Energieversorgung

Was sich durch die Modernisierung des Biomasse-Heizkraftwerks Herbrechtingen ändert

Der Gemeinderat hat seine grundsätzliche Zustimmung zur Modernisierung des Biomasse-Heizkraftwerks Herbrechtingen gegeben. Das bedeutet, dass auch die Ausweitung der Brennstoffe möglich sein soll.

„Riesenchance“ war das Wort der Stunde in der Sitzung des Gemeinderats am Donnerstag. Denn dass die Modernisierung des Biomasse-Heizkraftwerks (Bio-HKW) im Vohenstein an der B19 ein großer Gewinn für Herbrechtingen wäre, darin war man sich im Prinzip einig. Wie berichtet, möchte die WRZ-Hörger-Gruppe, zu der die Biomasse-Heizkraftwerk GmbH gehört, rund 20 Millionen Euro investieren, um das Kraftwerk fit für die Zukunft zu machen und einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb zu ermöglichen.

Genau das brauchen wir. Und wir haben es direkt vor der Haustür. Ich würde das als Jackpot bezeichnen.

Daniel Vogt, Bürgermeister Herbrechtingen

Ein wichtiger Baustein der Pläne: Das Bio-HKW produziert neben Strom auch Wärme, die bislang weitgehend ungenutzt bleibt. Um das zu ändern, will die GmbH auf eigene Kosten eine Fernwärmeleitung zur Heizzentrale der Technischen Werke (TWH) im Baumschulweg legen, um künftig Teile der Stadt mit Abwärme zu versorgen. Bürgermeister Daniel Vogt sieht darin eine wichtige Weichenstellung für die klimaneutrale Energieversorgung der Zukunft. Besonders hervor hob er die Grundlastfähigkeit des Bio-HKW, was bedeutet, dass es zu jeder Tages- und Nachtzeit und bei jeder Witterung Strom und Wärme erzeugt. „Genau das brauchen wir. Und wir haben es direkt vor der Haustür. Ich würde das als Jackpot bezeichnen.“

„Eine gute Lösung für Herbrechtingen“

Ähnlich eindeutig äußerte sich auch Marc Gräßle, Geschäftsführer der TWH. „Im Moment sind wir mit unseren beiden Blockheizkraftwerken komplett auf Erdgas fixiert“, fasste er den Ist-Zustand zusammen. Alternativen, wie Hackschnitzel, die Nutzung der Brenz oder Geothermie, habe man geprüft. „Wir beschäftigen uns seit Jahren mit diesen Themen. Unter dem Strich wäre der Anschluss ans Bio-HKW aus unserer Sicht eine extrem gute Lösung für die Bürger. Praktikabel, stabil und auch wirtschaftlich in Bezug auf den Preis für die Endverbraucher.“

Die Fernwärmeleitung ist nur ein Teil der Pläne von Hörger. Auf den neuesten Stand der Technik soll auch das Herzstück des Heizkraftwerks, der Kessel, gebracht werden. Inklusive Abgasreinigung. Das ermöglicht eine Ausweitung des Brennmaterials. Bislang werden unbehandelte Massivhölzer und Holzschnitzel, aber auch beschichtete oder lackierte Massivhölzer und Spanplatten verbrannt. Zugeordnet wird das alles den Altholzkategorien I und II. In Zukunft will man auch auf Altholz aus den Kategorien III und IV zurückgreifen. Dazu zählen Sperrmüll und imprägniertes Holz aus Gebrauchtmöbeln. Außerdem sollen Verpackungen und Abfälle aus der Papier- und Textilproduktion genutzt werden.

Die technische Optimierung macht es möglich, zusätzliche Brennstoffe schadlos zu verbrennen.

