Warum man sich in Herbrechtingen kostenlos tätowieren lassen kann
Jeden Tag sterben in Deutschland drei Menschen, weil kein passendes Spenderorgan für sie zur Verfügung steht. „Das Thema ist unglaublich wichtig und trotzdem wird zu wenig darüber gesprochen“, findet Bianca Fichtenau. Seit 2018 betreibt sie in Bolheim das Studio „BInk, Tattoo & Piercing“. Und seit drei Monaten unterstützt sie eine besondere Aktion: Bundesweit bieten Tattoo-Studios kostenlose Tattoos an, und zwar ein Tattoo, das die Bereitschaft zur Organspende signalisieren soll.
Die Idee für das „Opt.Ink“ genannte Organspende-Tattoo hatte der Münchner Verein „Junge Helden“, der sich seit 20 Jahren bemüht, über das Thema zu informieren und Aufmerksamkeit dafür zu wecken. Und das scheint mit der aktuellen Aktion auch zu gelingen. Prominente wie Joko Winterscheidt, Klaas Heufer-Umlauf oder Jürgen Vogel zählen zu den Unterstützern. Ebenso Wilson Ochsenknecht, der das Tattoo auf dem Unterarm trägt.
Bianca Fichtenau hat sich das Zeichen selbst gestochen. Das Motiv ist ein Symbol, das zwei Halbkreise zu einem Ganzen vereint und auch als O und D gelesen werden kann. Eine Abkürzung für das Wort „organ donor“. Auf Deutsch: Organspender. „Ich finde die Aktion einfach prima“, sagt Bianca Fichtenau. „Es ist ein Statement. Damit sagt man ganz klar: ,Ja, ich will spenden‘ und so kann im Notfall der Familie eine schwere Entscheidung abgenommen werden.“
Denn: In Deutschland gilt die Zustimmungsregelung. Das bedeutet, dass man aktiv erklären muss, dass man nach seinem Tod Organe spenden will. Zum Beispiel in einer Patientenverfügung oder einem Organspendeausweis. Andernfalls muss die Familie nach dem „mutmaßlichen Willen des Verstorbenen“ entscheiden. Anders ist es in vielen anderen Ländern wie Österreich, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Belgien, in den Niederlanden und Großbritannien. Hier gilt die Widerspruchsregelung. Das heißt: Man muss eine Organspende explizit ablehnen.
Das Tattoo ersetzt nicht den Organspendeausweis
Allerdings ersetzt das Tattoo nicht den Organspendeausweis. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sind hier eindeutig: Das Tattoo gilt nicht offiziell. Ein Tattoo sei keine rechtlich verbindliche Willenserklärung. Bei einer Änderung der Zustimmung sei der Aufwand für die Veränderung der Tätowierung zudem groß. Auch dass die Zustimmung nicht vom Träger selbst gezeichnet wurde, sondern von einem Dritten, wird als Grund aufgeführt. „Es braucht einfach eine Unterschrift auf einem Dokument“, erklärt Bianca Fichtenau. Bei ihr im Studio liegen daher Organspendeausweise bereit. Sie selbst hat natürlich auch einen. Schon seit 15 Jahren.
Einmal pro Monat bietet die 33-Jährige einen Aktionstag zum Stechen der Organspende-Tattoos an. An diesem Tag wird ausschließlich das Symbol gestochen. Am Freitag, 16. Juni, zum dritten Mal. „Zehn Termine vergebe ich an diesem Tag und das kommt sehr gut an“, sagt Bianca Fichtenau. Ihr Studio sei in der Region das einzige, das sich an der Aktion beteiligt. „Es kommen auch Leute aus Ulm. Einige arbeiten im Rettungsdienst oder im Krankenhaus. Die finden es klasse und würden sich das Zeichen am Liebsten auf die Stirn tätowieren lassen, damit das Thema mehr Aufmerksamkeit bekommt und Gesprächsthema wird. Das ist ja auch das Ziel der Aktion.“
“Das Thema braucht mehr Aufmerksamkeit”
Seit 2018 betreibt Bianca Fichtenau das Studio in Bolheim. Wie kam sie dazu? „Ich habe schon immer gerne gezeichnet“, erklärt sie. Zunächst habe sie jedoch eine Ausbildung in einer Bücherei absolviert und im Büro gearbeitet. Dann kamen die Kinder und die Elternzeit. „Ich wollte mich selbstständig machen und habe dann mein Hobby einfach zum Beruf gemacht“, sagt Fichtenau. „Eigentlich wollte ich nur nebenberuflich tätowieren, aber ich konnte mich von Anfang an kaum vor Anfragen rechnen, also mache ich es jetzt hauptberuflich.“
Was Bianca Fichtenau auch in ihrem Studio anbietet, ist ein Tattoo auf Probe. Das sogenannte Jagua- oder Zwei-Wochen-Tattoo. Dafür wird ein Gel, das wird aus der Frucht des Jenipapo-Baumes gewonnen wird, verwendet. Es färbt die Haut Dunkelblau bis Schwarz. „Es wird aber nur die oberste Hautschicht eingefärbt und nach zwei Wochen wäscht es sich aus“, sagt Fichtenau. „Das kommt vor allem bei Schwangeren als Kunst am Bauch sehr gut an.“