Reisepläne

Im Expeditionsmobil: Königsbronner Marc Gergeni hält Kurs zurück ins Leben

Im Hafen von Tanger/Marokko wird am späten Montagnachmittag am 3. Februar ein grauer Lkw mit deutschem Kennzeichen eine Fähre verlassen. Hinter dem Lenkrad wird der Königsbronner Marc Gergeni sitzen und sich auf den Weg machen, um nicht nur das Leben in anderen Ländern besser kennenzulernen, sondern auch sein eigenes.

Ein Gewerbegebiet in Königsbronn Ende Januar: Es ist knackig kalt, seit Tagen herrscht Frost. Zwischen zwei großen Hallen steht ein Zehntonner, ein Lkw Marke Iveco. Seine Aufbauten und Anbauten und die metallenen Fahrrampen am Kühlergrill lassen erahnen, wofür dieses Gefährt da ist: Hier will jemand auf ganz große Tour gehen.

„Hoffentlich springt er an“, sagt Marc Gergeni und setzt sich ans Steuer. Ein paar Mal dreht der Anlasser den 180 PS starken Motor durch, dann rattert die Maschine in der kalten Januarluft. „Läuft“, sagt der 49-Jährige zufrieden. In wenigen Tagen wird er zusammen mit seiner Lebenspartnerin Laureen Ripperger zu seiner nächsten großen Tour aufbrechen: Drei Monate Tunesien und ein Monat Spanien. Los geht es Ende Januar aus dem Heimathafen, am 1. Februar startet die Fähre mit Ziel Marokko.

Gemütlich: das Schlafzimmer im Lkw mit Dachfenster. Foto: René Rosin

Ein Aufbruch im Winter und eine Rückkehr im Sommer. Das Ziel seiner Reise formuliert er mit drei Worten: „Leben. Einfach leben.“ Worte, die in seinem Fall eine ganz besondere Bedeutung haben. Doch dazu später.

Ein zweites Leben für den Lkw. Und im Lkw.

Der graue Iveco-Lkw wird Laureen Ripperger und Marc Gergeni dabei nicht nur fahrbarer Untersatz, sondern auch ihr Zuhause sein. Dem Gefährt sieht man seine mittlerweile 30 Jahre kaum an. Auch nicht die Tatsache, dass er mal ein Schlauchwagen der Kölner Berufsfeuerwehr war. Nur ganz versteckt schimmert an manchen Stellen noch das feuerwehrtypische Rot hindurch.

Marc Gergeni und Laureen Ripperger beim Beladen ihres Mobils in die Außenklappen. Foto: René Rosin

Gekauft hat ihn Marc Gergeni vor drei Jahren. „Der sah damals noch nicht so aus wie jetzt. Es gab keine Schränke mit Türen, da waren nur Plastikboxen. Auch die Außenboxen gab es damals noch nicht“, sagt er. Sämtliche Schränke, die Sitzecke, die Photovoltaik, die gesamte Haushaltselektronik mit 230 Volt Spannungswandler oder die Wasseraufbereitungsanlage inklusive UV-Desinfektions-Reaktor: All das hat Gergeni in den letzten drei Jahren selbst montiert.

Komfort auf kleinem Raum

Im hinteren Teil befindet sich das Schlafzimmer mit Himmelsblick, die Küche verfügt über einen Kühlschrank und einen Gasherd, sogar mit Backröhre. Die Toilette hat einen Fußboden mit Blümchenmuster und die Dusche ist gleichzeitig auch der Flur der guten Stube. Es gibt auf diesen wenigen Quadratmetern alles, was Marc Gergeni und Laureen Ripperger für ihre mehrmonatige Reise benötigen. „Das ist ein kompletter Hausstand, sogar mit Staubsauger“, erläutert Gergeni lachend und auch ein bisschen stolz auf die eigene Umbauleistung.

Stromversorgung, Heizung und mehr: Marc Gergeni an der Steuerung der Haustechnik im umgebauten Iveco-Lkw. Foto: René Rosin

„Haben Sie sich eine Waffe besorgt, den Strick schon geknüpft?“
Arzt zu Marc Gergeni

Der Königsbronner war immer handwerklich interessiert und auch begabt, wie er selbst sagt, aber er ist weder gelernter Schreiner noch Elektriker. Er hat zwar eine Berufsausbildung im Metallbereich absolviert, „aber dann habe ich Wirtschaftsingenieur studiert“. Danach folgte das, was man wohl eine typische Karriere nennt: Projektleiter im Hochbau, er hat eine eigene Firma gegründet, war Präsident der Wirtschaftsjunioren Ostwürttemberg, Kreisvorsitzender von Bündnis 90/Grüne und ein Haus gebaut hat er auch noch.

