Schon das zweite Jahr in Folge bin ich nun an Weihnachten nicht daheim. Nach zwei wunderbaren Monaten "Sommerpause" in der Heimat ging es im Oktober wieder mit Rucksack und Kamera in den Flieger, dieses Mal mit Zwischenstopp Bangkok. Endstation ist erneut Australien, genauer gesagt das Great Barrier Reef. Auf einer malerischen kleinen Insel hatte ich vergangenes Jahr für eine Zeit gelebt, gearbeitet, geschnorchelt und getaucht.
Aber zuerst das Etappenziel Asien: Menschenmassen, Tempel überall, Märkte auf dem Wasser oder durchzogen von befahrenden Bahnschienen - Reizüberflutung... Also ab in den Dschungel!
Zehn Stunden Nachtbus gen Norden. Nach zwei Tagen Jungle-Trekking miete ich in Chiang Mai meinen ersten von vielen Rollern. Der Verkehr ist wild, die einzige Devise ist "Go with the flow"! Es herrscht Linksverkehr, trotzdem wird generell überall überholt, wo es geht. Nach ein paar Kilometern bin ich voll mit drin, schwimme mit im Strom der Locals über den löchrigen Asphalt. Zusätzlich zu all dem Trubel entpuppt sich Asien langsam anstatt Päuschen zwischendurch als doch eher längerfristige Aktion. Mein 1. Arbeitstag Down Under verschiebt sich in die ungewisse Zukunft. Ich ärgere mich, fühle mich sitzengelassen und ziellos. Doch ich entscheide mich, das Beste daraus zu machen: Ich spüre meine Sehnsucht nach dem Meer, also geht es auf die Insel Koh Tao.
Dort bin ich endlich wieder unter Wasser, mache meinen ersten Freediving-Kurs. 20 Meter tief tauche ich an Tag drei mit einem einzigen Atemzug. Ein krasser Mix an Empfindungen: die Enge in der Brust vom Wasserdruck, die Temperatur, die mit jedem Meter fällt, aber auch der Stolz auf die neuen Errungenschaften. Ich will weiter lernen und trainieren, muss aber nach 30 Tagen Visum ausreisen. Priorität beim nächsten Ziel ist das Tauchen - frei und mit Flasche.
Drei Minuten die Luft anhalten
Ich entscheide mich für Bali: Nach zwei Schiffswracks, bei denen wir blubbernd durch das versunkene Innenleben tauchen, setzte ich über zur Nachbarinsel Nusa Penida. Dort lerne ich weitere Atemtechniken für das Freitauchen und halte am letzten Tag im Ruhezustand die Luft für gute drei Minuten an. Ich traue meinen Augen nicht, als ich auf die Stoppuhr meines Trainers blicke. Zum Abschluss machen wir einen Trip zum "Manta Point" und werden fündig: Ich bekomme dutzende der unfassbar großen Rochen vor die Linse und bin überglücklich. Ich will mehr!
Doch erstmal genug vom Tauchen ohne Tank. Ich fliege zum indonesischem Komodo National Park und darf für sechs Tage ein umfunktioniertes Fischerboot mein Zuhause nennen. Hier mache ich insgesamt 15 Tauchgänge, jeder knapp eine Stunde. Wichtig hierbei ist das beständige Ein- und Ausatmen, um den Druck in der Lunge in unterschiedlichen Wassertiefen auszugleichen. Wenn ich hier meine neu erlernten Fähigkeiten anwenden würde, könnte ich mir schwere Verletzungen zuziehen. Ich bin froh, meine Kamera dabei zu haben und mich voll und ganz auf die farbenfrohe Welt unter der Oberfläche einzulassen: Wir treffen Schildkröten, Haie, Kugelfische, Rochen, Moränen. Die Liste ist zu lang. Nach jedem anstrengenden Tag strahle ich aufs Neue vor Freude.
Danach bin ich hin- und hergerissen. Ich liebe es schon immer im Wasser zu sein, das Blau, die Stille und Schwerelosigkeit zu genießen. Beim Freediving komme ich mir vor wie eine Meerjungfrau - agil, unbeschwert, frei. Ich fühle mich eins mit dem Meer, die Tiere haben wenig Angst, da ich wie sie lautlos durchs Wasser gleite. Aber irgendwann muss ich leider wieder hoch... Das Tauchen gibt mir endlos scheinende Zeit in dieser fremden Welt, entspanntes Schweben über und durch nicht auszudenkende Szenerien. Doch meine Sauerstoff-Versorgung bringt beim Ausatmen Luftblasen mit sich, die für die Tiere befremdlich sein können oder beim Fotografieren nerven.
Vom Waldbad in Heidenheim in den blauen Ozean
In Australien will ich in der Unterwasser-Branche arbeiten, letztendlich entscheide ich mich also für ein Tauch-Programm beim nächsten Halt, den Philippinen. Dort werde ich noch mehr Erfahrung und das für den Übergang in die Professionalität benötigten DiveMaster-Zertifikat erlangen. Ich bin gespannt, was mich in der Zukunft erwartet...
Danke an alle, die mich bis hierher gebracht haben: etliche Besuche im Waldbad, planschen mit Oma und tauchen mit Opa. Urlaube an fantastischen Stränden mit der Familie. Die erste Kamera von den Großeltern und Zuspruch bei meinen Vorhaben. Ich bin dankbar für alles, was meine Leidenschaften hat wachsen lassen und mir meine Reisen ermöglicht.
P.S: Bilder sind zu sehen auf www.instagram.com/underwatercaro