Wie der Königsbronner Bürgermeister sein erstes Jahr im Amt sieht
Vor einem Jahr hat Jörg Weiler das Amt des Bürgermeisters in Königsbronn angetreten. Im Gespräch erzählt er, wir er das erste Jahr erlebt hat und was er lernen musste.
Herr Weiler, Sie sind heute genau seit einem Jahr im Amt. Wie hat sich denn Ihr Leben verändert?
Jörg Weiler: Ich habe spannende Arbeitswochen, ich bin von morgens bis abends aktiv für die Gemeinde Königsbronn unterwegs. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin sehr viel bei Terminen, im Rathaus, in der Gemeinde, bei den Vereinen und Institutionen, im Landratsamt und auf vielen „Baustellen“. Meine Woche hat inzwischen sieben Arbeitstage. Trotz allem versuche ich, Zeit für meine Familie zu organisieren, denn ich bin natürlich auch Ehemann und Vater.
Man hat den Eindruck, Sie sind omnipräsent. Wenn irgendwo ein Kaugummipapier runterfällt heben Sie es auf. Wird das nicht zu viel, kann das in dem Tempo weitergehen?
Ich bin auf einen fahrenden Zug aufgesprungen, dabei haben mir viele Mitarbeiter der Verwaltung, mein Gemeinderat, mein Hauptamtsleiter und meine beiden Stellvertreter geholfen. Das Tempo, des ersten Jahres fortzuführen ist auch nicht notwendig. Die Wahlperiode eines Bürgermeisters ist ein Marathon, kein 100-Meter-Lauf.
Leiden Ihre Mitarbeiter nicht unter diesem Druck, wie gehen die damit um?
Alle gemeinsam haben mir einen sehr guten Einstieg ermöglicht. In dem Zug, in dem wir uns befinden, gibt es einen Kohletender, der gefüttert werden muss. Ist er heiß, kocht das Wasser, durch den Wasserdampf hat die Dampflok Energie zum Fahren. Und die Mitarbeiter sind dafür verantwortlich. Ich habe mich am Anfang gefreut, dass die Lok immer schneller wird, aber ich habe verstanden, dass man auch mal nach hinten schauen muss und den zurückgelegten Weg betrachtet, was schon geschafft wurde. Jetzt muss auch Zeit bleiben, mal aus dem Fenster zu schauen, um offen für neue Aufgaben zu sein. Wir werden in Zukunft mehr Mitarbeiter brauchen, um alle Aufgaben, die vor uns liegen, leisten zu können, da bin ich mit meinem Gemeinderat voll im Einklang, der diesen Weg unterstützt. Wir werden die Ausbildungsplätze deutlich erhöhen, damit wir unser Fachkräftepotential für die Zukunft selbst organisieren.
Im Wahlkampf hatten Sie frischen Wind für Königsbronn versprochen. Was wurde denn daraus?
Ich glaube, dass die Menschen in der Gemeinde erleben, dass sich sehr viel bei uns tut, dass sehr viele lose Enden aufgenommen worden sind. Das Mitarbeiterteam und der Gemeinderat haben die Herausforderungen angenommen, gemeinsam tun wir, was notwendig ist.
Glauben Sie, dass die Bürgerinnen und Bürger diesen frischen Wind auch wahrnehmen, oder ist es für sie eher ein laues Lüftchen?
Ich denke den Wind spüren alle Königsbronner und lassen sich gerne von ihm mittragen. Ich möchte jährlich einen vor Ort Termin in Königsbronn und seinen Teilorten für alle Mitbürgerinnen und Mitbürger machen, um Themen, die die Menschen bewegen, zu diskutieren, gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht. Das ist auch für dieses Jahr geplant, auch in den Teilorten. Dabei wollen wir zeigen, woran wir gerade arbeiten und herausfinden, welche Wünsche und Anregungen die Menschen haben.
Das ist aber nicht die Antwort auf die Frage.
Ich denke schon, dass die Menschen spüren, dass in unterschiedlichen Bereichen etwas vorangeht, beispielsweise beim Verkehrskonzept Itzelberger See.
Von frischem Wind etwas zu spüren, dauert in der Kommunalpolitik. Sie sind hochmotiviert, wollen alles umkrempeln und neu machen, und dann merken Sie, dass das nicht so einfach ist, und alles seine Zeit dauert. Ist das für Sie eine schmerzhafte Erfahrung oder demotivierend?
Sagen wir mal so: Es ist eine neue Erkenntnis. Kleine Projekte, die wir eigenständig umsetzen können, gehen sehr schnell. Aber in einer gelebten Demokratie sind viele Sitzungen, viele Anhörungen notwendig, und das bedeutet längere Prozesse. Immer wieder stelle ich fest, dass es gewisse Ziele und Vereinbarungen gibt, und dann kommen Bedenken auf, beispielsweise artenschutzrechtliche Themen. All diese Dinge sorgen dafür, dass vieles länger dauert, als man sich erhofft. Aber ich habe noch sieben Jahre Zeit und bin überzeugt, dass ich in dieser Zeit nennenswerte Ergebnisse vorweisen werde. Für jetzt ist es mir wichtig, die Menschen mitzunehmen.