Der Weg in die Krise

Genauso steil, wie es nach oben ging, genauso heftig war danach für ihn auch der Absturz. Seine Firma musste, nachdem 2013 die damalige Bundesregierung die aufblühende deutsche Solarindustrie jäh ausgebremst hatte, Insolvenz anmelden, aus der Politik musste er sich auch zurückziehen. „Das war dann irgendwann einfach alles so viel, dass dann der Zusammenbruch kam. Klassischer Burnout, Depressionen. Es ging einfach nichts mehr.“

Seine persönliche Situation war so alarmierend, dass sie mehrere Wochen Aufenthalt in einer Akutklinik erforderte. Er hatte das Glück, dass ein Arzt seine dramatische Lage sofort erkannte. „Der hat mich gesehen und mich gefragt: ‚Haben Sie sich eine Waffe besorgt, den Strick schon geknüpft? Nicht? Bitte packen Sie Ihren Koffer.‘ So etwas ist erst einmal ein Brett. Aber er hat mich gesehen“, so Gergeni rückblickend, „andere werden nicht gesehen.“

Ein neuer Lebensweg

Dass es ihm heute wieder gut geht, das verdankt Marc Gergeni nicht nur der ärztlichen Kunst, sondern vielleicht auch sich selbst. „Ich habe mein Leben verändert.“ Er hat den Mut und die Kraft gefunden, nicht mehr weiter funktionieren zu wollen, sich das Leben von dem bestimmen zu lassen, „was andere von mir erwarten“. Und was er auch selbst von sich erwartet hat. Für ihn war seine Therapie nicht einfach nur eine Möglichkeit, um wieder Kraft für den Alltag zu bekommen, wieder zurückzufinden in sein vorheriges Leben.

Ein Selfie: Marc Gergeni und Laureen Ripperger kennen die marokkanische Wüste bereits von vorherigen Reisen. Foto: Marc Gergeni

Marc Gergeni wollte etwas Neues finden, „eigentlich bin ich bis heute noch ‚draußen‘“, umschreibt er seine jetzige Situation. In seinem Fall hat sich die konfuzianische Weisheit vom Weg, der das Ziel ist, als die richtige Maxime erwiesen: Sein Weg ist jetzt das Reisen. „Ich habe meinen Weg gefunden, um ein Leben gemäß meinen Vorstellungen zu führen.“ Eine solch fundamentale Richtungsänderung ist auch für die Familie ein einschneidendes Erlebnis, aber Marc Gergeni ist es wichtig zu betonen, „dass ich zwei wunderbare Töchter habe, die stolz auf ihren Vater sind“.

Die Rückkehr des Fernwehs

Wobei Gergeni das Reisen als Lebensinhalt für sich eigentlich nur wiederentdeckt hat. Infiziert mit dem Virus „Fernweh“ hat er sich bereits 1999, nach Abschluss des Studiums und vor Beginn seiner beruflichen Karriere. „Bevor ich in die Mühle gerate, will ich noch mal wegfahren“, hat er damals zu sich selbst gesagt und ist mit einem Geländewagen und einem Dachzelt bis nach Ägypten gefahren.

Reiseplanung am Küchentisch im Expeditionsmobil. Foto: René Rosin

An seinem neuen Leben schätzt er „das Reduzierte“. Das Haus wurde verkauft, er bewohnt jetzt eine kleine Wohnung in der Heidenheimer Oststadt. Die aber lediglich so etwas wie sein 1-Zimmer-Basis-Camp ist, wie er sagt, hier plant er seine Reisen. Für Marc Gergeni sind jetzt die wenigen, äußerst bescheiden eingerichteten Quadratmeter hinter der Fahrerkabine seines Iveco sein eigentliches Zuhause. Und auch seine nächste Tour hat der Königsbronner bereits im Hinterkopf: Es soll nach Indien gehen.

Hund Rocky ist auf den Reisen von Marc Gergeni dabei. Foto: Marc Gergeni

Wie klappt das mit dem Geldverdienen?

Seine Reise will Gergeni auch dafür nutzen, um sein Buch fertigzustellen, an dem er gerade arbeitet. Und wie sollte es anders sein, auch in seinem Buch geht es um das Reisen. „Wie finanziere ich so etwas: Geld verdienen auf Reisen“, erläutert Gergeni das Thema des Buches, „weil viele sich fragen: Wie kannst du jetzt vier Monate nach Afrika fahren?“ Zudem betreibt er auf Instagram und YouTube unter „WomoVenture“ einen Kanal, auf dem man Marc Gergeni und Laureen Ripperger bei ihren Reisen virtuell begleiten kann.

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