Wer war schon mal auf den Äußeren Hebriden? Gerdt Fehrle nicht. Trotzdem hat er dieser Tage einen Roman herausgebracht, der dort spielt. „Victoria“ lautet der Titel des Buchs. Untertitel: „Liebe findet einen Weg“. Ein Liebesroman. Wo gibt’s denn so was noch?
Im Glockenbach-Verlag zum Beispiel. Der hat seinen Sitz in München. Im Glockenbachviertel. Gerdt Fehrle ist der Verleger. Und deshalb schreibt er nicht nur Bücher. Er bringt sie auch heraus. So weit, so gut. Aber warum erzählen wir das? Nun: Weil Gerdt Fehrle zwar in München lebt und arbeitet, aber auch Hermaringer ist. Giengener eigentlich auch. Ein bisschen Stuttgarter noch vielleicht. Aber jetzt der Reihe nach.
Geboren wurde Gerdt Fehrle in Stuttgart. Man schrieb das Jahr 1961. Schon drei Jahre später aber ging’s nach Hermaringen, wohin die Firma Bosch den Vater gelockt hatte. Weshalb es die Familie bereits 1966 schon wieder von Hermaringen weg und direkt nach Giengen zog, wo Gerdt Fehrle bis zum Abitur die Schulbank drückte. Woran auch ein neuerlicher Umzug nichts änderte: Denn 1976 ging’s zurück nach Hermaringen, wo die Fehrles ein sich in den gewachsenen Ortskern einfügendes modernes Fachwerkhaus bauten, dessen großer, naturnaher Garten an die Brenz grenzt.
Am Benzenberg
Hierher, ins Elternhaus, wo auch die Mutter noch in ihrem eigenen Teil lebt, zieht es Gerdt Fehrle regelmäßig an vielen Wochenenden im Jahr. Und hier und rundherum hat er hat als Kind und Jugendlicher die Natur aufgesogen. Was ihm heute auch beruflich zugutekommt. Beim Schreiben. „Ich war jeden Tag mit dem Hund unterwegs auf dem Benzenberg. Bei jedem Wetter. Ich kannte jeden Grashalm und habe jede Stimmung erlebt. Und deshalb kann ich, das darf ich sagen, gut Natur beschreiben.“ Auch die der Äußeren Hebriden? Gerdt Fehrle lacht: „Auch die. Aber in Wirklichkeit bin ich immer am Benzenberg, wenn ich über Natur schreibe.“
Schreiben. Das fing bei Gerdt Fehrle mit Lyrik an. Als er 25 war, erschien sein erster Roman: „Milan“. Für den erhielt er in Konstanz, wo er Germanistik und Philosophie studierte, den Literaturförderpreis. Fehrles zweiter Roman mit dem Titel „Wie Großvater den Krieg verlor“ erschien 2009 und erzählt aus einer ganz privaten Perspektive heraus von einer schwäbischen Großfamilie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Weitere Romane folgten.
Aus der Zeit gefallen?