Blicken wir zurück auf 365 Tage. Was war für Sie das Bedeutendste, das Sie anschieben konnten?
Eines der dicksten Bretter, das wir derzeit bohren, ist die Verbesserung der Verkehrssituation auf der B19. Wir haben eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um kurz- und mittelfristige Verbesserungen zu finden und zu erreichen. Natürlich wollen wir dabei langfristige Ziele wie eine Umfahrung oder einen Tunnel nicht aus den Augen verlieren. Aber mir ist wichtig, greifbare Ansätze zu nutzen, um in den nächsten Jahren Verbesserungen zu bringen. Das Ziel sind erste bauliche Veränderungen im Jahr 2024 was sehr sportlich ist und nur gelingen wird, wenn alle beteiligten Partner gemeinsam mitarbeiten.
Worum geht es dabei?
Um ganz unterschiedliche Ansätze, die jetzt untersucht werden. Wir wollen dabei auch die Bürger beteiligen, um deren Ideen und Gedanken miteinzubeziehen. Zum Beispiel in Form eines Bürgerforums.
Also ein Kreisverkehr und weniger Ampeln?
Das ist eine denkbare Möglichkeit. Welche Maßnahmen letztendlich möglich sind, wird das beauftragte Fachbüro aufzeigen. Die Maßnahmen müssen ja auch mit dem Straßenbaulastträger, dem RP Stuttgart abgestimmt werden. Momentan laufen noch Leistungsberechnungen durch das beauftragte Büro.
Wie geht es denn mit der Neubebauung beim Musikerheim voran? Hier sollen doch neue Wohnungen entstehen.
Bei den Brenzquellhöfen laufen derzeit Artenschutzgutachten, Fledermäuse sind hier ein größeres Thema. Wenn die Untersuchung abgeschlossen ist, folgen weitere Schritte, wie zum Beispiel die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens. Unser Ziel ist es, noch in diesem Herbst mit Abbrucharbeiten zu beginnen.
Wann ist mit einem Baubeginn zu rechnen?
Im Herbst 2024 sollte, vorausgesetzt aller zu erfüllenden Unwägbarkeiten, die Ampel zum Baubeginn auf grün stehen.
Was war im Rückblick die schwierigste Aufgabe im ersten Jahr?
Zu lernen, wie manche Prozessabläufe sind, auch von der Zeitschiene her. Wenn eine Idee reift aus Gemeinderat und Verwaltung, so wie die Sanierung der Hoppeleshalde, die schon seit zehn Jahren im Gespräch ist, dann kann das dauern. Es geht um Fördergelder, Planungen, rechtliche Dinge. Das kann alles oftmals verzögern. Wir wollten Fördergelder beantragen, aber da wir aus topografischen Gründen an dieser Hangstraße keinen separaten Radweg bauen können, bekommen wir keine Zuschüsse vom Land und müssen die Sanierung selbst finanzieren.
Wird es den Radfahr-Teststreifen danach noch geben?
Der ist im Verkehrskonzept enthalten und wird auf der neuen Straße wieder aufgebracht, sofern vom Verkehrsministerium die Ausnahmegenehmigung verlängert oder dauerhaft erteilt wird.
Was macht Ihnen denn im Amt am meisten Spaß?
Dass jeder Tag anders ist. Ich weiß morgens nie, was der Tag bringen wird, obwohl eigentlich alles geplant ist. Die kompakte Königsbronner Verwaltungsstruktur mit knapp über 100 Mitarbeitern, ist als eine kommunale Verwaltung sehr schlagkräftig und handlungsfähig. Von der Überlegung über die Planung bis zur Umsetzung kann es manchmal wirklich schnell gehen. Auch das gute Zusammenspiel mit dem Gemeinderat macht mir Spaß. Verwaltung, Gemeinderat und Bürger arbeiten als Team zum Wohle von uns allen.
Es gibt ja auch das Projekt „neue Ortsmitte“. Nach dem Abriss des früheren „Umsonst-Ladens“ hat man nichts mehr davon gehört. Gibt es da Planungen?
Der Schickhardtplatz soll genutzt werden. So besteht bei den Königsbronnern beispielsweise der Wunsch, den Maibaum wieder bei der Volksbank aufzustellen. Verbunden mit einem Maibaumfest, das hier stattfinden könnte, eine Art kleines Dorffest.
Feste gibt es im Hauptort Königsbronn ja kaum.
