Wie ein nächtlicher Streit zwischen Jugendlichen in Herbrechtingen außer Kontrolle geriet
Sieben Zeuginnen und Zeugen waren am Mittwoch zu einer Verhandlung vor dem Heidenheimer Amtsgericht geladen. Sie sollten die Frage aufklären helfen, ob sich ein 45-Jähriger Herbrechtinger im Dezember vergangenen Jahres der Nötigung und Körperverletzung schuldig gemacht hatte. Ein jugendlicher Zeuge erschien nicht und ließ über einen weiteren Zeugen ausrichten, er habe „keine Lust auf Gericht“. Richter Dr. Christoph Edler wiederum hatte keine Lust auf diese Begründung und verhängte ein Ordnungsgeld über 150 Euro.
Ob der junge Mann Erhellung in den Gerichtssaal gebracht hätte, kann man wohl bezweifeln. Nach sechs Aussagen war nämlich bereits klar geworden, dass es ein Dreivierteljahr nach der mutmaßlichen Tat viele Widersprüche und einige Erinnerungslücken gab.
Geschrei, Beleidigungen und Schläge auf dem Herbrechtinger Schulhof
Unbestritten war, dass eine zwölfjährige Herbrechtingerin an einem Abend Mitte Dezember 2022 von einem etwas älteren Mädchen aus ihrer ehemaligen Clique aufgefordert worden war, zum Pausenhof des Schulzentrums zu kommen. Dort sollte ein nicht näher benannter Konflikt geklärt werden. In der Annahme, dass die andere Jugendliche übergriffig werden wollte, ging die Mutter mit zum Treffen. Dort trafen sie auf weitere Jugendliche, die Lage eskalierte recht schnell, man schrie sich an und beleidigte sich offenbar gegenseitig. Die Mutter gab an, ihr seien Haare ausgerissen worden, sie wiederum soll einem Mädchen mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Dass Richter Edler die Situation als „dynamisch“ bezeichnete, ist wohl eine sehr vorsichtige Umschreibung für eine Gemengelage, in der kaum jemand besonnen agierte.
Letztlich blieb auch unklar, wer die Polizei rief. Sicher ist nur, dass noch vor dem Eintreffen der Beamten der Vater der Zwölfjährigen von seiner Frau an den Ort des Geschehens gerufen wurde. Auch weitere Eltern trafen ein. In dem Gerangel, das eine Zeugin als „Lärm und Chaos“ beschrieb, passierte, was den Vater am Mittwoch vor Gericht brachte.
Nach seiner Erinnerung wurden seine Frau und seine Tochter von mehreren Personen verfolgt, er habe sich dazwischengeworfen, um die Verfolgenden aufzuhalten. Dabei sei eine andere Mutter in seine ausgestreckte Hand gelaufen, ein Jugendlicher habe nach ihm getreten, wogegen er sich gewehrt habe. Angeklagt war der Mann, weil die Staatsanwaltschaft annahm, er habe die Frau gewürgt und damit nicht nur verletzt, sondern auch genötigt. Einen Jugendlichen habe er durch Tritte verletzt.
Die Vorwürfe sind nach den Zeugenaussagen weitgehend entkräftet
Einige Zeugen hatten den Vorfall anders wahrgenommen: Der Angeklagte sei auf die Gruppe zugeeilt, habe nach Personen getreten. Die laut Anklage genötigte Frau sagte wiederum aus, er habe ihr zwar an den Hals gegriffen und sie von sich weggeschoben, sie sei aber nicht ernstlich verletzt worden. Auch der getretene Jugendliche sagte, die getroffene Stelle habe höchstens eine Nacht lang etwas weh getan.
Von den Geschädigten wurde der Angeklagte, der ohne Rechtsanwalt vor Gericht erschienen war, damit in so hohem Maße entlastet, dass der Staatsanwalt nach dem Ende der Beweisaufnahme sagte, eine Nötigung sei nicht nachzuweisen gewesen. Richter Edler fügte hinzu, von der Gruppe seien Provokationen ausgegangen, alle Beteiligten hätten ihren Anteil an der Eskalation gehabt. Dem Vorschlag Edlers, das Verfahren gegen eine Auflage von 40 gemeinnützigen Arbeitsstunden einzustellen, stimmte der Staatsanwalt umgehend zu. Der Angeklagte war ebenfalls zufrieden und schlug umgehend vor, wo er seine Stunden ableisten könnte - nämlich dort, wo er die letzten Sozialstunden auch abgeleitet hatte.