Und nun: ein Liebesroman? Der Begriff, so wie man sich heute daran gewöhnt hat, ihn zu handhaben, fordert irgendwie dazu heraus, ihn zu belächeln. Das weiß auch Gerdt Fehrle. Aber es stört ihn nicht. „Selbst der Begriff Liebe scheint ja zusammen mit vielen anderen und vielleicht sogar mit mir selber aus der Zeit gefallen zu sein. Dabei geht’s doch immer und überall um Liebe, nur darum. Und der Mensch interessiert sich letztendlich nur für den Menschen. Gleichzeitig ist das Schreiben meine Art, Distanz zu halten. Und mit diesem Liebesroman schaffe ich auch die Distanz zur eigenen Schwere, es ist mein Weg als Schreiber, die Schwere des Kriegsenkels hinter mir zu lassen. Der Zweite Weltkrieg ist vorbei.“
Vorbei oder beiseitegelegt ist auch, was Gerdt Fehrle „den Erfolgswahn der Jugend“ nennt. „Den habe ich über Bord geworfen“, sagt er. „Es heißt, man schreibe immer nur für ein paar Leute. Und das stimmt auch.“ Sein nächstes Buch wird im Herbst herauskommen und spielt in Japan. „Aber ich könnte mir auch vorstellen, mich in einem Roman mit der Gegend im Brenztal auseinanderzusetzen und darin die 1960er- und 1970er-Jahre zu reflektieren.“ Doch unabhängig von dem, was dabei herauskommen mag, hat sich Gerdt Fehrle für sich eines ganz fest vorgenommen: „Das nächste Jahrzehnt wird das Jahrzehnt des Autors.“
Die Agentur
Was die Frage aufwerfen könnte, was er denn bisher vor allem war und ist. Zum Beispiel war Gerdt Fehrle nach seinem Studium Volontär beim Südwestfunk, anschließend in München Volontär im Hanser-Verlag. Seinen ersten Job gab ihm dann eine Münchener PR-Agentur. „Dort war ich eine Art Hiwi.“ Bis man eines Tages mit einem Text nicht fertig wurde. "Ich habe gesagt, dass ich den schreiben könnte, von dem Tag an war ich drin, und später hat man mir dann sogar die Geschäftsführung angeboten."
Doch Gerdt Fehrle machte sich lieber selbstständig und gründete im Jahr 1998 in München die PR-Agentur „Prospero“, die spezialisiert ist auf technische Fachpressearbeit besonders für Firmen und Verlage. „Unsere große Stärke ist der Text“, sagt Gerdt Fehrle, „technische Fachpresseartikel, die als Geschichten daherkommen.“
Der Verlag
Verleger wiederum ist Gerdt Fehrle seit 2012. Der Verlag war zunächst der Louisoder-Verlag, der den Namen des Investors, eines Mannes aus der Textilbranche mit starken literarischen und ökologischen Interessen trug: Bernd Louisoder. Der holte sich Gerdt Fehrle ins Boot, um den Verlag wieder auf Kurs zu bringen. Und das war er bis 2019, als der Investor starb. „Wir waren auf einem sehr guten Weg, aber noch defizitär“, sagt Gerdt Fehrle. „Bernd Louisoder hatte nichts verfügt, und so standen wir von heute auf morgen ohne Geld da und mussten den Verlag zumachen.“
Dafür machte Gerdt Fehrle 2021 den Glockenbach-Verlag auf. „Einmal Verleger, immer Verleger“, sagt er und lacht. Der neue Verlag allerdings ist gänzlich anders aufgestellt als der alte. Nicht nur, weil er mit Fehrles PR-Agentur verzahnt und also eine, wie man das heute formuliert, „Division of ‚Prospero‘“ ist. Wenn man so will, ruht der Verlag auf drei Säulen: Einer von außen finanzierten, der Sparte „Industriebücher“, einer querfinanzierten Sparte, die sich an Autoren wendet, die ein Buch wollen, das sie auch bekommen und mit dem Autor und Verlag auf einen Schnitt kommen, und schließlich der „Belletristik“-Sparte. „Hier haben wir dann das ganz normale verlegerische Risiko“, sagt Gerdt Fehrle. Und hier spricht dann auch wieder der Autor: „Aber auf Belletristik wollten wir nicht verzichten.“
Verschiedene Verkaufswege
„Victoria“, der neue Roman von Gerdt Fehrle, ist entweder direkt über den Glockenbach-Verlag (www.glockenbach-verlag.de) oder via Amazon zu beziehen. Dieser Verkaufsweg ist der eine, den der Verlag mit einem Teil seiner Taschenbuch-Titel beschreitet. „Weil es den eben jetzt auch gibt, das probieren wir aus“, sagt Verleger Fehrle. „Als traditionell denkender Buchautor ist mir aber genauso an einer Zusammenarbeit mit dem Buchhandel gelegen, weshalb das selbstverständlich bei anderen Titeln ebenfalls zum Geschäftskonzept gehört.“
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