Opernfestspiele

Wie der „Blaue Abend“ in Königsbronn Lust auf den Opernsommer machte

Nicht nur Opern-Naschkätzchen kamen beim „Blauen Abend“ in der Hammerschmiede Königsbronn am Donnerstagabend auf ihre Kosten.

In Anlehnung an ein berühmtes Filmzitat könnte man sagen: „Der Blaue Abend ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man kriegt.“ Und so war es auch am Donnerstagabend in der Hammerschmiede Königsbronn, als die Opernfestspiele Heidenheim wieder eine besonders exquisite Packung bereithielten, aus der die musikalischen Pralinés nur so purzelten, überraschend in ihrer Zusammenstellung wie eh und je, und ebenso köstlich wie eh und je, und wie eh und je jede Menge Leckerbissen nicht nur für Opern-Naschkätzchen.

Da wäre beispielsweise die Geschmacksrichtung verführerisch, mit leicht bittersüßer Note: Die Untreue wurde besungen, und der Zuhörer lernte zu unterscheiden zwischen weiblicher und männlicher. Bei letzterer sind halt einfach die Herzen groß, wie Musa Nkuna, in Heidenheim schon bestens bekannt durch seine zahlreichen Auftritte, mit Robert Stolz „Ob blond, ob braun, ich liebe alle Frau’n“ mit überzeugender Leidenschaft und Stimme verkündete. Bei weiblicher Untreue verhält es sich ein bisschen anders, da will der Mann am liebsten sterben, wie es in Friedrich Silchers „Untreue“ heißt. Das war wohl die größte Überraschung in dem appetitlichen Konfekt-Gebinde: Nicht nur, dass Silcher im Programm war, den man nicht vermuten würde, sondern auch wer ihn darbot. Das war das eigens für diesen Abend gegründete Quartett aus Gerrit Illenberger, Hector Sandoval, Manuel Hartinger und dem Festspieldirektor selbst: Marcus Bosch hatte es sich nicht nehmen lassen, das Quartett zu komplettieren, das so berührend – „lang geprobt“ – das Mühlenrad im kühlen Grunde und den großen Kummer ob der weiblicherseits gebrochenen Treue zu Herzen gehen ließ.

Juwelen und Gänsehaut

Eine Frau bleibt halt eine Frau – oder wie Billy Joel es sagt: „She’s always a woman“. Manuel Hartinger wandelte auf den Spuren des Piano-Manns und rief mit seiner Interpretation zweierlei hervor: einmal reichlich Gänsehaut und zum anderen Lust auf sein A-cappella-Ensemble, von dem nicht nur Marcus Bosch wünschte, es bald einmal zu Gast zu haben. Der Tenor stammt aus Ulm und gehört damit bereits zu den regionalen Künstlern, die an diesem Abend anzutreffen waren. Denn es gab auch jede Menge Heidenheimer auf der Bühne: Theresa Romes beispielsweise, die so kokett von den Lippen, die so heiß küssen, zu singen verstand und sich dazu mit der Juwelen-Arie aus „Faust“ bestens zu schmücken wusste. Gabriel Fortunas betörte mit seinem Bass und der traurigen Ballade von „Herrn Oluf“ und der schönen Königstochter. Und der bereits erwähnte Gerrit Illenberger sang nicht nur im Quartett, sondern auch im Duett: Mit Hector Sandoval setzte er „E lui! Desso! Infante“ aus „Don Carlo“ kraftvoll in Szene.

Sie alle wird man in diesem Sommer auf der Opernbühne erleben können, und dazu weitere Solisten, die sich an diesem Abend nicht nehmen ließen, trotz sicher großem Probenstress Appetithäppchen zum Menü beizusteuern. Ania Jeruc hatte mit „O mio babbino caro“ und „Quando m’en soletta“ zwei Puccini-Schmankerl dabei, die ihre Stimmgewaltigkeit zeigten. Daniel di Prinzio überreichte Millöckers „Dunkelrote Rosen“, Lukas Siebert servierte gleich vier hohe C als Adolphe Adams „Postillon“, Marian Pop schwärmte vom „Beautiful Morning“ aus „Oklahoma“ und Marcell Bakony könnte mit „Some Enchanted Evening“ durchaus den „Blauen Abend“ gemeint haben. Damit sprach er den Zuhörern sicher genauso aus dem Herzen wie Musa Nkuna mit seinem „Freunde, das Leben ist lebenswert“, zumal so voluminös, überzeugend und die Stimmung des Abends bestens aufgreifend dargeboten.

Spannung und Drama

Und schließlich hielt Marcus Bosch in seinem erlesenen Confiserie-Sortiment noch ein spannendes Rätsel parat: Die Oper, die im nächsten Jahr auf dem Programm stehe, sei an diesem Abend auch vertreten gewesen. Und er verriet nur so viel: „Carmen“, mit dem Julia Rutigliano und Hector Sandoval den „Blauen Abend“ so dramatisch beschlossen, sei es nicht. So mag denn so mancher Besucher auf dem Heimweg neben dem Gehörten noch Tschaikowskys „Eugen Onegin“ als des Rätsels Lösung überlegt haben, denn Julia Rutigliano hatte so leidenschaftlich dessen Tanja besungen.

Die Spannung bleibt also noch ein wenig, genau wie diejenige, die vor jedem „Blauen Abend“ herrscht. Denn wenn man auch wie bei einer Pralinenschachtel nicht weiß, was man kriegt, so weiß man doch: Es wird herrlich munden. Das Gesamtkonzept aus Ambiente, Auftritt und Ausschank mit leckerem Menü lässt sich einfach wunderbar konsumieren.

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