"Winterreise"

Hermaringer Bariton Florian Götz auf international gelobter CD zu hören

Der Hermaringer Sänger Florian Götz ist auf einer aus dem üblichen Rahmen fallenden "Winterreise"-CD zu hören, die international höchstes Lob bekommt.

Hermaringer Bariton Florian Götz auf international gelobter CD zu hören

Noch eine Winterreise? In der Tat, aber mal ganz anders. Wirklich. Wer bislang der Meinung gewesen sein sollte, dass zu Schuberts vielleicht allgemein bekanntestem Ouevre schon längst das letzte Wort gesungen wurde, auf den wartet nun eine dicke Überraschung. Und beteiligt an dem Coup ist ein Hermaringer: Florian Götz. Der ist der Sänger einer ganz außerordentlichen Aufnahme, die im Sommer beim Label „Genuin“ herausgekommen ist und schon jetzt international Furore macht.

Schon das Bild auf dem aufklappbaren Cover erregt besondere Aufmerksamkeit. Ist das Anselm Kiefer vorne drauf? Tatsächlich. Was der Betrachter sieht, ist ein Ausschnitt aus Anselm Kiefers „Karfunkelfee“. Das gesamte Bild dann findet sich auf der Rückseite. Und wie einer der bedeutendsten zeitgenössischen Maler und Bildhauer gewissermaßen zum Gesicht dieser „Winterreise“ wurde, ist eine Geschichte für sich und soll deshalb später im Text eigens auch noch erzählt werden.

Instrumente auf Augenhöhe

Doch zunächst: Prima la musica, wie es sich in diesem Falle gehört. Zuerst die Musik. Die ist zwar nach wie vor von Franz Schubert, aber wir haben es eben nicht mit dem üblichen, von einem am Flügel begleiteten Bariton zu tun. Auch wenn nach wie vor ein Bariton mit im Spiel ist. Florian Götz eben. Doch ihm zur Seite steht ein Quartett. Das „Grundman-Quartett“: Eduard Wesly (Englischhorn), Ulrike Titze (Violine), Bettina Ihrig (Viola) und Ulrike Becker (Violoncello).

Das ist neu. Und genau das hat Florian Götz gereizt, als die Anfrage kam. Die vom Oboisten Wesly für Englischhorn und Streichtrio bearbeitete Klavierfassung hat ihn dann bei der ersten Probe auch „fast umgehauen“. Und auch das: „Wir haben es in dieser Interpretation eben nicht nur mit einem Sänger plus Begleitung zu tun. Vielmehr sind die Instrumente mit dem Sänger auf Augenhöhe.“ Und das Englischhorn ist geradezu ein Mitwanderer, singt, wenn man so will, eine zweite Hauptrolle.

Faszinierende Klangfarben

Wie das klingt? Völlig unerwartet. Was da allein an neuen Klangfarben aufgetragen wird, ist absolut faszinierend. Hinzu kommt jede Menge Streicherdynamik, die diese Reise ins Innere in immer wieder anderes und oft auch neues Licht taucht. Über die Qualität der Mitwirkenden muss man nicht viel Worte verlieren. Hier hat sich ein kongenial agierendes Quintett gefunden, das einen vermeintlich sattsam bekannten Klassiker mit enorm frischer Spielfreude bei gleichzeitig packender sängerischer Gestaltungskraft nicht nur regelrecht aufpoliert, sondern aus ihm auch Details und Nuancen herausholt, die man hier kaum vermutet hätte.

Was nicht zuletzt auch mit daran liegt, dass man sich bei der Auseinandersetzung mit den Grundlagen auch konzentriert mit dem ersten Schubertschen Manuskript zur „Winterreise“ beschäftigt hat. Und siehe da: „Zum Beispiel sind hier, anders als auf späteren Abschriften oder in der Kritischen Schubert-Ausgabe, keine Fermaten in der ,Wetterfahne‘ zu finden“, sagt Florian Götz. „Uns war die Ursprungssituation wichtig.“ Und so beinhaltet, ein anderes Beispiel, „Die Rast“, Station 10 der „Winterreise“, plötzlich einen Nonensprung in der Gesangslinie, den man auch noch nicht kannte.

