Das Georg-Elser-Erwin-Rommel-Dilemma erklärt – auf Irisch-Gälisch
Georg Elser, Erwin Rommel: Frühe Verräter, späte Helden? Oder doch andersrum? Wie auch immer man diese beiden Figuren der NS-Zeit einordnet, sie sind fester Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur, gerade im Kreis Heidenheim. Über Erinnerungskultur hat die Königsbronnerin Sylvia Bledow nun ein Buch geschrieben – in irisch-gälischer Sprache.
„Cultúr na Cuimhne sa Ghearmáin“ ist das mittlerweile vierte Buch Bledows. Alle vier hat sie auf Irisch verfasst. Dabei kommt sie selbst gar nicht von der „Grünen Insel“. Geboren wurde Bledow vielmehr im US-Bundesstaat New York, später wuchs sie in einer kleineren Stadt in Michigan auf. 1967 verschlug es sie erstmals, im Rahmen ihres Studiums, nach Deutschland. Seit rund 40 Jahren lebt Sylvia Bledow nun schon gemeinsam mit ihrem Mann in Königsbronn. Das erklärt die Verbindung zu Elser, jedoch noch nicht ihr Faible fürs Irische.
Faible für Irland und die irische Sprache
Weit über ein Dutzend Mal hat die ehemalige Waldorfschullehrerin Irland besucht und die dortige Kultur, den Gesang und auch die Sprache regelrecht aufgesogen. In der Landessprache verfasst und in Irland erschienen sind von Sylvia Bledow unter anderem ein Buch, das von ihrem Aufenthalt in China erzählt, sowie eine Sammlung von Kurzgeschichten über größtenteils fiktive deutsche Frauenpersönlichkeiten.
„Zum Teil schreibe ich auf Irisch, weil ich etwas zu der Sprache beitragen möchte“, berichtet Bledow. Nur wenige Irinnen und Iren könnten die Sprache gut lesen. Dennoch sei der irischsprachige Buchmarkt in den vergangenen Jahren floriert – ein Lichtblick für eine Sprache, die noch immer offiziell als gefährdet gilt und somit vom Aussterben bedroht ist.
Zum Teil schreibe ich auf Irisch, weil ich etwas zu der Sprache beitragen möchte.
Sylvia Bledow, Autorin aus Königsbronn
Ihre Liebe für das Land hat Sylvia Bledow auf ihren Reisen entdeckt, das Thema ihres neuesten Buches lag jedoch genau vor ihrer Haustür. Und doch stellt sich die Frage: Gibt es für diese rein deutsche Thematik eine Leserschaft in Irland? Ja, ist Bledow überzeugt. „Ich habe festgestellt, dass Menschen, die Irisch gut lesen können, oft sehr geschichtsinteressiert sind. Das beinhaltet natürlich die Rolle Irlands im Zweiten Weltkrieg, aber auch die Geschichte Europas.“
Weniger kontinental, dafür sehr regional, erzählt „Cultúr na Cuimhne sa Ghearmáin“ von deutscher Erinnerungskultur im Brenztal und wie Bledow mit dieser in Kontakt gekommen ist. Als sie in den Kreis Heidenheim gezogen ist, sei sie schockiert gewesen vom Rommel-Denkmal. „Als Ausländerin brachte ich natürlich ganz eigene Gedanken mit“, erklärt die gebürtige Amerikanerin. Die NS-Thematik sei stets im Dorf präsent gewesen, darüber gesprochen hätte jedoch niemand. Die langsame Aufarbeitung sowie der Wandel darin, wie Elser und Rommel rezipiert werden, habe nicht nur Bledow selbst maßgeblich beeinflusst, es wurde auch elementarer Bestandteil ihres Buches.
Kontakt zum Netzwerk "Widen the Circle"
„Cultúr na Cuimhne sa Ghearmáin“ bespricht die Vielfalt des Gedenkens in Deutschland, ist dabei vor allem in Süddeutschland verortet, erzählt jedoch auch Geschichten und Anekdoten von Zeitzeugen – was Sylvia Bledow, die diese Geschichten widergibt, gewissermaßen zur „Zweitzeugin“ macht. Es ist diese Arbeit, welche die Königsbronnerin mit dem Netzwerk „Widen the Circle“ in Kontakt gebracht hat. Die amerikanische Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, Deutsche zu ehren, die sich für Erinnerungskultur und sozialen Frieden in der Welt einsetzen.
Vertreter der Stiftung hatten sie zum Schreiben motiviert, dabei sieht Bledow sich selbst nicht als Historikerin. „Mehr als Übersetzerin und als Außenseiterin auf diesem Gebiet“, sagt sie und lacht. Auf Resonanz stößt das Buch nichtsdestotrotz: Anfang November wird es im Goethe-Institut in Dublin im Rahmen einer dreisprachigen Veranstaltung – Irisch, Englisch und Deutsch – von der Autorin vorgestellt.
Früher Englischlehrerin an der Freien Waldorfschule Heidenheim
Nach Abschluss ihres Studiums in Michigan verbrachte Sylvia Bledow drei Jahre in Lateinamerika, bevor sie sich mit ihrem Mann in Deutschland niederließ. Sie war jahrelang Englischlehrerin an der Freien Waldorfschule Heidenheim. Im jetzigen Ruhestand widmet sie sich vor allem dem Schreiben und dem Ehrenamt. Weitere drei Bücher in irisch-gälischer Sprache sind bereits erschienen: eines über ihre Erlebnisse als ehrenamtliche Englischlehrerin in China, eine Sammlung Kurzgeschichten und ein Buch über das schicksalhafte Jahr 1989, das auf eigenen Tagebucheinträgen basiert.
„Cultúr na Cuimhne sa Ghearmáin” ist im Verlag Coiscéim erschienen, der sich auf irisch-sprachige Literatur spezialisiert.