Nächstes Ziel ist jetzt die Umsetzung des „Lebensgarten grüne Aue“, einem Zentrum für erweiterte ganzheitliche medizinische Versorgung. Warum das länger dauert als geplant.
Es war eine Vision, mit der das Ärztepaar Anne-Gritli Göbel-Wirth und Sebastian Göbel nach Hermaringen gekommen ist und die sicher von vielen Menschen anfangs nicht allzu ernst genommen wurde. Mit einer Bürgergenossenschaft wollten sie ganzheitliche Gesundheitsfürsorge für alle Menschen, unabhängig vom Geldbeutel, zugänglich machen. Inzwischen haben die Göbels und mit ihnen eine ganze Anzahl von Mitstreiterinnen und Mitstreitern bewiesen, dass das sogar sehr gut funktioniert. Erst vor kurzem sind die neuesten Zahlen bei der Generalversammlung der „Bürgergenossenschaft grüne Aue“ auf den Tisch gekommen: 460 Mitglieder unterstützen mit ihren monatlichen Beiträgen die Ziele der Genossenschaft. „Eine unglaubliche Bestätigung“, findet Dr. Sebastian Göbel, für ihn sei das der Beweis, dass sich auch Visionen umsetzen lassen, wenn diese Hand und Fuß haben. Trotz großem Arbeitseinsatz und viel Optimismus, mit solchen Mitgliederzahlen in so kurzer Zeit hätten sie selbst nicht gerechnet, gesteht Anne-Gritli Göbel-Wirth.
Auch Ärztenachwuchs ist interessiert an neuen Wegen
Die Idee, dass hier eine neue Form der medizinischen Versorgung entstehen kann, scheint zunehmend Beachtung zu finden, wie auch die vielen Anfragen interessierter Gruppen aus ganz Deutschland zeigen. Das Thema Hausärztemangel dürfte hier auch eine Rolle spielen, vermuten die Göbels. Während andere Praxen mangels Nachfolge geschlossen werden müssen, erreichen die Hermaringer Praxis Anfragen von jungen Ärztinnen und Ärzten. Offenbar schätzen es nicht nur die Patientinnen und Patienten, dass sich durch die Querfinanzierung der Genossenschaft mehr Zeit für sie genommen wird, es ermöglicht auch eine andere Form des Arbeitens.
Die Hermaringer Bürgerinnen und Bürger müssen sich also um ihre medizinische Versorgung wohl eher keine Sorgen machen. Allerdings setzen die Räumlichkeiten der Arztpraxis gewisse Grenzen.
Das Projekt braucht noch mehr Menschen und auch Geld
Aber da gibt es ja auch noch die Vision eines Gesundheitszentrums auf der freien Fläche hinter dem Gebäude der Praxis am Bahnhof. Hier sollen Räume entstehen, die soziales Miteinander fördern, in denen aber auch erweiterte medizinische Versorgung bis hin zu Belegbetten angeboten werden könnte. Das Modell dazu haben die Göbels schon vor längerem vorgestellt und auch auf eine schnellere Umsetzung gehofft. Für sie zeige sich jetzt aber, dass es noch mehr Zeit und mehr Menschen brauche, um das Projekt zu entwickeln. „Es muss langsamer wachsen, als wir dachten“, so Anne-Gritli Göbel-Wirth, auch wenn man sich die Umsetzung dieses Gesundheitsortes für Körper und Geist sehr wünsche. Ziel sei eine tragfähige weitere Projektentwicklung, ergänzt ihr Mann. Letztendlich wird auch die Finanzierbarkeit eine Rolle spielen, für die es gelte ein Netzwerk zu knüpfen und Stiftungen, Firmen oder auch Privatpersonen für die Sache zu begeistern.
Die Menschen in Hermaringen sind auf alle Fälle bereit, sich in das Projekt einzubringen. Das zeigt der wachsende Einsatz, wie beispielsweise der von Daniela Pröll. Die junge Mutter aus Hermaringen ist im Vorstand und hat die Mitgliederführung übernommen. Sie habe sich für ihre Familie eine ganzheitliche Medizin gewünscht und sei deshalb auch bereit, sich dafür einzubringen.
Im Moment ist das Baugrundstück für den geplanten „Lebensgarten grüne Aue“ reserviert. Dafür hat der Hermaringer Gemeinderat den ursprünglichen Plan für den Bau von seniorengerechten Bungalows gecancelt. Was aber wäre, wenn ein Investor Interesse an dem Grundstück zeigen würde? Würden die Mitglieder des Gemeinderates, die bisher voll hinter dem Gesundheitsprojekt stehen, doch in Versuchung geraten, nachdem die finanzielle Lage der Gemeinde eher angespannt ist?
Bürgermeister Jürgen Mailänder, der selbst geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Bürgergenossenschaft ist, glaubt das nicht. Es sei von vorneherein klar gewesen, dass ein solches Projekt nicht von heute auf morgen realisiert werden könne. „Im Hinblick auf die Entwicklung der ambulanten Gesundheitsversorgung in unserem Landkreis wäre es aus meiner Sicht nicht klug und zukunftsweisend, sich die Chance auf eine nachhaltige medizinische Versorgung vor Ort unnötig zu verbauen“, betont er.
Sebastian Göbel und Anne-Gritli Göbel-Wirth blicken zuversichtlich in die Zukunft und setzen auf Zeit. Sie hatten immer deutlich gemacht, dass die Entscheidung für eine Praxis in Hermaringen immer daran geknüpft war, dass sie hier mit dem „Lebensgarten grüne Aue“ ihren Traum eines besonderen Ortes der ganzheitlichen Gesundheitsversorgung verwirklichen können.
Mitglieder bringen 85.000 Euro in die Genossenschaft ein
83 Prozent der Mitglieder der Bürgergenossenschaft kommen aus dem Umkreis von zehn Kilometern, davon knapp 30 Prozent aus Hermaringen selbst. Fast 90 Prozent der Gelder, die für erweiterte Therapien, aber auch die Verwaltung eingesetzt werden, stammten im vergangenen Jahr von den lokalen Mitgliedern (76.000 Euro). 9000 Euro steuerten Fördermitglieder aus ganz Deutschland bei.