Christina Bücheler aus Herbrechtingen möchte verhindern, dass die Igel aus Deutschland verschwinden. Deshalb hat sie eine Igelpflegestelle auf ihrem Bauernhof in der Nähe von Herbrechtingen eingerichtet, wo sie sich ehrenamtlich zeitweise um bis zu zehn Igel parallel kümmert. Außerdem betreibt sie über die Grenzen von Heidenheim hinaus Aufklärungsarbeit. Jährlich kümmert sich die 46-Jährige um an die 50 Igel, es ist ein Kommen und Gehen. Ein Jungigel sollte vor der Auswilderung mindestens 700 Gramm wiegen, um den Winter gut zu überstehen, und natürlich müssen die stachligen Tierchen ganz gesund sein, bevor sie zurück in die Wildnis entlassen werden. Darum hat die ausgebildete Sozialpädagogin immer den Allgemeinzustand des Igels und die momentane Witterung im Blick.
Wenn man das Igelzimmer in der alten Scheune des Hofes tagsüber betritt, ist es dort außerordentlich leise. Die Igelboxen sind ordentlich mit Zeitungspapier ausgelegt und die kleinen Häuschen in den Ställen sind prall mit Zeitungsschnipsel gefüllt, damit die dort untergebrachten Igel immer einen Rückzugsort haben. Während des Tages schlafen die Tiere meistens, weil sie nachtaktiv sind. „Sobald es dämmert, ist dann richtig was los in den Ställen. Die Tiere kommen aus ihren Behausungen und stürzen sich erstmal auf ihr Essen“, erzählt Bücheler lachend. Und die Igel fressen erstaunlich viel, bis zu ein Drittel ihres aktuellen Körpergewichts pro Mahlzeit. In der freien Natur ernähren sich Igel gerne von Insekten, wie Spinnen, Käfer oder Asseln. Bei der Igelfachfrau bekommen sie Katzenfutter mit hohem Fleischanteil, zudem Rührei und Mehlwürmer, damit sie Kraft bekommen und zunehmen.
Die Auffangstation ist meist voll ausgelastet
Denn die Tiere, die Bücheler aufnimmt, sind meist stark untergewichtig und dadurch geschwächt. Viele der Tiere sind krank, von Maden und Parasiten befallen oder werden verletzt abgegeben. „Ich bekomme oft Anrufe von Privatpersonen, dem Tierheim, der Polizei und auch mal von der Feuerwehr und muss dann am Telefon entscheiden, ob ich den Igel, der dringend Hilfe benötigt, aufnehmen kann oder nicht. Im Moment habe ich zehn Igelboxen und die sind meistens dauerhaft von einem oder mehreren Igeln belegt“, berichtet die zertifizierte Igelfachfrau. „Ich kann einfach nur einen Bruchteil der Igel aufnehmen und man kann sich nicht vorstellen, wie groß der zeitliche Aufwand, vor allem bei sehr jungen Igeln ist.“ Teilweise muss sie den Igelkindern, die dringend an Gewicht zulegen müssen, bevor man sie wieder vor dem Winter auswildern kann, alle drei Stunden mit der Pipette Nahrung geben, weil sie noch nicht alleine fressen können.
Aktuell betreut Bücheler unter anderem ein kleines Igelkind, dem sie den Namen Pippin gegeben hat. Er wurde von einem Hund aufgestöbert und wog bei der Ankunft auf ihrem Hof nur knapp über 100 Gramm. Ohne die aufopfernde Hilfe der 46-Jährigen hätte der Igel wohl nicht mehr lange überlebt. „Anfangs war er sogar im Badezimmer unseres Wohnhauses untergebracht, da er die ersten Tage noch nicht selbstständig fressen konnte. Ich habe mir dann nachts alle paar Stunden den Wecker gestellt, um ihn zu füttern.“ Schmunzelnd ergänzt sie noch: „Verständlicherweise war mein Mann darüber nicht gerade begeistert.“ Trotzdem ist Bücheler ihrem Mann sehr dankbar, weil er sie bei allem unterstützt und bei verletzten Igeln, die für eine Operation in eine spezielle Klinik für Igel gebracht werden müssen, Fahrdienste übernimmt.
