Warum jemand tut, was er tut? Vor Gericht oft eine entscheidende Frage. Und nicht selten eine, die letztlich unbeantwortet bleibt. So auch im Fall eines 31-jährigen Königsbronners, der sich wegen mehrfachen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Verbindung mit einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen zu verantworten hatte. Und jetzt am Amtsgericht Heidenheim nur haarscharf einer Gefängnisstrafe entgangen ist.
Insgesamt viermal hatte die Polizei den wegen ähnlicher Vergehen vorbestraften Zerspanungsmechaniker im Sommer 2023 am Steuer erwischt, obwohl dieser nicht im Besitz eines Führerscheins war. Besonders in Erinnerung geblieben ist ein Vorfall vom 29. August 2023: An diesem Tag endete die unerlaubte Fahrt des 31-Jährigen mit einem Unfall, bei dem der Fahrer eines anderen Pkw verletzt wurde. Was war geschehen? Eine Streife der Verkehrspolizei Heidenheim war kurz vor 14 Uhr am damaligen Wohnhaus des polizeibekannten Königsbronners in der Waldsiedlung vorbeigefahren. „Sein Fahrzeug war nicht da“, schilderte ein als Zeuge geladener Beamter vor Gericht.
Hoppeleshalde in Königsbronn: mit 120 km/h über die Kreuzung
Dann der Zufall: Der 31-Jährige fuhr vor, sah das Polizeifahrzeug und ergriff die Flucht. Um sich der Kontrolle zu entziehen, raste der junge Mann in seinem Audi mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durchs Wohngebiet, teils durch Tempo-30-Zonen. Ortsauswärts Richtung L1123 unterwegs überquerte der Königsbronner schließlich die Hoppeleshalde mit laut Anklageschrift rund 120 km/h, nahm dabei einem herannahenden Wohnmobil die Vorfahrt. Weiter ging die rasante Fahrt mit bis zu 120 km/h auf gerader Strecke und mindestens 50 km/h im Kurvenbereich. Auf der L1123, jetzt in Richtung Königsbronn unterwegs, beschleunigte der 31-Jährige seinen Wagen auf 70 bis teilweise 120 km/h.
„Es war schwierig, an dem Fahrzeug dranzubleiben“, erinnerte sich der Polizeibeamte, der Streifenwagen habe 194, der Audi des Angeklagten 450 PS. Den Unfall selbst haben die Beamten daher nicht gesehen. Aufgrund der Auswertungen und der Aussage des Unfallgegners ist aber klar, was passiert ist: Der 31-Jährige verlor aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Fahrzeug, kam kurz vor dem Ortseingang auf die Gegenfahrbahn und kollidierte dort mit einem entgegenkommenden Audi.
So erinnert sich der Unfallgegner des Angeklagten
„Ich habe gesehen, dass er auf meine Fahrbahn kommt und bin ein bisschen ausgewichen“, schilderte vor Gericht der 28-jährige Unfallgegner. Einen Zusammenstoß habe er aber nicht verhindern können, die Fahrt endete im Graben. Glück im Unglück: Bei dem Unfall hat sich der Steinheimer außer Prellungen und Ohrenschmerzen keine schlimmeren Verletzungen zugezogen. Der an seinem Fahrzeug entstandene Schaden samt Ausfallkosten in Höhe von 11.000 Euro sei inzwischen von der Versicherung beglichen bzw. zumindest zugesichert.
Ich versteh’s nicht. Ich bin sprachlos.
Richter Dr. Christoph Edler
„Sie sind ein gebranntes Kind. Sie und ihr Auto waren bekannt“, stellte Richter Dr. Christoph Edler mit Verweis auf das Bundeszentralregister des Angeklagten fest. Fünf Verurteilungen sind dort zu finden – wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, fahrlässiger Körperverletzung sowie vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Versicherungsschutz. Quittiert wurden die Vergehen mit Geldstrafen, wiederholten Sperren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis sowie bei der letzten Verhandlung mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von drei Monaten.
„Ich versteh’s nicht. Ich bin sprachlos. Warum steigen Sie bei laufender Bewährung die ganze Zeit in ihr Auto?“, wollte Richter Edler von dem Königsbronner wissen. Eine richtige Erklärung dafür konnte der 31-Jährige zwar nicht liefern, zeigte sich aber geständig. Die Fahrten täten ihm leid, die Flucht vor der Polizei sei eine Kurzschlussreaktion gewesen. Zudem habe er sich nur ans Steuer gesetzt, weil seine Mutter pflegebedürftig sei und sein Vater zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit gehabt habe, selbst zu fahren.
Raserei in Königsbronn: Der Staatsanwalt fordert eine Haftstrafe
Das Geständnis und dass sich bei dem Unfall niemand gravierend verletzt hat, ließ der Staatsanwalt zu Gunsten des Angeklagten gelten. Angesichts der Vorstrafen und der aus seiner Sicht ungünstigen Kriminalitätsprognose forderte er letztlich aber neben einer 18-monatigen Führerscheinsperre eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten – ohne Bewährung. „Wir haben hier acht Monate nach der letzten Verurteilung vier Bewährungsbrüche. Es ist nicht zu erwarten, dass er sich bessert“, so das Fazit des Staatsanwalts.
Besonders viel Positives über seinen Mandanten wusste auch dessen Verteidiger nicht zu sagen. Eigentlich führe an einer Freiheitsstrafe nichts vorbei. Dennoch beantragte der Anwalt eine weitere Strafe zur Bewährung. Andernfalls sei der Job des Angeklagten weg.
Gerade noch so vertretbar, verkündete letztlich Richter Edler und verurteilte den 31-Jährigen zu einem Jahr Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung. Außerdem erhielt der Königsbronner eine Führerscheinsperre für 18 Monate sowie die Auflage, 6.000 Euro an den Heidenheimer Hilfs- und Wohltätigkeitsverein zu spenden. „Ich bin fassungslos, wie man sein eigenes Leben auf fast dreiste Weise wegzuschmeißen versucht“, sagte Edler an den Angeklagten gerichtet und machte sehr deutlich, dass es sich bei der erneuten Bewährungsstrafe um eine große Ausnahme handelt. „Ich wollte keinen Sozialhilfefall schaffen“, begründete der Richter. Bei einem weiteren Verkehrsdelikt könne aber kein Weg mehr an einer Strafvollzugsanstalt vorbeiführen. „Dann wandern Sie für längere Zeit ins Gefängnis.“
Jetzt neu – die Heidenheimer Zeitung ist auf WhatsApp: Hier kostenlos abonnieren und Nachrichten aufs Handy erhalten.
undefinedundefined