Neue Richtlinie

Wie das Herbrechtinger Punktesystem zum Bauplatz führt

Der Herbrechtinger Gemeinderat hat neue Vergaberichtlinien für Bauplätze beschlossen. Ein Punktesystem soll künftig für Rechtssicherheit sorgen. Woran es hingegen im Rat Kritik gab.

Wie das Herbrechtinger Punktesystem zum Bauplatz führt

Im Juli soll die Vergabe der verbliebenen Bauplätze im Herbrechtinger Baugebiet „Lehmgrube“ neu starten. Eine entsprechende Richtlinie hat der Gemeinderat bei einer Gegenstimme und drei Enthaltungen beschlossen. Umstritten war dabei vor allem, dass Ehrenämter nicht in die Bewertung der Interessenten einfließen werden.

Mit ihren neuen, von Kämmerin Heike Lessner ausgearbeiteten Richtlinie verfolge die Stadt das Ziel, Bauplätze möglichst transparent und rechtssicher zu vergeben. Entsprechend komplex gestalten sich die auf 14 Seiten versammelten neuen Regeln. Bewerber um einen Bauplatz werden künftig nach einem Punktesystem bewertet. Sie tragen ihre Daten auf einer Online-Plattform ein und müssen verschiedene Nachweise hochladen. Die Software vergibt je nach Angaben Punkte, und die Bewerber mit den meisten Punkten erhalten den Zuschlag.

Die Kriterien zur Punktevergabe sind allerdings recht vielfältig. So erhalten beispielsweise Ehepaare und Lebenspartner die doppelte Punktzahl, weil, so heißt es in der Sitzungsvorlage, „Ehe und Familien besonders gefordert werden sollen und unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen“. Daher gibt es auch Punkte für Kinder – sogar schon ab der zwölften Schwangerschaftswoche. Je jünger die Kinder, desto mehr Punkte gibt es, weil man annimmt, dass sie über einen längeren Zeitraum hinweg eine „soziale Integrationsfunktion“ übernehmen. Auch pflegebedürftige oder schwerbehinderte Haushaltsangehörige führen zu mehr Punkten.

Paare und Kinder bringen in Herbrechtingen viele Punkte

Neben diesen sozialen Kriterien gibt es auch sogenannte Ortskriterien. Ortsansässige Bewerber haben danach einen Vorteil, weil man ihnen anrechnet, bereits Teil der örtlichen Strukturen zu sein, zum Beispiel über Mitgliedschaft in Vereinen. Auch auswärtige Bauplatzinteressenten mit einem Arbeitsplatz in Herbrechtingen genießen einen gewissen Vorteil gegenüber Bewerbern, die etwa in Heidenheim leben und in Giengen arbeiten.

Weil alleinstehende Personen ohne Kinder nach diesen Regeln keine Aussicht auf einen Bauplatz hätten, fließen die Bewerbungen künftig in zwei unterschiedliche Listen. Auf Liste A werden die Punkte aus den Sozial- und Ortskriterien summiert. Auf Liste B finden sich Bewerber ohne Kinder wieder, dort werden die Ortskriterien nicht berücksichtigt. Ein Reißverschlussverfahren sorgt dafür, dass nach drei Bewerbern von Liste A ein Bewerber von Liste B zum Zuge kommt.

Die neue Vergaberichtlinie wurde nötig, nachdem der Gemeinderat das 1996 eingeführte Regelwerk aufgehoben hatte. Grund war, dass es nicht mehr der aktuellen Rechtslage entsprach und damit anfechtbar war. Dis bis dahin geführte Interessentenliste wurde aufgelöst.

Herbrechtinger Räte vermissen Punkte für das Ehrenamt

Dass die neue Richtlinie ehrenamtliches Engagement nicht berücksichtigt, rief im Gemeinderat viel Kritik hervor. Walter Fuchslocher (SPD) wollte zumindest Feuerwehrangehörige bevorzugt wissen. Kämmerin Lessner entgegnete, die Stadt Ulm habe diesen Weg versucht, sei damit aber auf die Nase gefallen. Hermann Mader (FWV) möchte das Ehrenamt fördern, zumal es ohnehin schwierig sei, Menschen dafür zu gewinnen. Um die Bauplatzvergabe nicht weiter zu blockieren, regte Mader aber an, zu einem anderen Zeitpunkt nach Möglichkeiten zu suchen, wie ehrenamtlich Tätige gefördert werden könnten.

Das Ehrenamt wird von der Politik traktiert.

Martin Müller, FWV-Gemeinderat

„Das Ehrenamt wird von der Politik traktiert, wo es nur geht“, klagte Martin Müller von der FWV. „Wir sind auf einem üblen Weg und müssen uns fragen, wie wir dem Ehrenamt entgegenkommen können“, so Müller. Dem stimmte auch Bürgermeister Daniel Vogt zu. Sollten sich Möglichkeiten ergeben, werden die Verwaltung damit wohl offene Türen beim Gemeinderat einrennen. „Heute können wir das aber nicht vorschlagen“, so Vogt.

„Wir sollten dem jetzt zustimmen“, mahnte Manfred Straß (CDU) an und stellte die Frage in den Raum, wie man ehrenamtliches Engagement überhaupt bewerten wolle: „Jemand, der als Schriftführer einmal im Jahr den Jahresbericht schreibt, ist ebenso im Ehrenamt wie einer, der acht Stunden pro Woche tätig ist.“

Dieter Mathes (CDU) lehnte die Richtlinie rundweg ab. Er sei mit seiner Frau vor 35 Jahren ohne Kinder nach Herbrechtingen gezogen. „Heute hätten wir keine Chance mehr, einen Bauplatz zu bekommen“, sagte er. Als Jurist wisse er aber auch, wann er sich beugen müsse. Auch Matthias Sturm von der FWV-Fraktion fremdelte erklärtermaßen mit der Richtlinie.

In der “Lehmgrube” in Herbrechtingen gibt es zehn freie Plätze

Nach dem Beschluss für die neue Richtlinie soll der Gemeinderat im Juli zunächst den Start des Vergabeverfahrens in der „Lehmgrube“ beschließen. Dort sind laut Verwaltung aktuell noch zehn Bauplätze frei. In einem späteren Schritt soll die Vergabe der Plätze im Baugebiet „Viehweide Nord“ in Bolheim folgen. Dort können 16 Einfamilienhäuser sowie Doppel- und Reihenhäuser entstehen. Per Beschluss legte der Gemeinderat den Quadratmeterpreis für Herbrechtingen auf 250 Euro fest, in Bolheim bleibt er bei 240 Euro.