Seit circa zehn Jahren setzt sich die 46-Jährige nun unermüdlich für die stachligen Vierbeiner ein. Gab es einen Auslöser für dieses Faible? „Ich habe vor Jahren selbst einen kranken Igel gefunden und bin mit ihm zu einem Tierarzt gefahren, der ihm damals ein falsches und viel zu hoch dosiertes Medikament gegen Parasiten verabreicht hat, infolgedessen der Igel verstorben ist“, erzählt die Tierliebhaberin sichtlich betroffen. Daraufhin begann sie, sich mit dem Thema Igel intensiv auseinanderzusetzen.
Schon kleine Dinge können Igeln helfen
Dieses Wissen möchte sie auch weitergeben und Aufklärungsarbeit leisten. Es seien kleine Dinge, die jeder Mitmensch berücksichtigen könne, damit die Tiere nicht aussterben. Igel fänden in der Natur durch den Klimawandel schon lange nicht mehr genügend Insekten, um sich damit Winterspeck anzufressen. Für Igel sei es aber nicht gut, wenn sie sich von heruntergefallenem Obst oder von Schnecken ernähren. Letztere würden oft Parasiten übertragen und Nüsse oder Obst seien für Igel nur schwer verdaulich.
Bücheler würde sich von ihren Mitmenschen wünschen, dass jeder seinen Garten igelfreundlich gestaltet. Dafür brauche es nicht viel: Zum Beispiel eine Schale mit Wasser, damit die Igel jederzeit etwas zu trinken haben. Milch sollte nicht gegeben werden, da Igel laktoseintolerant sind. Zudem kann ein Futterhaus mit Katzenfutter aufgestellt werden, am besten mit Labyrintheingang, damit keine anderen Tiere mitfressen können. „Ein Garten mit Blumen, Sträuchern und Gräsern wäre für die Igel perfekt“, so die 46-Jährige. Ihr sind Steingärten mit wenigen Pflanzen ein Dorn im Auge, da dort weder Igel noch andere Tiere auf Nahrungssuche gehen können. Im Herbst wäre es laut Bücheler von Vorteil, wenn man in einer Ecke des Gartens einen Laub- oder Reisighaufen liegen lässt, um den Igeln dort eine Rückzugsmöglichkeit zu schaffen.
Nicht nur aufgrund des Klimawandels steht der Igel mittlerweile auf der Vorwarnliste der bedrohten Arten. Menschen tragen auch direkt einen Teil dazu bei. Durch den Einsatz von Mährobotern würden jährlich viele Tiere so stark verletzt, dass man ein Einschläfern nicht verhindern kann, so Bücheler. Es sei ein Irrglaube, dass es ausreicht, wenn die Mähroboter nachts nicht zum Einsatz kommen. Da immer mehr Igel auch tagsüber in den Gärten nach Nahrung suchen, solle man auf diese gänzlich verzichten. Auch für Insekten und Bodenlebewesen, von denen sich Igel ernähren, seien die Mähroboter schlecht. Mit Rasentrimmern und Motorsensen solle man mit Bedacht umgehen, da Igel tagsüber oft im hohen Gras, unter Hecken, Büschen oder Laub schlafen.
Die 46-Jährige möchte zudem auf eine ganz andere Gefahrenquelle hinweisen: „In achtlos weggeworfenen Dosen mit Katzenfutter, Eis- und Joghurtbechern suchen die Igel nach Essbarem und bleiben womöglich mit dem Kopf stecken.“ Ohne Hilfe könnten sich die Tiere nicht wieder befreien und würden jämmerlich zugrunde gehen. Auch in den gelben Säcken, die man an Straßen zur Abholung auf dem Boden stapelt, können sich die Tiere auf der Suche nach Nahrung verfangen. Als Lösung sieht Bücheler die gelben Tonnen, die bereits mancherorts eingeführt werden.