Förderverein Eiszeitkunst im Lonetal

Gabriele Dalferth zeigte, wie am Vogelherd Musik gemacht wurde

Gabriele Dalferth informierte im Kloster Herbrechtingen umfassend und mit vielen Instrumenten über eiszeitliche Klänge, die auch selbst ausprobiert werden konnten.

Ein Konzert für Bovidenhorn, Schwirrer, Rahmentrommel, Hufrassel, Schraper und Isturitz-Flöte erlebten die Besucher am Dienstag im Kloster Herbrechtingen. Ungewöhnliche Instrumentierung? Nicht in der Eiszeit, in der ein solches Konzert wie von Gabriele Dalferth ausschnittweise präsentiert durchaus stattgefunden haben könnte. Aber wie hat man seinerzeit Musik gemacht, etwa auf den Flöten, die auch am Vogelherd gefunden wurden? Welche Bedeutung hatte Musik? Welche Verbindung gibt es zwischen Höhlenmalerei und Akustik? Und was hat es mit dem musikalischen Urbesitz auf sich?

Um all diese Themen drehte sich der Vortrag „Eiszeitliche Musik in Europa – Eine Reise durch die Klänge der Vergangenheit“ von Gabriele Dalferth, die als Musikerin, Pädagogin, Flötenbauerin, Archäoguide und Fachfrau gerade auf dem Gebiet der Eiszeit auch schon von „National Geographics“ gebucht wurde. Und wie immer hatte Dalferth eine Vielzahl von Instrumenten dabei, die in der Eiszeit für die musikalische Umrahmung gesorgt hatten: Mundbögen, Lithophon, viele unterschiedliche Flöten und natürlich die Besetzung für das eingangs erwähnte Konzert. Und wer Gabriele Dalferth kennt, der weiß: Die Instrumente sind nicht nur Anschauungsobjekte, Dalferth versteht es auch, diese zum Klingen zu bringen, und so erlebte das Publikum Klänge, wie sie auch in den Weltkulturerbe-Höhlen in Lone- und Achtal zu hören gewesen sein werden.

Töne aus Schneckenhäusern

Die vielen Details, die Dalferth über die Musik in der Eiszeit parat hatte, wurden durch diese musikalischen Kostproben locker durchmischt und sehr anschaulich – oder besser: hörbar – gemacht. Eierschalen, Knochen, Schneckenhäuser – auch diesen Dingen wusste Dalferth Töne zu entlocken, sodass sich bestens nachvollziehen ließ, wie die Inspiration zur Tonproduktion der eiszeitlichen Ahnen entstanden sein mag, die in ihren Höhlen über eine mächtige Akustik verfügt hatten. Und deren Resonanz durchaus ausnutzten: So konnte festgestellt werden, dass die Bilder, die Höhenmalereien häufig in der Nähe zu resonanten Orten angebracht wurden.

Ein Konzert für Bovidenhorn, Schwirrer, Rahmentrommel, Hufrassel, Schraper und Isturitz-Flöte erlebten die Besucher am Dienstag im Kloster Herbrechtingen. Markus Brandhuber

Dalferth schilderte auch die verschiedenen Arbeitsschritte, die notwendig waren, um eine Flöte aus Elfenbein herzustellen. Etwa hundert Stunden Arbeit und jede Menge Sorgfalt musste da an den Tag gelegt werden: „Das war eine technische Meisterleistung“, so Dalferth, und das, obwohl der Klang nicht stark von dem der Knochenflöten abweicht. Warum also der Aufwand? Die Gründe können entweder kultische Bewandtnis haben oder auch auf Prestigebewusstsein schließen. Apropos Kult: Im ukrainischen Mezine haben Funde gezeigt, dass es offenbar Alltagsbehausungen wie auch besondere Orte für Feste und Zusammenkünfte gab. Die ersteren sind diejenigen, in denen reichlich alltägliche Dinge anzufinden waren, und die zweiteren diejenigen, die Schmuck, Geweihen und Figuren als Funden aufwarten konnten. Das ist auch in der hiesigen Gegend festzustellen: Die Hohlenstein-Höhle war also eher Kultstätte, der Vogelherd die Wohngegend.

Musik als Urbesitz des Menschen

Auch wenn logischerweise weder Tonaufzeichnungen noch Musik noch Texte aus der Eiszeit vorhanden sind, so lässt sich doch feststellen, wie Musik eingesetzt wurde. Abbildungen von tanzenden Frauen zeigen, dass Tanz stattgefunden hat, Phalangenpfeifen mit ihrem schrillen Ton mochten auf der Jagd Tiere zum Stillstehen bewegt haben, so wie sie auch tausende von Jahren später zur Erziehung von Rentieren genutzt werden.  Und die Bedeutung von Musik hat sich in all den tausenden von Jahren nicht so sehr geändert: Nach wie vor übt sie eine gesellschaftliche Funktion aus, fördert die Gemeinschaft, stiftet Identität, dient spirituellen und kultischen Zwecken, aber auch zur Machtdemonstration. „Und leider stimmt es auch nicht, dass böse Menschen keine Lieder haben“, so Dalferth in ihrem ebenso fundierten wie launigen Vortrag.

Und was ist denn nun der Urbesitz des Menschen? Dalferth klärte auch das auf: Klatschen, Stampfen, Klopfen, das ist es, was der Mensch bereits in sich trägt und mit dem er bewusst oder unbewusst musiziert, heute wie vor 40.000 Jahren. Wesentlich schwerer ist es da schon, den eiszeitlichen Flöten Tönen zu entlocken. Das konnten die Zuhörer selbst feststellen, denn Gabriele Dalferth hatte aus Bambushalmen kleine Flöten mit Kerben und Löchern gebastelt, in denen die Flötentöne selbst ausprobiert werden konnten. Und wenn überhaupt ein Ton produziert werden konnte, dann war das Zusammenspiel eine rechte Dissonanz – und das ist ja vielleicht genau der passende Abgesang. Denn das war der letzte Vortragsabend des vor der Auflösung stehenden Fördervereins Eiszeitkunst im Lonetal, den dieser in Kooperation mit der Volkshochschule Herbrechtingen veranstaltete. Deswegen, aber vor allem aber wegen des Themas und der Referentin hätte der Abend mehr als die gerade mal eine Handvoll Besucher verdient gehabt: Wer bringt die Flötentöne schon so kompetent bei wie Gabriele Dalferth.

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