Krautgarten für Anfänger: Am Ende gewinnt das Unkraut?
Die Hände sind nicht zum Arbeiten geschaffen. Diesen Satz kennt meine Ma. Weil ich ihn predige. Seit Jahrzehnten. Ja, noch heute lacht sie darüber. Was soll sie auch sonst tun? Ihr ältester Sohn hat zwei linke Hände. Zumindest macht er es sich damit einfach, dies zu behaupten. Natürlich, ich gehe einer Arbeit nach. Brav, wie ich bin. Wobei man als Büromensch, auch ein Sportredakteur ist das größtenteils in seinem Berufsleben, natürlich auch etwas leistet. Aber: Am Ende des Tages sind es – überspitzt gesagt – „nur“ gedruckte Worte.
Auch in Osnabrück, wo ich aufgewachsen bin, gibt es Landwirtschaft. Es gibt Felder und es gibt Tiere. Mit dem allen hatte ich aber nichts am Hut. Stadtmensch, als so einen würde ich mich bezeichnen. Vielleicht erklärt dies auch, warum mir beim Anblick von Pferden noch immer ein lautes „Pferde!“ entweicht. Faszination eines kleines Kinds. Kühe sind auch toll. Und Ziegen erst. Ich liebe Ziegen.
Rund um Hermaringen, meiner neuen Heimat, gibt es genügend Ziegen. Und wenn diese über die Bahnschranken getrieben werden, kann sich die Familie auf tolle Fotos freuen. „Schon gehört? Edgar hat Ziegen gesehen.“ Und in Hermaringen gibt es eine Kleingartenkolonie. Nur durch Glück kommt man an einen Streifen Erde, den man alleine zum Leben erwecken kann. Völlig verrückt, würde das Osnabrücker Städter-Herz sagen.
Doch auch dies nickt anerkennend: Jeder Tag unterhalb des Heckenbergs ist ein kleines Abenteuer. Dafür vorausgesetzt: Die Hände müssen arbeiten. Und zwar in dem Sinn, dass sie dreckig werden. Erde unter den Fingernägeln? Alles richtiggemacht!
Doch besonders in der aktuellen heißen Periode des Sommers ist es eine Herausforderung – für Körper und Kopf. Will ich wirklich da raus? Muss das jetzt sein? Es muss, Regelmäßigkeit ist Trumpf. Leicht dahingetippt – mit den Händen, die jetzt Kratzer haben. Von dem bisschen „kräutern“? Nicht davon, aber vom Unkraut herausziehen. Auch dank des ausgiebigen Regens hat das Unkraut Oberhand genommen. Wobei die unmittelbaren Krautnachbarn Mustafa und Salvatore ohnehin sich den ein oder anderen Spaß erlauben. Immer noch da? Natürlich! Diesen „Mustergarten“ aufgeben? Niemals!
Neben einigen Tipps (nicht zu viele Steinplatten als Weg auslegen, da darunter das Unkraut hervorragend wachsen kann; lieber morgens als abends gießen usw.) gibt es auch reichlich Zuspruch. Was besonders guttut, wenn man zuvor eine Stunde lang Unkraut aus der Erde gezogen hat – ohne, dass sich am Gesamtbild etwas verändert hätte. Die Bezeichnung für diese Art von Unkraut sitzt noch immer nicht. Nach und nach wird es aber aus der Erde gezogen. Reihe um Reihe um Reihe. Oha! Immer mehr Gemüse, die „guten“ Pflanzen kommen zu Vorschein. Besonders Verlass ist auf die Zucchinipflanzen, die fast genau so viel Treiben wie Unkraut.
Und wenn dieses eine bestimmte Größe erreicht hat, gibt es nur eins: ab auf die Knie und rann da mit den Händen. Aber: Dabei kann man besonders gut abschalten. Im Büro ist es gerade stressig? Geschenkt! Der Boss ist mal wieder ungerecht? Vergessen! In diesem einen Augenblick – auf der Erde herumkriechend. Warum tust du das? Auch darum!
Aber auch wegen der farbenfrohen Ausbeute. Natürlich. Mangold, Kohlrabi, Bohnen (es gibt viele verschiedene Arten, die Namen sitzen noch immer nicht), die letzten Gurken der Saison, Zucchini und Salat. Das kann sich doch sehen lassen für einen Tag. Nur ein Gedanke, als der Schweiß in die Augen fließt. Auf jeden Fall sind diese Hände zum Ernten geschaffen…
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