Frank Dröscher, Ingenieur aus Tübingen

Diese Erweiterung des Brennmaterials könnte zu Verunsicherung in der Bevölkerung führen, mutmaßte Jörg Ehlers (SPD). „Das Kraftwerk wird technisch optimiert, aber kommt in Zukunft mehr oder weniger Dreck aus dem Schornstein?“ Mit dieser Frage hatte sich im Vorfeld bereits das von der Stadt beauftragte Ingenieurbüro Dr. Dröscher aus Tübingen beschäftigt und eine Risikobewertung vorgenommen. Frank Dröscher erläuterte in der Sitzung: „Die technische Optimierung macht es möglich, zusätzliche Brennstoffe schadlos zu verbrennen.“ In Zukunft würden verschärfte Abgasgrenzwerte gelten. „Tendenziell wird die Schadstoffbelastung gleich bleiben oder geringer ausfallen als jetzt.“ Zumal die Anlage auch nicht vergrößert, sondern modernisiert werde. „Mit Abstrichen bei der Luftqualität ist nicht zu rechnen.“

Ein Grund dafür ist auch die 2500 Quadratmeter große Halle, die auf dem Areal neben dem Pelletswerk entstehen soll, um darin das angelieferte Brennmaterial zu sortieren, aufzubereiten und zu zerkleinern. Über neue, geschlossene Förderbänder gelangt das Material dann in den Kessel. Dieses geschlossene System ist ein wichtiger Aspekt für Dröscher. Denn in der Halle würden auch die Abluft erfasst und kontrolliert und Rückstellungsproben aufbewahrt. Die Kontrolle liege nicht beim Betreiber, sondern beim Regierungspräsidium Stuttgart als Genehmigungs- und Überwachungsbehörde.

Vereinbarung zu noch strengeren Regeln

Jakob Stark (SPD) war dennoch besorgt, dass sich unangenehme Gerüche nicht vollständig neutralisieren lassen. „Diese Sorge hat uns, als Anwälte der Stadt, auch beschäftigt“, entgegnete Dröscher. Das geltende Bundes-Immissionsschutzgesetz (17. BImSchV) regle den Stand der Technik, der einzusetzen ist, um schädliche Auswirkungen und Gerüche auszuschließen. „Aber wir wollen noch mehr.“ Deshalb soll es eine zusätzliche zivilrechtliche Vereinbarung zwischen Betreiber und Stadt geben, eine sogenannte Grunddienstbarkeit. Darin soll die Verbrennung von geruchsintensiven, infektiösen oder quecksilber-, PBC- oder schwermetallbelasteten Materialien pauschal ausgeschlossen werden. Dazu gehören Siedlungs- und Küchenabfälle, aber auch Grüngut. Zudem würden durch die Vereinbarung mit der Stadt verschärfte Regeln bei der Qualitätskontrolle und den Emissionsgrenzwerten gelten. „Und der Betreiber muss sicherstellen, dass nur in die Anlage kommt, was hineingehört.“

Entweder es wird stillgelegt oder die Brennstoffe werden erweitert.

Frank Dröscher, Ingenieur aus Tübingen

Auch Dröscher sieht im Weiterbetrieb des HKW eine Riesenchance für Herbrechtingen. Und grundsätzlich gebe es für die Zukunft des Kraftwerks eigentlich nur zwei Möglichkeiten, so Frank Dröscher. „Entweder es wird stillgelegt oder die Brennstoffe werden erweitert.“ Denn die bisher verbrannten Althölzer werden in Zukunft nicht mehr in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. Zum einen wegen der Konkurrenz durch Hackschnitzelanlagen, zum anderen, weil diese Althölzer vorzugsweise stofflich etwa in Form von Spanplatten weiterverwendet werden sollen.

Der Rat votierte einstimmig für das Erweiterungs- und Modernisierungskonzept, was einer Beschlussempfehlung gleichkommt. In der Sitzung am 15. Mai soll der Beschluss gefasst werden. Für das dann anstehende Genehmigungsverfahren, bei dem auch Bürger noch ihre Stellungnahme abgeben können, wird mit einem Jahr gerechnet.