Warum in der Brenz bei Herbrechtingen gemäht wird
Es rüttelt und knattert, ganze Wolken von Wasserkraut steigen an die Wasseroberfläche: Die eigentümliche Bootskonstruktion, die derzeit auf der Brenz in und um Herbrechtingen zu sehen ist, gibt es in dieser Form nur im Landkreis Heidenheim. Hinter den beiden mit einem Gestänge verbundenen Booten bewegt sich eine sogenannte Schleppsense im Wasser, die das Grünzeug unter Wasser abschneidet. Aber warum eigentlich?
Ohne das jährliche Mähen drohten an der Brenz Überschwemmungen
Der Grund ist Hochwasserschutz: Die Wasserpflanzen, die in der Brenz wachsen, sind so vital, dass sie den Wasserdurchfluss bremsen können. In einigen Brenzabschnitten könne durch den Aufwuchs der Wasserspiegel um bis zu einen Meter steigen, erklärt Flussmeister Melchior Rettenmaier vom Regierungspräsidium Stuttgart. In Herbrechtingen könnten dadurch Gärten überschwemmt werden, ohne dass es ein ausgewiesenes Hochwasser gebe. Andernorts drohen vollgelaufene Keller.
Die Mitarbeiter des Bolheimer Betriebshofs des Landesbetriebs Gewässer steigen daher jährlich ab Mai in ihr Bootsungetüm und beginnen, die Unterwasserwiese zu mähen. Abschnittsweise ziehen sie ihre Bahnen, dabei mähen sie nicht direkt am Grund, um dort lebende Tiere nicht zu gefährden. Dennoch ist die Sense aus speziell gehärtetem Waffenstahl gefertigt, der auch bei Kontakt mit einzelnen Steinen nicht sofort stumpf wird. Bis in den Oktober hinein kann die jährliche Mähsaison dauern.
Ein paar Hundert Meter entfernt haben sie ein hölzernes Wehr in die Brenz gelegt. Dort sammelt sich das abgemähte Kraut, und wenn genügend Material zusammengekommen ist, steigt Vorarbeiter Stefan Stricker in den Bagger und hebt das nasse Schnittgut auf einen Haufen am Ufer. Dort sammelt sich nicht nur Kraut, auch abgebrochene Äste und sogar kleinere Baumstämmchen finden sich darin. Hinzu kommt Müll, der entweder nachlässig in den Fluss geworfen wurde oder hineingeweht wurde.
Was der Landesbetrieb aus der Brenz hebt, ist allerdings heutzutage der kleinere Teil der Gesamtmenge. Der größere Teil fällt bei den Triebwerksbesitzern an, die entlang der Brenz ihre Kraftwerke betreiben. Bei ihnen bleibt das Treibgut in den Rechen ihrer Anlagen hängen und wird dann entsorgt.
Pro Jahr werden rund 2000 Tonnen Kraut, Totholz und Müll aus der Brenz geholt
Pro Jahr werden auf diese Weise etwa 2.000 Tonnen aus der Brenz geholt – Wasserkraut, Totholz, leere Flaschen oder Verpackungen. Was viel klingt, ist im Vergleich mit früheren Jahren recht wenig. Im Durchschnitt der Jahre 2002 bis 2010 waren es sogar 3.600 Tonnen. Dass heute deutlich weniger entnommen wird, liegt vor allem daran, dass das Land die Brenz nicht mehr auf gesamter Länge mähen lässt. Man konzentriere sich heute auf Abschnitte, wo durch Starkregen Überflutungen zu befürchten seien, so Flussmeister Rettenmaier. Im übrigen Fluss, nicht zuletzt in den renaturierten Abschnitten der Brenz verzichte man heute aus ökologischen Gründen auf die Mahd.
Was umgangssprachlich als Wasserkraut gilt, besteht in Wahrheit übrigens aus fast zwei Dutzend unterschiedlichen Wasserpflanzen, die im Rahmen einer Diplomarbeit in der Brenz nachgewiesen wurden. Hauptsächlich handle es sich um den Flutenden Hahnenfuß, das Laichkraut und den Wasserstern. Das munter sprießende Kraut, das sich manchmal auch in dicken Kissen an der Oberfläche zeigt, wächst in der Brenz so gut, weil der Fluss wenig beschattet ist und auch wenig Ufergehölz aufweist. Daher kann die Sonne das Wachstum auf langen Abschnitten anregen.
Auch wenn das Kraut nach dem Ausbaggern an üblichen Grünschnitt erinnert, wie ihn der Abfallwirtschaftsbetrieb in Mergelstetten sammelt, wird das abgemähte Wasserkraut anders verwertet: Der Landesbetrieb verfügt in Eselsburg und Bergenweiler über zwei sogenannte Wasserkrautplätze mit betonierten Flächen und einer unterirdischen Güllegrube, in der die heraussickernde Flüssigkeit gesammelt wird. Dorthin wird das Kraut transportiert und der Müll. Nach der Verarbeitung wird die Masse als Dünger in der Landwirtschaft verwertet.
Ein Trunk Bier und Brot
Die Brenzmahd ist keine Erscheinung der Neuzeit. Anhand alter Rechnungen in mehreren Gemeindearchiven lasse sich das Krauten bis in die Zeit des 30-jährigen Krieges zurückverfolgen, so Melchior Rettenmaier. Zeitweise war es üblich, dass die männliche Bevölkerung der Brenzanliegergemeinden zur Fronarbeit ausrücken musste, um die Brenz von ihrer dicken Krautschicht zu befreien. Der Lohn: ein Trunk Bier und Brot. Bis in die 1950er-Jahre hinein wurde die Sense nicht per Boot geführt, sondern von Pferden am Ufer gezogen.