Es gibt schlimmere Arbeitsplätze als diesen: ein 0,8 Hektar großer Gemüse-Acker, der in verschiedenen Grüntönen in der Morgensonne leuchtet, der Boden noch leicht feucht vom Regen in der Nacht und mit Ausblick auf die Felsformationen am Rande des Eselsburger Tals.
Es ist der Arbeitsplatz von Christoph Bosch und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich bei der Biotal-Hofgemeinschaft in Eselsburg um den Gemüse-Anbau kümmern. Tatsächlich ist der Hof einer der sehr wenigen im Landkreis Heidenheim, der auf einem Acker eine solche Vielfalt von Gemüse anbaut und im eigenen Hofladen direkt weiterverkauft. Warum das so sein könnte, wird schnell klar: Es ist einfach sehr viel Arbeit und Aufwand. „Wir haben einen Mitarbeiter hier, der sich in Vollzeit um das Gemüse kümmert“, sagt Bosch. Und das weitestgehend in Handarbeit: Das Gemüse wird von Hand gesät oder gesteckt, gepflegt und geerntet. Nur beim Bewässern kommt eine Sprenger-Anlage zum Einsatz. „Wir müssen leider mit Leitungswasser gießen, weil wir keinen Brunnen haben“, sagt Bosch. Ein Wermutstropfen.
Chemische Mittel? Fehlanzeige
Gedüngt wird lediglich mit Mulch oder eigenem Kompost, Schädlingsbekämpfung findet einzig und allein auf natürliche Weise statt: „Wir haben hier viele Eidechsen, die sich von Insekten ernähren“, erklärt Bosch. Einen kleinen Bereich auf dem Acker haben die Biotal-Mitarbeiter für die tierischen Helfer reserviert: Ein Steinhaufen bietet ihnen Unterschlupf. Ansonsten wird der Kohl noch mit Kulturschutznetzen abgedeckt. Chemische Mittel? Fehlanzeige.
Auf dem Acker wird eine große Vielzahl unterschiedlicher Gemüsearten angebaut: vom Salat, über Kohlarten, Mangold, rote und gelbe Bete, Zucchini, Kräuter, Karotten, Fenchel, Lauch, Paprika und Tomaten. Und das, obwohl das raue Ostalb-Klima sicherlich nicht für alle Arten geeignet ist. „Die Großbetriebe für den Gemüse-Anbau in Baden-Württemberg findet man auch nicht auf der Schwäbischen Alb, sondern eher Richtung Stuttgart oder Bodensee“, sagt Bosch.
Der Anbau im Tal funktioniert deshalb auch schon immer nach dem Motto „Trial and Error“, Versuch und Irrtum. Beispiel Tomaten: Die werden in Eselsburg unter freiem Himmel und nicht im Gewächshaus angebaut. „Nicht alle Sorten vertragen die Feuchtigkeit vom Regen gut. Deshalb mussten wir unterschiedliche Sorten ausprobieren.“ Und: Die Tomaten werden jetzt erst richtig reif. Eigentlich sehr spät für das südländische Gemüse, das wiederum ist aber nun einmal dem Klima und dem Wetter in diesem Jahr geschuldet.
Nur Dünger aus Mulch, Kompost und Kuhmist
Gedüngt wird auf dem Acker schon, allerdings einzig und allein mit Mulch von der Wiese und mit Kompost vom Hof. „Der Boden, auf dem später der Stickstoff liebende Kohl wachsen soll, wird mit Kuhmist gedüngt“, so Bosch. Und von dem gibt es auf dem Hof, auf dem auch etliche Kühle leben, natürlich genug.
Überhaupt sind der Anbau und der Verkauf des Gemüses vom Acker nicht das Hauptstandbein der Hofgemeinschaft. Das ist die Milch: Milch und Milchprodukte werden nicht nur im Hofladen verkauft, sondern auch vom Milchmobil direkt zu den Kunden nach Hause gebracht. Käse wird in der hofeigenen Käserei hergestellt, der Erdbeer-Joghurt der Hofgemeinschaft wurde im vergangenen Jahr sogar mit der „Goldenen Milchkanne“ ausgezeichnet. Crème fraîche, Butter, Sahne und Co. gibt es nicht vom Hof direkt. „Das liegt daran, dass wir die Milch nicht auftrennen, sondern mit dem ursprünglichen Fettgehalt weiterverarbeiten“, erklärt Bosch.
Auch das große Hofcafé hat sich mittlerweile sehr gut etabliert und der neu gebaute und 2019 eröffnete Hofladen zieht Kundinnen und Kunden aus der ganzen Region an. Wer den Laden betritt, steht erst einmal vor dem bunten Gemüseregal. Nicht alles davon ist zu jedem Zeitpunkt aus dem eigenen Anbau, manches ist über Großhändler aus der Region zugekauft, manches aus Biobetrieben in Deutschland. Nicht alles wächst eben das ganze Jahr über im Eselsburger Tal. Ein Geheimnis macht die Hofgemeinschaft daraus nicht: Jedes Produkt im Laden wird farblich gekennzeichnet: aus eigener Herstellung, aus der Region oder eben bio aus Deutschland.
Nur eine Frage des Preises?
Christoph Bosch ist Direktvermarkter aus Überzeugung: „Die Wertschöpfung entsteht in der Region und sie bleibt auch in der Region“, sagt er. „Unsere Kunden können über den Hof gehen und sich vor Ort ansehen, woher die Lebensmittel kommen, die sie einkaufen.“ Das ist im Supermarkt eben nicht der Fall: Das Label „Regional“ wird da von jedem Unternehmen anders ausgelegt. Bei Bosch bedeutet regional: aus einem Umkreis von höchstens 70 Kilometern. Und was geht, kommt vom Hof direkt.
Ja, Bio-Lebensmittel generell und auch die direkt auf dem Acker angebauten Gemüsearten sind teurer als das Gemüse, das man im Discounter kaufen kann. Aber: Auf dem Hof ist alles Handarbeit, es wird kein Dünger verwendet, es werden keine Pestizide gespritzt und der Transportweg des Gemüses beträgt geschätzt 150 Meter vom Acker ins Regal. Und wer hätte das gedacht? „Bio-Lebensmittel waren weniger von der erhöhten Inflation betroffen“, erklärt Bosch. „Wir mussten nicht mehr für Dünger zahlen, den wir nicht verwenden, und nicht mehr für Energie, die wir bei der Handarbeit nicht benötigen.“
Anbau nach dem Konzept „Market Gardening“
Das Gemüse auf dem Biotal-Hof in Eselsburg wird nach dem Konzept „Market Gardening“ angebaut: möglichst viel unterschiedliches Gemüse auf möglichst kleiner Fläche für den eigenen Hofladen und nicht für den Supermarkt.
Der Biotal-Hofladen hat montags bis freitags von 8.30 bis 18. 30 Uhr und samstags von 7.30 bis 16 Uhr geöffnet.