Tierschutz

Was die Einführung der Katzenschutzverordnung in Herbrechtingen bedeutet

Der Herbrechtinger Gemeinderat hat nach langer Diskussion eine Katzenschutzverordnung beschlossen, allerdings mit Abstrichen.

In Nattheim und Hermaringen gibt es sie schon. Giengen folgt zum 1. Januar. Jetzt schlug auch die Herbrechtinger Stadtverwaltung dem Gemeinderat die Einführung einer Katzenschutzverordnung vor. „Sie ermöglicht den Kommunen, eine Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für frei laufende Katzen einzuführen“, erläuterte Julia Baamann, Leiterin des Fachbereichs Bürgerservice. „Damit soll die unkontrollierte Vermehrung von frei lebenden Tieren eingedämmt, das überfüllte Tierheim entlastet und Leid durch Krankheiten und Unterernährung verhindert werden.“

Ziel sei es nicht, Katzenbesitzer zu gängeln, so Baamann. „Es geht vorrangig um Tiere, die keinen Besitzer haben.“ Denn auch in Herbrechtingen sei in den vergangenen Jahren eine zunehmende Population frei lebender Katzen festgestellt worden. Besonders betroffen seien die Gebiete „Unter dem Stangenhau“ nahe der B 19, Storkenreute, Viehweide, Bühlfeld, das Gewerbegebiet Nolberg sowie Bereiche in Eselsburg und in Bissingen. „Es ist ein Problem, dem wir Herr werden müssen, um unnötiges Katzenleid zu verhindern“, so Bürgermeister Daniel Vogt.

Wie die meisten Gemeinderäte, die sich zu Wort meldeten, sagte auch Martin Müller eingangs, dass man „etwas machen müsse“. Dann kam jedoch in den allermeisten Fällen das Aber. Müller störte, dass die Allgemeinheit für die Unzulänglichkeiten der Tierbesitzer aufkommen müsse. Zumal man sich die Probleme selbst schaffe. „Das Tierheim wäre nicht überfüllt, wenn man die Tiere rechtzeitig entsorgen und nicht alle aufpäppeln würde. Die dürfen auch sterben.“

Zahl der Tiere und Kosten sollen sinken

Julia Lambertz, stellvertretende Leiterin des Tierheims, argumentierte mit dem Tierschutzgesetz: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Dazu gehört auch, dass man kranke Katzen nicht einfach sterben lässt.“ Und Ziel der Verordnung sei ja gerade, die Population einzudämmen. „Die Zahl der Tiere wird langfristig sinken und damit auch die Kosten für Kastrationen und medizinische Versorgung für die Kommunen.“ Diese sollten daran ein Interesse haben, denn: „Die Versorgung auch von Fundtieren liegt nun mal rechtlich in der Verantwortung der Kommunen. Das Tierheim erbringt nur eine Dienstleistung. Wenn wir am Rand unserer Kapazitäten sind, muss sich die Kommune um die Unterbringung kümmern.“

„Auch kastrierte Katzen fressen Mäuse“

Michael Wiedenmann sorgte sich um den Bestand der Mäuse. „Die Gegenden in Bissingen und Bolheim sind landwirtschaftlich geprägt. Da gibt es viele leer stehende Scheunen. Wenn wir in ein paar Jahren keine Katzen mehr haben, haben wir dafür Mäuse ohne Ende.“ Julia Lambertz: „Katzen fressen Mäuse, auch wenn sie kastriert sind. Und es wird immer Katzen und Würfe geben. Vollständig kann man das gar nicht kontrollieren.“

Ausschließlich positiv zur Katzenschutzverordnung äußerte sich nur Petra Reiss am Ratstisch. „Wer schon mal eine Katze mit Katzenschnupfen gesehen hat, weiß, dass das nicht schön ist. Es geht hier um verwilderte Tiere, niemand muss Angst um seine Katze haben.“ Es sei unglaublich, dass es so viele Ehrenamtliche gibt, die sich so engagieren. „Auch wir müssen die Tiere schützen.“

Ist die Verordnung rechtssicher?

