Was bleibt, wenn man alles zurücklässt und nur mit einem Rucksack bepackt in die Fremde zieht? Wer ist man ohne Jobbeschreibung, Familie, Freunde, Hobbies und die üblichen externen Ankerpunkte der Identität? Den Drang, diesen Fragen nachzugehen, spürte ich schon, bevor ich mich im September dieses Jahres aus dem liebgewonnenen Gewand des Volontariats löste und meine Ausbildung zur Redakteurin bei der Heidenheimer Zeitung abschloss.
Ich sehnte mich nach Extremen, wollte intensive Erlebnisse und Begegnungen weit außerhalb meiner Komfortzone machen – und entschied mich deshalb, nach Ausbildungsende erst mal auf Reisen zu gehen.
Der Abschied von der Königsbronner Heimat liegt mittlerweile zwei Monate zurück, doch so richtig in der Fremde bin ich noch nicht. Zurzeit lebe ich bei meinem Freund in Lissabon. Zugegeben: In den engen Gassen dieser Stadt verfolge ich nicht nur meine eisernen Pläne der Reisevorbereitung: Spanisch lernen, täglich ins Fitnessstudio gehen und so viel wie möglich über die Länder erfahren, die ich bald bereisen werde.
Zu verlockend ist die Schönheit Lissabons, und zu gut schmecken die “Pasteis de Nata”, die berühmten Blätterteigtörtchen Portugals, die süchtig machen. Während ich in einem meiner Lieblingscafés in Alfama sitze und versuche, meine Pläne für die anstehende Reise auf Papier zu bringen, steigt mir der Duft von frisch geröstetem Café mit einem Hauch Zimt in die Nase. Ich spüre: Der Abschied von Lissabon wird mir nicht leicht fallen.
Meine letzte längere Reise, nach Indonesien, liegt inzwischen vier Jahre zurück und hat mich sehr begeistert. Weil ich damals wusste, dass es nicht meine letzte Reise gewesen sein würde, habe ich seither für die nächste gespart. Sie beginnt in wenigen Tagen: Weit weg von Europa - in Mexiko.
Neue Klänge, Rhythmen, Sitten und Sprachen: Dass die Wahl auf Lateinamerika fiel, hat vor allem mit dem kulturellen Reichtum dieses Kontinents zu tun, den ich entdecken will. Ich freue mich auf die Fülle an Begegnung, Tanz, Musik, uraltem Wissen, atemberaubender Natur und Kulinarik. Und ich freue mich darauf, fließend Spanisch sprechen zu lernen. Denn wo lernt man es besser als vor Ort?
Das erwartet mich in Mexiko
Die erste Etappe findet in Begleitung von Freunden aus der Heimat statt und wird uns von den Stränden Cancúns bis in die pulsierenden Straßen von Méxiko-Stadt führen. Mit meinem Freund, der bereits ein Jahr in Mexiko gelebt hat, werde ich einige Wochen lang weitere Teile des Landes und Mittelamerika erkunden. Danach setze ich meinen Weg alleine fort. Wohin es geht? Vielleicht nach Peru, vielleicht nach Kolumbien - aber eigentlich: ungewiss. Wie lange? Auch ungewiss. Der Reiz des Ganzen? Genau das, die Ungewissheit.
Reisen ist für mich die Lust an der Herausforderung, heimatlos zu sein, um dann wieder anzukommen – in einer fremden Welt, mit neuen Klängen, Landschaften und Kulturen. Eine Art Wiedergeburt, nur mit der Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen, zu begegnen und zu lernen. Es ermöglicht mir, verschiedene Facetten des Lebens zu erleben und ohne die üblichen Ankerpunkte der Identität auszukommen. Für manche mag das beängstigend sein. Doch für mich ist es eine erdende Erfahrung, die mich bescheiden und dankbar macht.
Ich bin gespannt, was mich erwartet, dankbar für diese Möglichkeit, und sicher, dass ich diese Reise nicht bereuen werde. Komme was wolle. Darauf noch ein vorerst letztes Pastel de Nata und frohe Weihnachten!