Energiewende

Wie Ostwürttemberg im Land zum Wasserstoff-Vorreiter werden will

Wasserstoff gilt als wichtiger Energieträger der Zukunft. In Ostwürttemberg will ein Bündnis aus Politik und Wirtschaft die notwendige Infrastruktur vorantreiben.

Die Region Ostwürttemberg will zu einer Vorreiterin in der Nutzung klimafreundlichen Wasserstoffs werden. Das Gute daran: Die Landkreise Heidenheim und Ostalb sind damit schon sehr weit.

Bei der Abschlussveranstaltung des Projekts „H2Ostwürttemberg“ wurde am Donnerstagabend in der Königsbronner Hammerschmiede klar, dass die politischen und wirtschaftlichen Entscheider die Phase der bloßen Absichtserklärungen so langsam hinter sich lassen. Jetzt gehen die Pläne in die Praxis, oder, wie es ein Referent sagte „von Powerpoint zur Umsetzung“.

Gas-Pipeline soll zum Standortvorteil in Ostwürttemberg werden

Im Zentrum der Wasserstoffinitiative steht ein mehrgleisiges Konzept: Zum einen soll in der Region die Infrastruktur für die Verteilung des Brennstoffs gebaut werden. Als gewichtiger Vorteil erweist sich dabei, dass die Süddeutsche Erdgasleitung (SEL), ein gewichtiges Pipeline-Projekt, den Landkreis Heidenheim von Westen nach Osten durchqueren soll. An diese Leitung, die künftig zu einem bundesweiten Wasserstoff-Kernnetz gehören soll, will man sich in der Region anschließen und über bereits vorhandene oder neu zu bauende Leitungen den Wasserstoff zur Industrie und zu weiteren Verteilstellen transportieren.

Außerdem will man in der Region die Wasserstoffnutzung in Betrieben vorantreiben. Das Potenzial ist bereits beziffert: 2030 werde es in der Region einen jährlichen Wasserstoffbedarf von 215.000 Tonnen geben, so Dirk Schmidt von der Technologieberatung Eura AG. Rund die Hälfte davon würden Großverbraucher wie Palm in Unterkochen oder Voith und Schwenk in Heidenheim beanspruchen.

Ostwürttemberg will grünen Wasserstoff aus Windkraft erzeugen

Schmidt nahm an, dass bereits 2030 ausreichend viel Wasserstoff über die SEL verfügbar sein werde. Das Projekt ist seit Jahren planfestgestellt, ein konkreter Baubeginn steht jedoch noch nicht fest. Bis dahin soll, quasi als Brückentechnologie, grüner Wasserstoff selbst hergestellt und über Tankwagen in der Region verteilt werden. Der Strom dafür soll beispielsweise aus Windkraftanlagen stammen. Einer der dafür benötigten Elektrolyseure soll in absehbarer Zeit in Ellwangen in Betrieb gehen. Schmidt betonte aber auch, dass der regionale Bedarf auf diesem Wege langfristig nicht gedeckt werden könne.

Im Mittelpunkt der Königsbronner Veranstaltung standen Anwendungsbeispiele für die Wasserstoffnutzung. Laut Schwenk-Mitarbeiter Jürgen Thormann benötige das Mergelstetter Zementwerk für seinen Ofen so viel Wasserstoff, dass herkömmliche Transportmittel dafür nicht ausreichten. Bislang verheizt Schwenk eine Mischung verschiedener Brennstoffe in seinen Öfen, diese sollen aber so weit wie möglich durch Wasserstoff ersetzt werden.

Tauschten sich in der Königsbronner Hammerschmiede aus: (v.l.) IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler, Wissenschaftlerin Dr. Maike Schmidt, Erster Bürgermeister Christian Baron (Schwäbisch Gmünd), Landrat Peter Polta (Heidenheim) und Landrat Dr. Joachim Bläse (Ostalbkreis). Jens Eber

Das allein, betonte Thormann, werde die Zementherstellung aber noch nicht klimaneutral machen, denn aus dem Rohstoff Kalkstein entweiche beim Erhitzen ebenfalls Kohlenstoffdioxid. Daher baut Schwenk in einem Konsortium mit weiteren Zementherstellern in Mergelstetten an einer Versuchsanlage zur Abscheidung von CO2 für alternative Nutzungen (wir berichteten).

Konrad Grimm von der Aalener Maschinenfabrik Alfing Kessler bezifferte den jährlichen CO2-Ausstoß seines Unternehmens mit 41.000 Tonnen, unter anderem würden jährlich 115 Millionen Kilowattstunden Erdgas und 60 Millionen Kilowattstunden Strom verbraucht, zu mehr als zwei Dritteln für Prozesswärme, also etwa das Erhitzen von Bauteilen. Ein Großteil der benötigten Energie soll auch bei Alfing Kessler künftig aus Wasserstoff gewonnen werden.

Landrat Polta fordert Verlässlichkeit in der Politik ein

Heidenheims Landrat Peter Polta wertete die Zusammenarbeit in der Region in der Frage der Wasserstoffversorgung als „vorbildlich“, mahnte aber auch, der Bau der überregionalen Gas-Pipeline müsse zeitnah starten. „Wir brauchen die SEL“, so Polta. Zugleich forderte der Landrat verlässliche Förderungen durch den Bund ein. Allein für den Bau eines Wasserstoff-Verteilnetzes werden man in der Region mindestens 135 Millionen Euro aufwenden müssen. Rund 84 Kilometer soll das regionale Leitungsnetz umfassen. „Dafür braucht es Verlässlichkeit in der Politik“, so Polta.

Dr. Joachim Bläse, Landrat des Ostalbkreises, erachtete es als wichtig, bis zur Fertigstellung der Pipeline die ersten Schritte in Richtung Wasserstoff zu gehen. Es gelte, lokale Leitungen zu bauen, wasserstoffbetriebene Busse und Lastwagen in Betrieb zu nehmen und die überbrückende Infrastruktur zu bauen. Hierfür ist etwa in Giengen eine Wasserstoff-Abfüllstation geplant.

Region will weitere Förderung beantragen

Das Projekt „H2Ostwürttemberg“ gehört zum Programm HyLand, das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert wird. 300 Regionen in Deutschland hatten sich um die Teilnahme beworben, Ostwürttemberg gehört zu den 50 ausgewählten. Angedacht ist auch bereits, einen Förderantrag für ein Folgeprojekt zu stellen, um zentrale Vorhaben umsetzen zu können.