Wir haben vor, im kommenden Jahr wieder ein Straßenfest zu veranstalten. Feste bringen die Menschen zusammen und schaffen ein Gemeinschaftsgefühl. In den Teilorten funktioniert das schon gut.
Apropos Teilorte: Im Wahlkampf haben Sie gesagt, dass sie diese auch besser einbinden und sich um sie kümmern wollen. Gibt es da Fortschritte?
Durch die Beibehaltung der unechten Teilortswahl werden Itzelberg, Ochsenberg und Zang auch künftig im Gemeinderat vertreten sein. Ich bin mit allen Teilorten in Kontakt, für Itzelberg konnten wir mit der Verbesserung der Verkehrssituation am See einiges tun. Die Dorfjugend in Zang bringt sich sehr gut ein, sie plant ein Sommerfest und darf zum Sport auch die Turnhalle benützen. Das neue Feuerwehrmagazin in Zang soll auch der Bevölkerung dienen, indem es in Zeiten von Krisen als Notunterkunft genutzt werden kann. Außerdem wird der Sanitärbereich bei Festen der Bevölkerung zugänglich gemacht. In Ochsenberg sind wir auch an interessanten Themen zur Entwicklung der Dorfstruktur dran.
Auch für den Krisenfall soll die Infrastruktur ausgebaut werden.
Wir hoffen, z.B. Fördergelder für Sirenen zu bekommen. Ist das nicht der Fall, werden wir auf eigene Rechnung Sirenen für Königsbronn und die Teilorte beschaffen, das haben wir im Gemeinderat beschlossen. Außerdem wird für die Wasserversorgung ein 300KW-Notstromaggregat angeschafft, das beim Wasserwerk in Itzelberg aufgebaut wird. Zusätzlich wird mit allen elf Kommunen im Landkreis Heidenheim ein Krisen-Notfallplan erarbeitet. Beispielsweise werden Satellitentelefone beschafft.
Thema Umweltschutz: Was ist denn aus der „Königsbiene“ geworden?
Hier arbeiten wir mit einem Büro zusammen. Nach zwei Jahren der Ansaat haben wir verschiedene Erfahrungen mit Saatmischungen für unterschiedliche Standorte gemacht. Wir sind auch mit einem Königsbronner Ökologen im Gespräch. Wichtig ist, dass man das ökologisch gesamtheitlich betrachtet, um einen bestmöglichen Artenschutz zu schaffen.
Wird wieder jeder Haushalt ein Päckchen Saatgut bekommen?
Darüber haben wir noch nicht gesprochen.
Wie hat sich denn das Verhältnis zu Oberkochen entwickelt? Das war ja früher eher nicht so positiv.
Ich habe einen sehr angenehmen Kontakt zu Bürgermeister Peter Traub, zu Teilen des Gemeinderats und zur Bevölkerung. Die Gemeinderatsfraktionen tauschen sich untereinander aus. Wir werden gemeinsam Ziele erreichen und ich arbeite daran, dass wir gestärkt in die Zukunft blicken. Auch im Hinblick auf beide Interkommunalen Gewerbegebiete.
Ein Thema, das in der Zukunft sicherlich noch eine große Rolle spielen wird. Worin sehen Sie denn die wichtigste Aufgabe in ihrem zweiten Jahr im Amt?
2024 sollen konkrete Baumaßnahmen an der B19 stattfinden, um erste Verbesserungen herbeizuführen. Auch die Brenzquellhöfe sind von großer Bedeutung, da müssen wir vorankommen. Außerdem ist es wichtig, dass wir in Zang mit der baulichen Entwicklung, weiterkommen. Hier könnten ca. 80 Bauplätze entstehen, ein dem aktuellen Bedarf angepasstes Konzept soll hier erarbeitet werden. Dabei gilt es auch, neue Wohnformen in Betracht zu ziehen. Dazu gehört die Entwicklung der Kindergärten und Schulen sowie die Ärztliche Versorgung. Wir arbeiten auch an zeitgerechten und modernen Arbeitsplätzen für eine größer werdende Verwaltung.
Wie geht es denn weiter mit dem Weißen Rössle?
Es laufen Termine mit dem Denkmalamt und den Architekten vor Ort. Wir wollen wissen, wie dort ein Gastronomiekonzept umgesetzt werden kann. Möglicherweise mit einem benachbarten Hotel, das uns vor große Herausforderungen stellt, dass wissen wir natürlich.
Haben Sie es eigentlich je bereut, als Bürgermeister kandidiert zu haben?
Nein, keine Sekunde. Ich habe mich bewusst dazu entschlossen zu kandidieren. Ich habe es schon gesagt: Kein Tag ist wie der andere, unsere Gemeinde lebt, es ist sehr viel zu tun, eine meiner wichtigen Aufgaben neben der Verwaltung ist es, auf die Menschen zuzugehen, das ist genau meine Sache.