Mehrere Stadträte störten sich an zwei Paragrafen in der Verordnung, die das Betreten von Privat- oder Betriebsgelände regeln. Der Wortlaut: „Ist zur Ergreifung der Katze das Betreten eines Privat- oder Betriebsgeländes erforderlich, sind die Grundstückseigentümer oder Pächter verpflichtet, dies zu dulden und die Stadt oder einen von ihr Beauftragten bei einem Zugriff auf die Katze zu unterstützen.“

Am Ratstisch wurde das wohl als eine Art Freibrief zum Hausfriedensbruch interpretiert. Dieter Mathes sah darin einen Verstoß gegen Paragraf 14 des Grundgesetzes. Demnach ist das Eigentum gewährleistet (Anmerkung der Redaktion). „Die Sätze sind bedenklich und müssen raus.“ Julia Baamann versicherte: „Es geht hier um Gartengrundstücke im Außenbereich, um die sich niemand kümmert. Und ohne die Beauftragung und Zustimmung der Verwaltung betritt auch so ein verlassenes Grundstück niemand.“ Und Lambertz ergänzte: „Niemand wird ungefragt auf einem Grundstück rumlaufen und Fallen aufstellen. Das geht alles nur über das Ordnungs- und Veterinäramt. Und natürlich wird der Grundstückseigentümer informiert.“

Gemutmaßt wurde, dass die vorliegende Katzenschutzverordnung aufgrund dieser Passagen rechtlich nicht haltbar sei. „Das klagt uns jemand weg“, war sich etwa Cornelia Stahl sicher. Baamann wies darauf hin, dass die vorliegende Verordnung auf einem Muster des Ministeriums für ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg basiert und schon in vielen Städten und Gemeinden in Kraft ist. Stahl fragte auch nach der Möglichkeit einer Befreiung von der Kastrationspflicht. Ein Antrag auf Ausnahme ist in der Verordnung vorgesehen. "Ein Grund für eine Ausnahme wäre, wenn man mit der Katze züchten will", so Lambertz. "Oder wenn gesundheitliche Einschränkungen, etwa ein Herzfehler, vorliegen. Aber sonst spricht nichts gegen eine Kastration."

Wie während der Debatte angekündigt, stellte Mathes dann den Antrag, Passagen zum Betreten von Privat- oder Betriebsgelände aus der Verordnung zu streichen. Die Mehrheit der Räte folgte dem Antrag. Und mit zwei Gegenstimmen wurde dann auch die geänderte Katzenschutzverordnung beschlossen. Sie tritt sechs Monate nach Bekanntmachung in Kraft.

Enttäuscht und angefasst verließen danach die meisten der Zuschauerinnen und Zuschauer den Sitzungssaal. Eine Frau trat an den Pressetisch und rang sichtlich bewegt nach Worten. „Wir sind gerade kastriert worden“, sagte sie. „Diese Verordnung ist rechtssicher und gilt bereits in Städten und Gemeinden in ganz Deutschland. Aber hier? Jetzt können wir gar nichts mehr machen.“

Kosten und Mehrbelastung

Die Kastration eines Katers kostet rund 30 Euro, die einer Katze 89 Euro. Bezahlt werden die Kastrationen von Tieren ohne Besitzer, die von Katzenfrauen eingefangen werden, aus einem gemeinsamen Topf der Fundtierkostenpauschale der Gemeinden im Landkreis Heidenheim (50 Prozent) und vom Kreistierschutzverein (50 Prozent). Die anteiligen jährlichen Kosten betrugen im Jahr 2024 für Herbrechtingen rund 10.700 Euro.

Zu einer Mehrbelastung für die Verwaltung würde es durch die Einführung der Katzenschutzverordnung nicht kommen, versicherte Julia Lambertz, stellvertretende Leiterin des Tierheims. Für das Einfangen der frei laufenden Katzen würden weiterhin die Ehrenamtlichen zuständig sein. Ziel sei es, eine rechtliche Grundlage für die ehrenamtlichen Helfer und auch für die Finanzierung zu schaffen.

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