"Import des Monats"

Ein weiterer, wie es Florian Götz bezeichnet, „Mehrwert“ dieser CD findet sich in dessen Booklet, in dem man unter anderem eine Menge über Wilhelm Müller erfährt, den in Zusammenhang mit ihr sonst so gut wie nie erwähnten Dichter der „Winterreise“. Und was die Bilder des bereits erwähnten Anselm Kiefer anbelangt, kann Florian Götz diese Geschichte erzählen: „Wir haben uns viele Gedanken wegen des Covers gemacht, und irgendwann stand auch die ,Karfunkelfee‘ als Idee im Raum. Selbstverständlich haben wir nicht damit gerechnet, dass das klappen könnte, allein die Rechtelage stellten wir uns sehr schwierig vor. Trotzdem haben wir über dessen Agentur mal die fertig gemischte Musik an Anselm Kiefer geschickt und waren dann völlig platt, als von ihm die Meldung zurückkam, dass wir, weil ihm die Aufnahme so gefallen hätte, das Bild unentgeltlich nutzen könnten.“

Gefallen hat die Aufnahme auch der Kritik, nicht nur in Deutschland, sondern etwa in Frankreich, wo die namhafte Musikzeitschrift „Diapason“ Florian Götz und Co. in den höchsten Tönen lobte, oder zum Beispiel in Japan, wo die zweitgrößte Tageszeitung des Landes, „Asahi Shimbun“, die CD als „Import des Monats“ feierte.

Aufgenommen wurde diese übrigens im Januar und Februar 2022 in der Bethanienkirche in Leipzig. Alles, was davor war, die gemeinsame Arbeit an den Arrangements, die ersten Proben, die Vorbereitung auf die Aufnahmen, geschah während der Coronazeit mit ihren Einschränkungen bis hin zu Lockdowns und Ausgangssperren. „Damals“, erzählt Florian Götz, „habe ich die Figur des Wanderers in der ,Winterreise‘ noch einmal auf ganz anders Weise und gewissermaßen am eigenen Leib erfahren. Denn der Wanderer ist ja, egal, was man sonst noch aus dessen Geschichte herausarbeiten kann, auch ein aus der Gesellschaft Ausgestoßener. Und als Sänger war ich während der Lockdowns ebenfalls komplett außen vor, weil ein Sänger, viel mehr noch als andere Musiker, auf Partner, auf ein Miteinander angewiesen ist. Und so haben mich die damals tiefempfundenen Erfahrungen dem Wanderer noch einmal viel nähergebracht.“

Als Sänger ausgelastet

Ansonsten? Ansonsten lebt Florian Götz nach wie vor mit seiner Frau und den beiden Kindern in Leipzig. Allerdings ist der 45-Jährige auf hohem Niveau viel unterwegs. Auf der ganzen Welt. Und innerhalb von Europa oft und gern in Paris. Der Bariton Götz ist begehrt. „Tatsächlich muss ich mehr absagen, als ich machen könnte. Ich habe also das Glück, mir heraussuchen zu dürfen, was ich machen möchte.“ Egal ob Alte Musik, wo er gemeinsam mit international führenden Ensembles musiziert, Konzerte oder Oper, wo er sich insbesondere mit Mozart, im Rossini-Fach oder in Belacanto-Partien wohlfühlt. Am meisten Spaß machen mir Partien oder Produktionen, in denen ich schauspielerisch sehr aktiv sein darf. Florian Götz, gebürtig aus Hermaringen, hat in Heidenheim am Werkgymnasium Abitur gemacht, anschließend studierte er Schulmusik, Trompete und Gesang. Bei den Heidenheimer Opernfestspielen debütierte er 2008 als Kilian im „Freischütz“, war 2016 Schaunard in „La Bohème“ und 2020 Elser in der gleichnamigen, an den verschiedensten Orten aufgeführten Kurzoper über den in Hermaringen geborenen Hitler-Attentäter. „Diese Geschichte“, sagt er, „müssten die Festspiele eigentlich jedes Jahr im Programm haben, denn ich glaube, dass Musiktheater, Theater allgemein, sehr wohl Gesellschaftliches verhandeln kann und auch sollte.“

Von Hermaringen bis "Elser"

Florian Götz, gebürtig aus Hermaringen, hat in Heidenheim am Werkgymnasium Abitur gemacht, anschließend studierte er Schulmusik, Trompete und Gesang. Bei den Heidenheimer Opernfestspielen debütierte er 2008 als Kilian im „Freischütz“, war 2016 Schaunard in „La Bohème“ und 2020 Elser in der gleichnamigen, an den verschiedensten Orten aufgeführten Kurzoper über den in Hermaringen geborenen Hitler-Attentäter. „Diese Geschichte“, sagt er, „müssten die Festspiele eigentlich jedes Jahr im Programm haben, denn ich glaube, dass Musiktheater, Theater allgemein, sehr wohl Gesellschaftliches verhandeln kann und auch sollte.“