Aktiv im Alter

Mit 86 Jahren will Ute Fehrle aus Hermaringen noch lange nicht aufs Abstellgleis

Die Hermaringerin Ute Fehrle hat ihr eigenes Rezept gefunden, mit dem Alter umzugehen und wünscht sich mehr generationenübergreifende Projekte. Dafür engagiert sie sich auch selbst und bietet Kurse an.

Von gleichaltrigen Menschen ist Ute Fehrle manchmal ganz schön genervt. Gejammer über die Defizite des Alters gehen ihr gegen den Strich. Die 86-Jährige überlegt sich lieber, welches interessante Thema sie als Nächstes für sich erobern könnte. Ihr neuestes Projekt ist ein Trommelkurs. Das sei richtig toll zum Stressabbau, findet sie.

Auch Bewegung ist für sie ein wichtiges Thema, denn Muskeln könne man auch bis ins hohe Alter aufbauen. Nach der Operation ihrer beiden Kniegelenke läuft sie inzwischen wieder regelmäßig mit ihrer Frauengruppe rund fünf Kilometer. Die Gruppe hat Ute Fehrle über den Bürger-Mitmach-Dialog gefunden, den das Ärztepaar Dr. Anne-Gritli Göbel-Wirth und Dr. Sebastian Göbel in Hermaringen angestoßen hat. Die Idee ist, dass ein gutes soziales Miteinander dazu beitragen kann, dass sich Menschen gesundheitlich besser fühlen. Denn Einsamkeit kann krank machen. Auch Ute Fehle kennt Zeiten der Einsamkeit. Nach dem Tod ihres Mannes vor 15 Jahren sei sie in ein Loch gefallen und habe sich neu motivieren müssen. Inzwischen sei das Alter für sie einfach nur eine Zahl. Sie ist in verschiedenen Gruppen des Mitmach-Dialogs aktiv und will selbst anderen eine Plattform bieten für Begegnung. Ute Fehrle öffnet dafür ihr Zuhause und bietet einen Kurs im eigenen Wohnzimmer an. Sie sucht dafür Gleichgesinnte, die Lust darauf haben, alte Techniken vom Wolle spinnen bis filzen, auszuprobieren oder auch eine ganz andere Idee mitbringen.

Von Lehnstuhl und Strickstrumpf noch weit entfernt

Obwohl Ute Fehrle vielseitig interessiert ist, sei es für sie nicht immer einfach, Anschluss zu finden. Menschen jenseits der 80 würden sich viel zu oft hinter einem Satz wie „Das kann ich halt jetzt nicht mehr“ verstecken und sich selber aufgeben, findet die pensionierte Lehrerin. Von „Lehnstuhl und Strickstrumpf“ sei sie aber weit entfernt. „Ich hab´ einfach vergessen, wie alt ich bin“, erklärt sie mit einem Augenzwinkern. Gleichwohl gibt sie aber zu, dass sie nicht gerne ihr Alter nennt, wenn sie danach gefragt werde. Ungläubiges Staunen ist nur eine Reaktion, denn Ute Fehrle sieht man ihr Alter bei weitem nicht an. Zu häufig habe sie aber erlebt, dass sie plötzlich aufs Abstellgleis geschoben werde. Sie habe oft das Gefühl, dass ihr dann plötzlich sehr viel weniger zugetraut werde und das mache sie richtig sauer. 

Allerdings gibt sie auch zu, dass sie früher selbst solche Vorurteile hatte. Beispielsweise über ältere Personen am Steuer. Heute muss sie darüber lachen, denn für die 86-Jährige ist es ganz selbstverständlich, auch weite Strecken selbst zu fahren.

Von der Lebendigkeit jüngerer Menschen profitieren

Ute Fehrle findet, dass die Gesellschaft umdenken müsse und es viel mehr Gelegenheiten geben sollte, bei denen Menschen unterschiedlichen Alters aufeinandertreffen. „Seniorennachmittag“ klinge für sie einfach ziemlich langweilig. Sie versuche vielmehr, mit Jüngeren in Kontakt zu kommen und von deren Lebendigkeit zu profitieren. Der Bürger-Mitmach-Dialog mit seinen verschiedenen Veranstaltungen biete dazu ideale Möglichkeiten.

Kreative Ideen schlummern viele in der Seniorin. Sie hat schon Wolle selbst gesponnen und anschließend zu kunstvollen Teppichen verwebt und eine kleine Schmuckwerkstatt betrieben. Das liege ihr wohl im Blut, da ihre Vorfahren mütterlicherseits Goldschmiede gewesen seien. Ihre kleinen Schmuckstücke aus Silber hatten in einer Boutique in Stuttgart viel Anklang gefunden und auch die aus Glasperlen hergestellten kleinen Kunstwerke. Und wie sie so erzählt, entsteht auch schon die nächste Idee. Ein Kurs mit Perlenarbeiten könnte ja vielleicht auch Interesse wecken.

Also vorausgesetzt, sie findet dafür Zeit, denn es gebe noch viele andere interessante Dinge und Aufgaben. Als Nächstes müsse sie den Roman gegenlesen, den ihr Sohn Gerdt geschrieben habe. Auf dem Sideboard stapeln sich die 400 Seiten des Manuskripts. Und bald möchte Ute Fehrle auch wieder reisen. Am liebsten auf einem kleinen Postschiff im hohen Norden, da hat sie schon mal die Nordlichter erlebt. Kein komfortables Kreuzfahrtschiff? „Auf keinen Fall“, sagt sie, da sehe und spüre man überhaupt nichts vom Meer. Im Moment müsse sie sich aber um ihre kranke Hündin Olga kümmern, deren Tage gezählt sind.

Aber was ist nun das Geheimnis, das die 86-Jährige so fit hält? Sie hat es verraten: viel Bewegung von Bauchtanz bis Yoga, gesunde Ernährung mit viel Bio-Gemüse, ein großer Wissensdurst mit immer neuen Herausforderungen und – ganz wichtig – viele Begegnungen mit anderen Menschen.

Wer will mitmachen?

Informationen über die verschiedenen Angebote des Hermaringer Bürger-Mitmach-Dialogs gibt es unter www.mitmach-buerger-dialog.de. Dort finden sich auch die jeweiligen Ansprechpartner. Wer selbst ein Angebot machen möchte oder eine Idee hat, kann sich jederzeit einbringen. Die Gruppe ist auch immer auf der Suche nach günstigen Räumlichkeiten, in denen die Zusammenkünfte stattfinden können.

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