Stellen abgebaut.